Wer sich in Deutschland solidarisch mit dem kurdischen Freiheitskampf zeigt, kann sich schnell im Visier der Sicherheitsbehörden wiederfinden. Grundlage ist das 1993 in der Bundesrepublik erlassene Betätigungsverbot für die PKK. Seit dem Erlass werden nirgendwo außerhalb ihrer Heimatgebiete politisch aktive Kurdinnen und Kurden einer so systematischen Repressions- und Kriminalisierungspolitik ausgesetzt wie in Deutschland. Doch immer öfter schränkt das PKK-Verbot auch elementare Rechte von internationalistischen Linken der Kurdistan-Solidarität ein und kriminalisiert Aktivitäten, die ein fester Bestandteil der demokratischen Kultur und Meinungsbildung sind, wie etwa die Teilnahme an Demonstrationen oder ihre Organisierung.
Ein besonderes Exempel soll hier offensichtlich an dem Berliner Aktivisten U. statuiert werden. Gegen den Deutschen wurde ein Ausreiseverbot aus dem Gebiet der Bundesrepublik verhängt, weil er sich für die Rechte von Kurdinnen und Kurden und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage engagiert. Im Januar hatte das Berliner Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten U. mitgeteilt, dass er die Bundesrepublik nicht verlassen dürfe und seine Ausweisdokumente innerhalb von vier Werktagen abzugeben habe (ANF berichtete). Veranlasst wurde die Maßnahme durch das Berliner Landeskriminalamt, das U. zum Vorwurf macht, dass er „in thematischem Zusammenhang mehrfach als Anmelder von Berliner Versammlungslagen in Erscheinung“ getreten sei.
U. hatte unter anderem die Großdemonstration gegen das PKK-Verbot und den Krieg in Kurdistan am 27. November 2021 in Berlin angemeldet. Der Staatsschutz des LKA unterstellt ihm, mit seinen Aktivitäten „die auswärtigen Beziehungen oder auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland“ zu gefährden und eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ nach Paragraph 89a Strafgesetzbuch vorzubereiten. Dafür deutet die Behörde einen für Ende letzten Jahres geplanten Griechenland-Urlaub um zum „Besuch eines Ausbildungslagers im europäischen Ausland“. Die Aussicht auf eine Ausreise eröffne U. dem Staatsschutz zufolge „die Möglichkeit, als ausgebildeter potentieller Attentäter in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren, um hier Anschläge zu begehen oder zu organisieren“.
Der Ko-Vorsitzende des kurdischen Dachverbands KON-MED, Engin Sever, ist empört. „Bereits seit Jahrzehnten werden kurdische Menschen, die es wagen sich hier in Deutschland zur kurdischen Frage offen zu positionieren, kriminalisiert und viele von ihnen werden mit antikurdischem Rassismus konfrontiert. Das allein schon ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“, protestiert der Politiker. Doch dass nun auch deutsche Aktive, die sich für die kurdische Sache stark machten, von eben jener Kriminalisierung immer stärker betroffen seien, lasse sich schwer in Worte fassen. Fälle, wie der aktuelle von dem Aktivisten U. aus Berlin zeigten, dass das Maß an Repression immer extremer zunehme.
„Diese Stilisierung des Betroffenen zu einem internationalen Terroristen steht im luftleeren Raum“, meint Sever. In der Gesamtschau der gegen U. angeführten Beweise hielten Anmeldungen von Demonstrationen und öffentlichkeitswirksame Auftritte für die „Konstruktion realitätsferner Vorwürfe“ her. In Bezug auf U. bedeute diese Maßnahme ganz konkret eine große Einschränkung seiner Lebensführung und einen schweren Eingriff in seine Grundrechte, stellt der Politiker fest. „Der Vorgang reiht sich ein in eine weitreichende Praxis der Kriminalisierung der kurdischen Gesellschaft, kurdischer Politik und der Menschen, die hier in Deutschland zum Thema aktiv werden. Dies verurteilen wir aufs Schärfste und fordern, dass die deutsche Politik dazu Stellung bezieht“, verlangt Sever.