Für eine Mentalitätsrevolution ist ein großer Kampf notwendig

Mentalität und Gewissen manifestieren sich in Organisation und Handeln. Es gibt kein Instrument, um sie zu messen. Erst in der Praxis werden Mentalität und Gewissen sichtbar und messbar.

Der Kampf, die Leistungen und die Akkumulation von Erfahrungen, die aus dem seit fünfzig Jahren von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] angeführten Kampf hervorgehen, beinhalten unter den aktuellen Bedingungen das Potenzial, sich in eine große Revolution zu transformieren. Aus welcher Sicht auch immer man die gegenwärtigen Bedingungen analysiert und bewertet, sie beinhalten diese Gelegenheit. Die Voraussetzungen für die Entwicklung von revolutionären Bewegungen sind definitiv vorhanden. Es gibt starke Vorbereitungen und große Erfahrungen, diese Bedingungen für eine Revolution zu nutzen. Das umfassende und tiefgreifende Niveau der theoretischen Analyse, der philosophischen und ideologischen Positionierung sowie eine starke geistige Aufklärung sind vorhanden. Diese Bewusstwerdung befindet sich auf einem Niveau, das allen Unterdrückten im Kampf für die Befreiung den Weg zeigen kann. Wenn die Aufgaben der Bewusstseinsvermittlung und Organisierung erfüllt werden, befindet sich der Kampf auf dem Weg zum Sieg.

Das Volk tritt für das freie und demokratische Leben bis zum Tod ein“

Es gibt eine riesige Akkumulation praktischer Erfahrungen. Diese Anhäufung wurde in fast allen Bereichen des Kampfes aufgebaut, wobei Widerstand, Krieg und militärischer Kampf im Mittelpunkt stehen. Es gibt aber auch eine enorme Anhäufung von Erfahrungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, einschließlich der Propaganda, der Organisierung sowie des politischen, sozialen, kulturellen und künstlerischen Kampfes. Im Rahmen des Kampfes haben sich grundlegende Werte herausgebildet, die der Gesellschaft Örientierung bieten. Es gibt die Realität von Rêber Apo. Zusammen mit Rêber Apo gibt es eine Armee von Gefallenen im Bewusstsein der Menschen. Das Volk tritt für das freie und demokratische Leben bis zum Tod ein. Es wendet sich diesem Kampf mit großer Sehnsucht zu. Es gibt eine ernstzunehmende organisatorische Kraft; es gibt Kader, Kommandant:innen und Kämpfer:innen. Die Jugend ist wie nirgendwo anders in der Welt in der Lage, mit großem Mut und Opferbereitschaft Krieg zu führen. Die ganze Welt ist durch das Beispiel des Mutes und der Aufopferung der kurdischen Jugend in der Lage, sich zu verteidigen.

Die günstigen Bedingungen, die Erfahrungen und die Vorbereitungen verstärken sich gegenseitig. Vom theoretischen und logischen Standpunkt aus betrachtet, kann man ohne zu zögern sagen, dass das Ergebnis von all dem eine große Revolution sein wird. Es kann kein anderes Ergebnis als dieses geben, denn das Potenzial ist gewaltig.

Um die aktuellen Bedingungen in eine Revolution transformieren zu können und die Probleme der Gesellschaft zu lösen, sind zwei Bedingungen zu erfüllen. Erstens muss die Lösung bei sich selbst gesucht werden. Die Partei und ihre Kader müssen eine angemessene Analyse ihres eigenen Wesens.

Zweitens muss auf der Grundlage der Ergebnisse eine wirksame Arbeit und ein wirksamer Kampf geführt werden, um die Errungenschaften in die Gesellschaft zu tragen. Wenn diese Punkte umgesetzt werden, können die sozialen Probleme gelöst werden.

