Der Anmelder einer Demonstration für die Aufhebung des PKK-Verbots im vergangenen November in Berlin wird als Gefährder der Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland eingestuft und darf das Land nicht mehr verlassen. Das teilt der Unterstützer:innenkreis des Betroffenen mit:
Am 24. Januar 2022 wurde dem politischen Aktivisten U per Brief mitgeteilt, dass dieser binnen vier Werktagen seine Ausweisdokumente abzugeben habe und ihm das Verlassen der Bundesrepublik zeitgleich mit der Zustellung untersagt sei. Veranlasst wurde dies durch eine Stelle des Berliner Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, welches auf Betreiben des Berliner LKAs und dessen Konstruktion einer potenziellen Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik tätig wurde.
Bereits mehrere Wochen zuvor sind dieser Maßnahme „Anquatschversuche“ durch zivile Ermittler:innen bei den Mitbewohner:innen und anderen dem Betroffenen nahe stehenden Personen vorausgegangen. Die kurz darauf eingetroffene Mitteilung des Entzugs der Passdokumente wird durch die zuständige Dienstelle damit begründet, dass unter Berufung auf den § 8 des Passgesetzes der Pass verwehrt werden könne, wenn die im vorherigen § 7 gelisteten Voraussetzungen erfüllt seien. Im Fall des politisch aktiven U geschah die Beschneidung der eigentlich als „Grundrecht“ geltenden Freizügigkeit, unter Berufung auf den Absatz 1, Nr. 1,6 und 10.
„Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“
Doch was heißt das und was wird ihm vorgeworfen? Konkret geht es hier um den Vorwurf, dass der Betroffene U durch seine politische Betätigung die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde und plane, eine im § 89a des Strafgesetzbuches beschriebene Handlung vorzunehmen. Eine solche Handlung umfasst laut Strafgesetz die„Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“.
Einsatz für eine politische Lösung der kurdischen Frage
Laut Berliner Staatsschutzes soll es nämlich darum gehen, dass sich der Betroffene in den vergangenen Monaten durch Interviews, öffentliche Auftritte und die Anmeldung von mehreren Demonstrationen zunehmend für die Rechte von Kurd:innen und eine politische Lösung des Kurdistan-Konfliktes eingesetzt haben soll. In diesem Rahmen trat U am 27. November 2021 als Anmelder der Demonstration „PKK-Verbot aufheben! Krieg beenden, politische Lösung fördern!“ auf, welche sich laut dem Selbstverständnis der Initiative für die Rechte von Kurd:innen einsetze und einen Teil dazu beitragen wolle, eine friedliche Transformation des Konfliktes hin zu einer demokratischen Lösung der „kurdischen Frage“ zu realisieren.
„Gefährdung der auswärtigen Beziehungen“
Wie das Berliner Landeskriminalamt von den dargelegten Erkenntnissen „der Betroffene … trat in thematischem Zusammenhang mehrfach als Anmelder von Berliner Versammlungslagen in Erscheinung“ den Sprung dazu macht, dass dieser ein „ausgebildeter Gewaltbereiter“ sei, wie es in der Begründung des Ausreiseverbotes heißt, dessen „Aktivitäten … erheblich die Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, indem sie u. a. die auswärtigen Beziehungen oder auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährden“, bleibt hierbei ein Rätsel, welches der Staatsschutz wie folgt versucht aufzulösen:
Ein vermeintlicher geplanter Urlaub in Griechenland Ende letzten Jahres wird als ein „Besuch eines Ausbildungslagers im europäischen Ausland“ umgedeutet, woraus sich im Sinne dieser Erzählung die unmittelbare Gefahr einer „Begehung einer Mehrzahl von Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche der §§ 89a und 89b, 109h, 129 ff., 130, 211 ff., 224 ff., 306 ff StGB“ ergebe. Die Möglichkeit der Ausreise aus der Bundesrepublik eröffne laut Aussagen des Staatsschutzes für den Betroffenen U „die Möglichkeit als ausgebildeter potentieller Attentäter in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren, um hier Anschläge zu begehen oder zu organisieren“.
Stilisierung zu einem internationalen Terroristen
Klar ist, dass dieses Konstrukt und die Stilisierung des Betroffenen zu einem internationalen Terroristen, der unter keinen Umständen das Land verlassen dürfe, weitreichende Konsequenzen haben, deren Begründungen sich selbst ad absurdum führen. Die gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen, welche lediglich durch ein realitätsfernes Konstrukt des Berliner Landeskriminalamtes begründet werden und faktisch im luftleeren Raum stehen, werten wir als einen Skandal für sich. Einen Skandal deshalb, da in der Gesamtschau der angeführten „Beweise“ lediglich Anmeldungen von Demonstrationen und öffentlichkeitswirksame Auftritte, also vermeintlich durch Grundgesetze geschützte Aktivitäten, für die Konstruktion abstrusester Vorwürfe herhalten, die durch nichts zu rechtfertigen sind und lediglich der Einschüchterung und Einengung von Bewegungsspielräumen für politische Aktivist:innen herhalten.
Nicht aus heiterem Himmel
Dass dieses makabere Handeln des Staatsschutzes aber nicht aus heiterem Himmel kommt, zeigt, dass sich bereits seit mehreren Jahrzehnten politische Aktivist:innen, die sich für eine friedliche Lösung der „kurdischen Frage“ einsetzen, massivst im Blickfeld polizeilicher Behörden wiederfinden. Dass wie in diesem Fall Anmeldungen von Demonstrationen und ähnliche Aktivitäten, die sonst als die „Wahrnehmung demokratischer Grundrechte“ gewertet werden, als belastende Informationen dargestellt werden, ist dabei eher Regel als Ausnahme. Diese Tatsache und die gegen U vorgebrachten Vorwürfe, welche eine große Einschränkung der Lebensführung und schwere Eingriffe in die Grundrechte mit sich bringen, verurteilen wir daher aufs Schärfste.