„Die PKK hat ihre historische Rolle erfüllt – jetzt beginnt ein neuer Abschnitt“

Die PKK habe ihre historische Rolle erfüllt – nun gelte es, ihre Ideale in neuen gesellschaftlichen Formen weiterzutragen, sagt Duran Kalkan. Die Auflösung der Partei sei kein Ende, sondern ein bewusster Übergang in eine neue Phase des politischen Kampfes

Duran Kalkan

Im Rahmen des 12. Kongresses der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der vom 5. bis 7. Mai parallel in zwei Regionen der Medya-Verteidigungsgebiete stattfand, erklärte PKK-Exekutivratsmitglied Duran Kalkan, dass die Organisation ihre historische Mission erfüllt habe. In seiner Eröffnungsrede skizzierte er die ideengeschichtliche Entwicklung der Partei und plädierte für einen strategischen Übergang in eine neue Phase – unter Wahrung des revolutionären Ethos.

Ein Kongress unter Bedingungen des Krieges

Kalkan betonte, dass der Kongress unter Bedingungen des Krieges stattfand. Die Versammlung, aufgeteilt in zwei regionale Formate mit über 200 Delegierten, bilde eine repräsentative Entscheidungsbasis, die alle Sektoren der Bewegung einschließe – von zivilgesellschaftlichen Strukturen bis zu den Guerillastrukturen der Volksverteidigungskräfte (HPG) und Verbände freier Frauen (YJA Star).

Politische Kontinuität in der Verantwortung Öcalans

„Unsere Bewegung hat unter schwierigsten Bedingungen diskutiert, organisiert und entschieden – inmitten einer Kriegssituation, aber mit organisatorischer Tiefe und politischer Klarheit“, sagte Kalkan. Ein zentrales Motiv seiner Rede war die Würdigung Abdullah Öcalans als politisch-ideellen Initiator sämtlicher Kongresse. Selbst unter Bedingungen der Isolation auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali sei es stets Öcalans Beitrag gewesen, der die strategische Linie der PKK geprägt habe: „Er war es, der unsere Wiedergeburt als Partei, als Bewegung und als Volk ermöglicht hat.“

In diesem Sinne sei auch der zwölfte Kongress als direkter Ausdruck von Öcalans Führung zu verstehen – insbesondere mit Blick auf dessen Vorschlag, die PKK in ihrer bisherigen organisatorischen Form zu beenden.


Gedenken als politisches Vermächtnis

Ein wesentlicher Bestandteil des Kongresses war die offizielle Bekanntgabe des Todes von Ali Haydar Kaytan (Fuat) und Rıza Altun – beide Mitbegründer der PKK und enge Weggefährten Öcalans. Kalkan stellte sie in eine Traditionslinie mit Haki Karer und Kemal Pir und würdigte insbesondere ihre ideelle Treue, ihre organisatorische Aufbauarbeit sowie ihr Vermächtnis für künftige Generationen. „Unser Gefährte Fuat war einer der ersten, der sich gemeinsam mit Rêber Apo auf den Weg gemacht hat. Er verkörperte und repräsentierte die kontinuierliche und bedingungslose Hingabe an die Wahrheit des Vorsitzenden. Genosse Rıza hat durch seine bewegliche, quecksilberartige Persönlichkeit eine kämpferische Entschlossenheit verkörpert, die stark an Kemal Pir erinnerte. Er war ein zweiter Kemal Pir in Geist und Praxis“, so Kalkan.

Die historische Rolle der PKK

In seinem historischen Abriss erinnerte Kalkan daran, dass die PKK 1978 als Ausdruck eines bereits seit Jahren organisierten, revolutionären Milieus entstand – nicht als ideologischer Bruch, sondern als Formgebung des bereits etablierten apoistischen Bewusstseins. Er erinnerte an die frühen Widerstandsaktionen in Curnê Reş (tr. Hilvan) und Sêwreg (Siverek), die Gefängnisaufstände gegen die Militärjunta in den 1980er Jahren und die Aufnahme des bewaffneten Kampfes im August 1984, mit dem die Guerilla als revolutionäre Kraft etabliert wurde.

„Der sogenannte ‚Nationale Wiedergeburtsprozess‘ der 1990er Jahre war ein direkter Ausdruck der synergetischen Verbindung von Gefängniswiderstand und Guerillakampf“, so Kalkan. Diese Phase habe nicht nur eine nationale Identitätsbehauptung ermöglicht, sondern auch feministische, basisdemokratische und soziale Dimensionen der Bewegung hervorgebracht.

Die gegenwärtige Zäsur – kein Ende, sondern strategischer Übergang

Weiter betonte Kalkan, dass es sich bei der Selbstauflösung der PKK nicht um ein Ende, sondern um eine strategische Transformation handele. Die Beendigung der PKK in ihrer klassischen Parteiform eröffne die Möglichkeit, eine neue Organisationsweise gemäß der demokratischen Zivilgesellschaft zu entwickeln.

„Wie die Gründung der PKK ein bewusster Anfang war, ist diese Auflösung ein bewusster Übergang – nicht in die Passivität, sondern in neue Formen des Widerstands und der Gesellschaftsgestaltung.“ Die Bewegung wolle sich künftig stärker auf demokratische Selbstorganisation, ideologische Bildung, Jugend- und Frauenarbeit konzentrieren – unter Einbeziehung breiter zivilgesellschaftlicher Kräfte und auf der Basis einer antikolonialen, antikapitalistischen und geschlechtergerechten Perspektive.

Paradigmenwechsel als globale Vision

In Übereinstimmung mit Öcalans Paradigmenwechsel – weg von Nationalstaatlichkeit und Parteidenken, hin zu Konföderalismus und basisdemokratischen Strukturen – betonte Kalkan die globale Dimension der Bewegung: „Öcalans Vision weist über Kurdistan hinaus – sie spricht zu allen Unterdrückten dieser Welt, insbesondere zu den Frauen.“

Das Scheitern des im Juli 2015 gestarteten Vernichtungsfeldzugs in Kurdistan, der unter dem Etikett „Zersetzungsplan“ („Çöktürme Planı“, sinngemäß „In die Knie zwingen“) noch während des Dialogprozesses mit Abdullah Öcalan von Ankara als militärisches und politisches Vernichtungskonzept gegen die kurdische Gesellschaft hervorgebracht wurde, habe laut Kalkan gezeigt, dass das ideologische Fundament der kurdischen Bewegung tragfähig sei. Die Widerstandsformen, insbesondere die „Strategie des revolutionären Volkskrieges“, hätten den Angriffen standgehalten und neue politische Räume geschaffen.

Ein historisches Kapitel schließt sich – und öffnet ein neues

Kalkan beendete seine Rede mit einem eindringlichen Appell: „Die Beendigung der PKK in ihrer bisherigen Form ist kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern Ausdruck der Verantwortung gegenüber ihrer Geschichte.“ Die politische Substanz der Bewegung müsse nun in neuen Formen weitergeführt werden, unter anderem in demokratischen Strukturen, die stärker auf Teilhabe, ideologische Bildung und soziale Transformation setzen.

„Die Bewegung ist bereit, in neuer Form weiterzugehen – mit neuem Namen, aber alter Entschlossenheit.“ Mit diesem Kongress, so Kalkan, öffne sich der Raum für eine tiefere gesellschaftliche Demokratisierung, getragen von jenen, die jahrzehntelang an der Seite der PKK gekämpft haben und nun ihre Prinzipien in neue, offenere, flexiblere Organisationsweisen überführen wollen.