Wie findet man die Lösung in sich selbst? Das ist der Punkt, an dem das eigentliche Problem entsteht. Die Art und Weise, wie man die Lösung in die Gesellschaft trägt, ist ein anderes Thema. Sie ist bekannt und wird als revolutionäre Arbeit, als praktische Arbeit bezeichnet. Diese hat viele Dimensionen wie die ideologische, organisatorische, politische, wirtschaftliche, soziale und militärische und drückt sich im entsprechenden Vorgehen entlang dieser Dimensionen aus. Das ist klar, aber wie werden wir in der Gesellschaft arbeiten, worauf werden wir hinarbeiten? Wohin werden wir die Gesellschaft zu bringen versuchen? Der konkrete Ort, an den wir die Gesellschaft bringen wollen, ist die Lösung, die wir als ihre Vorhut in uns selbst gefunden haben und die die Partei in sich selbst schaffen wird. In diesem Sinne sagte Rêber Apo: „Die Partei ist der Prototyp der Revolution.“ Die Partei ist der Ort, an dem gesellschaftliche Probleme wie in einem Labor gelöst und die Ergebnisse auf die Gesellschaft übertragen werden. Wenn es bei der Partei und den Kadern keine Lösung gibt, wenn das Experiment im Labor nicht erfolgreich abgeschlossen wird, wird es nicht in die Gesellschaft getragen und ins Leben umgesetzt. In dem Maße, wie die Lösung bei den Kadern und in der Partei verwirklicht wird, kann die Gesellschaft revolutioniert werden.

Handeln ist keine Frage“

Mit anderen Worten: Die Frage, ob das passiert oder nicht, existiert nicht. Die Republik Türkei und der AKP/MHP-Faschismus stellen sich auf den Standpunkt: „Wir werden sie vernichten, wir werden um jeden Preis Ergebnisse erzielen.“ Es gibt also eine feindliche Kraft, die versucht, die Möglichkeiten und Chancen dieses Prozesses zu neutralisieren. Sie geht sehr planvoll und rücksichtslos vor und setzt alle möglichen Methoden und Mittel ein. Sie greift mit äußerster Brutalität an. Sie hat ihre ganze Macht mobilisiert und setzt alle Möglichkeiten der Türkei ein. Manche bettelt sie an, manche kauft sie sich, manche bedroht sie. Wenn wir zusammenfassen, was Tayyip Erdoğan seit Monaten tut und sagt, wird klar, wie diese feindliche Macht vorgeht und funktioniert.

Wir haben der AKP die Maske vom Gesicht gerissen“

Die AKP hält ihr Gesicht nun nicht mehr verborgen; die Maske ist gefallen. Wir haben die tausend Gesichter der AKP entlarvt und ihre Maske vom Gesicht gerissen. Das wurde durch einen harten und unerbittlichen Kampf erreicht. Vielleicht war es die schwierigste Aufgabe der Welt.

Indem der Weg für Strömungen geebnet wurde, die sich als islamisch darstellten, ist das internationale Komplott auf gefährliche Weise fortgesetzt worden. Das System der Verleugnung und Vernichtung will das internationale Komplott zum Erfolg führen.

Der AKP/MHP-Faschismus steht an der Spitze der reaktionären Strukturen und Strömungen im Nahen Osten. Sie alle werden von der AKP gespeist oder sind irgendwann unter deren Schirmherrschaft geraten. Seit die AKP in der Türkei an die Macht gekommen ist, haben diese Strukturen an Macht und Möglichkeiten auf regionaler Ebene gewonnen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde mit dem Projekt der Grünen Generation zunächst in Afghanistan mit al-Qaida und den Taliban ein erster Versuch unternommen. Dieser Versuch zeigte, dass dieses Projekt in der Lage war, zu bestimmten Ergebnissen zu führen. Dann wurde in umfassenderer Weise der Weg für die AKP in der Türkei geebnet. Die islamische Strömung wurde liquidiert, ihres Wesens beraubt und mit der AKP in einer verfälschten Form reorganisiert. Der Staat und die Gesellschaft in der Türkei wurden dieser Macht ausgeliefert, was den Weg für deren Organisierung im gesamten Nahen Osten ebnete.

Der Gesellschaft soll der Verstand geraubt werden“

Es handelt sich nicht um eine unbegreifliche Situation, sondern um Angriffe, die darauf abzielen, den Verstand zu lähmen. Rêber Apo hat dies als „Medienbombardement“ definiert, das darauf abzielt, die Gesellschaft zu zerstören, ihr das Gedächtnis zu rauben und ihren Verstand auszuschalten.

