Kurz nachdem Ş. Azad gefallen ist, erhielten wir die Nachricht, dass unsere Genossin Elefteria Ende 2019 bei einem Luftangriff der türkischen Armee ums Leben gekommen ist. Durch den Tod einer weiteren internationalistischen Freundin wird uns die Realität der internationalistischen Revolution noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. In Rojava, in ganz Kurdistan, sind Gefallene eine tägliche Realität. Vom Beginn der Revolution in Kurdistan bis heute gab es kaum einen Tag, an dem nicht ein Mensch, der sich nach Freiheit sehnte, von kolonialen Armeen getötet wurde.
Die letzten Wochen in Rojava waren überschattet von Morden, die der faschistische türkische Staat mit der Drohnentechnologie, die er von seinen NATO-Partnern erhält, verübt. Die Realität wird für Internationalist:innen, für revolutionäre Jugendliche außerhalb Kurdistans, für die Bewegungen, in denen Şehîd Elefteria und viele unserer internationalen Gefallenen ihren Freiheitskampf begonnen haben, immer greifbarer. Es wird deutlich: Ohne Opfer wird es keine Revolution geben und keinen Kampf gegen die Kräfte, die im Begriff sind, diesen Planeten unbewohnbar zu machen. Eine Revolution wird von denjenigen angeführt, die bereit sind, ihr Leben dafür zu opfern. Unsere Genossin Elefteria war eine von ihnen.
Şehîd Elefteria kam aus dem ökologischen Kampf. Sie lebte und kämpfte in Waldbesetzungen und spürte sehr tief, was der Erde angetan wird, dem Land, das uns Menschen seit Tausenden von Jahren ernährt und pflegt, das uns mit allem versorgt, was wir zum Überleben brauchen. Sie spürte, wie dieses Land besetzt, zerstört, uns gestohlen und ausgebeutet wird, im Namen des Profits und des „Fortschritts". Ob es die Zerstörung des Amazonas in Brasilien ist, um Weizen für den Export anzubauen; ob es die Räumung des Waldes von Dannenröd ist, um Autobahnen auszubauen; ob es die Verbrennung von Bäumen auf dem Berg Cûdî ist, um die Guerilla in Kurdistan zu bekämpfen, oder das Austrocknen der Flüsse Euphrat (Firat) und Chabour (Xabûr), um die Lebensgrundlage in Nordostsyrien zu zerstören - sie empfand dies als einen Kampf und konnte nicht ruhen, bis sie einen Weg gefunden hatte, wie sie gegen all diese Umweltmorde kämpfen konnte. Ja, es gibt viele von uns, die so fühlen. Aber wie sehr sehnen wir uns danach, eine Antwort auf diese Zerstörung zu sein? Wie sehr streben wir danach, immer einen Schritt weiter zu gehen, um stärker und siegreicher gegen dieses System des Ökozids, dieses System des Völkermords zu kämpfen?
Kurz vor der Räumung des Hambacher Waldes im Jahr 2018 beschloss Heval Elefteria, nach Rojava zu gehen, um gegen den türkischen Staat zu kämpfen, der Efrîn belagerte. Nachdem sie Rojava erreicht und von der Räumung erfahren hatte, schrieb sie einen Brief an ihre Freund:innen in der Heimat. In dem Brief wird deutlich, wie sehr sie sich mit diesem Ort verbunden fühlte, wie sehr sie ihn in diesen Zeiten als ihre Heimat ansah. Aber trotz dieses Gefühls entschied sie sich, nach Rojava zu gehen, um sich den Reihen der YPJ anzuschließen und Teil des Kampfes zu werden.