Das Ergebnis dieser Angriffe ist eine Haltung, die das derzeitige Machtsystem am Leben erhält und nicht in der Lage ist, wirksam dagegen vorzugehen. Gleichzeitig übt das System, wenn nötig, wie früher in aller Brutalität Druck auf die Gesellschaft aus. Tatsächlich finden sogar noch viel brutalere Unterdrückung und Grausamkeiten statt als in der Vergangenheit. Diese ist jedoch wesentlich perfider. Der Spezialkrieg ist eine verfeinerte Form der Unterdrückung und Gewalt. Es ist, als ob man ein Lebewesen vergiftet und tötet, ohne dass es das spürt oder merkt. Es ist so, als würde man vorgeben, jemandem eine Limonade zu geben, aber stattdessen handelt es sich um Gift. Auf dieser Grundlage findet eine mentale Vernichtung durch den Nationalstaat statt.

Sklaverei wird als Freiheit verkauft“

Die Methoden der Gegenseite sind offensichtlich. Deshalb können wir die Situation nicht als normal betrachten und nicht sagen, dass auch auf diese Weise gelebt werden kann. Es ist kein Leben, sondern eine perfide Methode des Tötens. Das ist der Punkt, den die kapitalistische Moderne mit ihrer Spezialkriegsführung erreicht hat. Sie hat die Sklaverei auf ein Niveau gebracht, das es in der Geschichte noch nie gegeben hat, aber sie tut dies mit solchen Methoden, dass die Versklavten glauben, sie seien frei geworden, sie hätten Willensfreiheit erlangt und verfügten über Rechte. Aber so wird ihr Wesen zerstört und das System am Leben erhalten.

Drei Fragen, die wir uns selbst stellen müssen“

Wir müssen erkennen, dass wir mit einem solchen Angriff konfrontiert sind. Daher ist es wichtig, die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

Erstens: Inwieweit können wir die Verhältnisse, in denen wir uns befinden, als revolutionäre Bedingungen betrachten und akzeptieren? Inwieweit können wir die Gefahren, aber auch die Möglichkeiten und Chancen der Revolution, die der Prozess beinhaltet, erkennen? Oder betrachten wir die bestehenden Verhältnisse nicht als Gefahr, sondern als Weg und Umwelt zur Aufrechterhaltung unseres individuellen Lebens?

Zweitens: Wenn das erkennbar ist, inwieweit sehen wir uns dann in der Rolle und in der Verantwortung, Gesellschaftlichkeit, Freiheit und Demokratie voranzubringen?

Drittens: Wenn ja, welche Anstrengungen unternehmen wir, um den Anforderungen dieser Verantwortung in der Praxis gerecht zu werden? Wie viel Bildung, Organisierung und Aktion führen wir durch? Inwieweit mobilisieren wir unser Potenzial und unsere Energie auf organisierte Weise?

Es ist notwendig, sich auf diese drei Dimensionen zu konzentrieren, um die bestehende Unbeweglichkeit zu überwinden und uns selbst zur Lösung zu machen. Wie können wir also eine Haltung erreichen, die in Tiefe und Umfang angemessen ist? Dazu muss zunächst der Unterschied und Abstand zwischen der Haltung von Rêber Apo und unserer Haltung erkannt werden. Indem wir uns tiefgreifend auseinandersetzen, forschen und analysieren und das tiefgründige Denken nicht meiden, kann dieser Rückstand überwunden werden.

Die Dimension des Paradigmas

Die Revolution der Mentalität ist ein großer Kampf. Ob es einen paradigmatischen Wandel gibt oder nicht, ist eine Frage, die mit der Frage der Mentalität verknüpft ist. Anstelle des Paradigmas, das unseren Verstand lenkt, müssen wir das Paradigma des Apoismus zu unserer Grundlage machen. Ein Paradigma ist auch eine Rangordnung der Prioritäten. Es wird in Wörterbüchern als eine Reihung von Werten definiert. Ein Paradigma legt fest, was an erster und was an letzter Stelle steht. Es beinhaltet auch die Klärung der Kriterien für Ablehnung und Akzeptanz, für Recht und Unrecht, gut und schlecht. Die Unzulänglichkeiten und Unterschiede in der Haltung entspringen aus den Unterschieden in diesen Kriterien.