Nur jemand, der über ein ausgeprägtes politisches und ideologisches Verständnis verfügt, ist in der Lage, solche Entscheidungen zu treffen und für sich selbst zu denken: „Ich verlasse einen Ort und Menschen, die ich liebe, um an einem Ort und mit Menschen zu kämpfen, die ich nie kennengelernt habe, weil ich weiß, dass es das Richtige ist, weil es eine tiefere Bedeutung im Rahmen eines weltweiten Kampfes für die Freiheit hat." Sie wollte nicht an dem Ort bleiben, an dem sie sich befand, mit den Menschen und Dingen, an denen sie hing, und das heißt nicht, dass es ihr leicht fiel, denn sie war nicht der Typ, der den einfachen Weg wählte.
Als der Journalist Steffen Meyn bei den Angriffen der deutschen Polizei auf den Hambacher Forst ums Leben kam, schickte sie erneut eine Botschaft nach Hause, ein Video, das sie in Rojava aufgenommen hatte. Man merkt ihr an, dass sie viel Schmerz und Wut empfunden hat. Was sie uns gezeigt hat, ist, dass diese Gefühle nur der erste Schritt sind. Eine Antwort auf diese Fragen zu geben, eine Schlussfolgerung zu ziehen und daraus einen Kampf zu entwickeln, ist die andere Seite. Und hier hat sie nicht nur affektiv gehandelt, sondern revolutionär. Sie hat sich bei ihren Entscheidungen immer davon leiten lassen, dass sie nicht danach handelte, was sie persönlich am meisten betraf, sondern danach, was sie als Revolutionärin, als Frau, als Mensch in der Zeit, in der wir leben, für ihre Verantwortung hielt.
Das hat ihr den Weg in die freien Berge Kurdistans geebnet. Sie durchbrach die Mauern in ihrem Kopf, die das System errichtet hatte. Sie überwand die Unterscheidung zwischen „ihrem Volk zu Hause" und „dem Volk in Kurdistan", ohne ihre Wurzeln aufzugeben. Für sie wurde die gesamte Menschheit „ihr Volk", so wie sie alle besetzten Länder und Orte der Welt als „ihre Heimat" betrachtete. Sie spürte den inneren Drang, für Befreiung zu kämpfen, gegen die Kolonisatoren und Besatzer, gegen diejenigen, die das Leben der Menschen, der Gesellschaften und des Planeten zerstören.
Şehîd Elefteria spürte deutlich die Ganzheitlichkeit der verschiedenen Kämpfe, sie sah klar alle sozialen Dimensionen der ökologischen Krise. Ohne den Aufbau einer Alternative auf der Grundlage der Realität der Gesellschaft selbst kann diese Krise niemals überwunden werden, egal wie viele Bewegungen und Aktivist:innen protestieren und versuchen, die Natur vor Angriffen zu schützen. Wenn sich die Gesellschaften nicht von Besatzung und Beherrschung befreien, werden sie niemals in der Lage sein, ein freies Leben im Einklang mit der Natur zu schaffen.
Mit diesem in der Philosophie von Serok APO verwurzelten Verständnis fand sie den Platz, an dem sie die größte Gefahr für dieses zerstörerische System werden konnte, und sie nahm diesen Platz mit Stolz ein: Als Guerillera der YJA Star baute sie die Persönlichkeit einer freien Frau, einer Kämpferin auf. Wir alle sehen es als genossenschaftliche Aufgabe an, ihre Hoffnungen in unserem Kampf weiterleben zu lassen:
„Ich hoffe, dass wir einfach lernen, nicht mehr in Grenzen zu denken, sondern zusammenzukommen und wie eine Faust gegen dieses System zu werden und zum Gegenangriff überzugehen und darauf etwas Neues aufzubauen."
Heval Elefteria, du wirst immer in unserem Kampf weiterleben. Şehîd namirin!
Der Nachruf auf Elefteria Hambi (Eva Maria Steiger) wurde zuerst in Englisch am 7. August 2023 auf der Internetseite von Make Rojava Green Again veröffentlicht. Make Rojava Green Again ist eine ökologische Kampagne der Internationalistischen Kommune Rojava.