Um das zu überwinden, ist es notwendig, das Denken nicht zu vernachlässigen. Der Empirismus ist ein Zustand der Oberflächlichkeit, bei dem man bei dem bleibt, was man sieht, und keine Urteile fällen kann. Um das zu überwinden, muss man denken, forschen, sich eine apoistische Mentalität zulegen und die geistigen Haltungen, die dieser Mentalität widersprechen, ablegen. Auf diese Weise kann das Phänomen, das wir als Revolution der Mentalität bezeichnen, verwirklicht werden.

Die Dimension der Verantwortung

Der zweite Punkt ist die Frage der Verantwortung. Ja, es gibt Möglichkeiten und Chancen, aber es gibt auch Gefahren. Aber welche Rolle messen wir uns angesichts dieser Möglichkeiten, Chancen und Gefahren zu? Bleiben wir am Rande stehen, genügt es uns zu sagen, was interessiert mich die Führung dieses Kampfes und seine Tiefe? Zweifellos sind wir nicht völlig unverantwortlich. Wir sind auch keine Menschen, die soziale Probleme ignorieren und ihrem eigenen Leben hinterherlaufen. Natürlich gibt es viele solcher Menschen. Sie sind unverantwortlich. Sie sind ohnehin überall sichtbar. Es ist wichtig zu betonen, dass wir nicht so sind, aber die Frage, inwieweit wir uns in ein Umfeld begeben, in dem wir uns verantwortlich fühlen, und inwieweit wir dessen Anforderungen erkennen, ist entscheidend. Das ist es, was man die Revolution des Gewissens und der Gewissenhaftigkeit nennt.

Wenn wir diese Situation nun auf den Bereich übertragen, über den wir gerade sprechen, können wir ein Konzept entwickeln, das wir Selbsterkenntnis nennen. Ersetzen wir „Selbstdisziplin“ durch „Selbsterkenntnis“. Es ist ein Gefühl des Gewissens und der Verantwortung. So wie die Guerilla das, was sie zu tun hat, gemäß ihrer Selbstdisziplin tut, ohne dass man ihr Befehle gibt und jemand sie dazu zwingen muss, so geht es im allgemeinen Kampf für die Revolution darum, sich im Sinne seiner Selbsterkenntnis verantwortlich zu fühlen, ohne dass jemand einen dazu zwingen oder anweisen muss. Wenn ein Mensch sich selbst dafür verantwortlich sieht, die Chancen zu nutzen, die Gefahren zu beseitigen und die aus dieser Verantwortung hervorgehende Aufgaben zu erfüllen, ohne sich auf irgendetwas zu verlassen, dann handelt es sich um einen Menschen, der diese Selbsterkenntnis, dieses wahre Selbstbewusstsein, erreicht hat.

Mazlum Doğan war ein solcher Mensch. Aus diesem Grund sagte Rêber Apo: „Die Partei ist Mazlum.“ Der Widerstand im Kerker entwickelte sich auf diese Weise, niemand gab Befehle. Mazlum Doğan hat alles selbst bewertet. Mit Selbstbewusstsein ist gemeint, dass man sich für das Ziel einsetzt und nicht in der Ecke oder am Rand stehenbleibt. Auch bedeutet Selbstbewusstsein, dass man sich mit großer Überzeugung auf der Linie des Apoismus am Kampf beteiligt.

Die Dimension der Kraft und des Willens

Die dritte Dimension ist die Demonstration der Kraft und des Willens, sich zu organisieren und aktiv zu werden. Es handelt sich nicht um ein spontanes Phänomen. Mentalität und Gewissen verkörpern sich in Organisation und Aktion. Es gibt kein Instrument, um die Mentalität und das Gewissen zu messen. Der Ort, an dem Mentalität und Gewissen sichtbar werden und gemessen werden können, ist die Art und Weise der praktischen Umsetzung. Wie auch immer die Praxis ist, was auch immer der Lebens-, Arbeits-, Organisations- und Kommandostil einer Person ist, so ist auch das Gewissen und die Mentalität des Menschen. Das ist der Ort, an dem gemessen werden kann. Dort konkretisiert sich die Persönlichkeit.