Die Angst der Türkei vor Wahlen in Syrien

Die geplanten Kommunalwahlen in Ost- und Nordsyrien haben heftige Reaktionen in der Türkei ausgelöst und werden von der Erdoğan-Regierung als Rechtfertigung für eine neue Invasion herangezogen.

Angedrohte Invasion

Erdoğan setzt seine Angriffe auf das kurdische Volk im Rahmen des 2014 beschlossenen Vernichtungsplans fort. Obwohl er die Kommunalwahlen vom 31. März verloren hat und die AKP nicht mehr die stärkste Partei in der Türkei ist, hat er seine Kriegspolitik gegen die Kurdinnen und Kurden nicht aufgegeben. Die Kosten dieses Krieges für die Menschen in der Türkei sind hoch, demokratische Errungenschaften sind verschwunden, das Rechtssystem wurde ausgehöhlt und die Gerichte sind unter die Kontrolle der Regierung geraten. Die türkischen Medien machen sich an den Verbrechen der Regierung mitschuldig, anstatt dem Volk die Wahrheit zu sagen.

Reaktion der Türkei auf Gemeindewahlen in Nordostsyrien

Die geplanten Kommunalwahlen in Ost- und Nordsyrien haben heftige Reaktionen in der Türkei ausgelöst und wurden zunächst vom MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli und dann vom Nationalen Sicherheitsrat angeprangert. Der türkische Staat behauptet, mit der in seiner Besatzungszone in Nordsyrien etablierten Verwaltung und der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) die territoriale Integrität Syriens zu verteidigen. Während er versucht, die besetzten Gebiete zu annektieren, macht er Propaganda mit der Aussage: „Die Kurden wollen einen Staat in Syrien gründen, wir sind dagegen.“ Diese demagogischen Äußerungen sind ein Ablenkungsmanöver.

Angst vor demokratischen Wahlen

Der Versuch in Ost- und Nordsyrien, mit Gemeindewahlen die lokale Selbstverwaltung zu stärken, wird von der Türkei auf internationaler Ebene als Rechtfertigung für einen Krieg propagiert. Dass die Menschen ihre Gemeinden mit gewählten Personen regieren wollen und sich demokratischer Mittel bedienen, beunruhigt die Türkei. Sie stuft diese Initiative als Terrorismus ein und greift sie an. Auch bei ihren Angriffen auf Ölquellen, Gasanlagen und Kraftwerke erfindet sie Rechtfertigungen für die USA und andere Mächte, indem sie behauptet, dass diese Anlagen der PKK gehören und ihre Einnahmen nach Qendîl fließen.

Kurdische Gemeinden in der Türkei okkupiert

In der Türkei selbst werden von der kurdischen Bevölkerung gewählte Kommunalpolitiker:innen verhaftet und die Rathäuser vom Staat besetzt. Als Rechtfertigung wird behauptet, dass sich die gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf die PKK-Führung in Qendîl stützen. Damit versucht der Staat, die illegale Usurpation zu zu verschleiern. Die Menschen in Colemêrg (tr. Hakkari) haben sich bei der Kommunalwahl für einen ihnen gut bekannten Politiker entschieden. Er wurde des Amtes enthoben und verhaftet. Erdoğan zögert nicht zu sagen, dass er auch andere Gemeinden in seine Gewalt bringen wird.

Haltung der türkischen Medien und der angeblichen syrischen Opposition

Die türkischen Medien haben die Wahlen in Ost- und Nordsyrien ins Visier genommen. Bekanntlich bereitet der türkische Staat einen weiteren Invasionsangriff auf Rojava vor und sucht den passenden Zeitpunkt dafür. Der Anlass soll jetzt die geplante Gemeindewahl sein.

Bemerkenswert ist auch die Haltung der vermeintlichen syrischen Oppositionellen, die zu Agenten und Handlangern der türkischen Besatzer geworden sind. Diejenigen, die behaupten, die syrische Übergangsregierung zu sein, haben den kurdenfeindlichen Jargon des türkischen Staats übernommen und sagen: „Die PKK will sich durch Kommunalwahlen legitimieren und Nord- und Ostsyrien besetzen, um einen terroristischen Staat zu errichten. Wir sind gegen Wahlen.“

Schlussfolgerung und Empfehlungen

Die Türkei behauptet, für die Einheit Syriens zu sein, und fordert Bashar al-Assad zu Verhandlungen auf, um gemeinsam die Kurdinnen und Kurden zu eliminieren. Gleichzeitig bildet sie eine Gegenregierung und organisiert die SNA gegen die syrische Armee. In den türkischen Medien wurde berichtet, dass in Efrîn eine Kadettenschule für die SNA eröffnet worden ist. Gegen wen greifen diejenigen, die sich als syrische Opposition bezeichnen, in den Armen der Türkei zu den Waffen? In den besetzten Gebieten werden sie wie der Minenesel des türkischen Staates vorgeführt. Wie können sie die Opposition in Syrien unter dem Kommando der Besatzer sein? Wie können sich diese Kräfte, die ihre politische Identität verloren haben und vollständig unter dem Kommando des türkischen Staates stehen, als syrische Opposition bezeichnen?

Die nordostsyrische Autonomieverwaltung hat zusammen mit dem Demokratischen Syrienrat (MSD) und den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) in Hesekê ein Forum mit den Weisen und Stammesältesten der Region abgehalten und ihren Standpunkt festgelegt. Der MIT organisierte jedoch sofort eine Gegenveranstaltung im besetzten Azaz und sprach sich gegen die Wahlen aus. Die Teilnehmer dieses Treffens leben nicht in den Regionen, in denen die Wahlen stattfinden sollen und haben dort keine Parteien oder Organisationen. Es gibt keinen Grund und keine Notwendigkeit für sie, sich gegen die Wahlen auszusprechen und Stellung zu beziehen. Es handelt sich um ein Treffen, das ausschließlich vom MIT organisiert wurde. Mit Hilfe dieser Gruppen sollen Konflikte und Instabilität geschaffen werden, indem Zwietracht unter den Menschen in der Region gesät wird.

Der türkische Staat versucht, die USA unter Druck zu setzen und sie gegen die Kurden in Stellung zu bringen, indem er propagiert, dass sie die PKK bewaffnen und unterstützen. Er verhindert eine politische Lösung des Konflikts in Syrien und benutzt Sektoren in den von ihm besetzten Gebieten, um Unruhe zu stiften und einen Bürgerkrieg zu organisieren.

Die Bevölkerung Syriens muss wachsamer gegenüber den gefährlichen und zerstörerischen Aktivitäten der Türkei sein und ihre Einheit stärken. Die Autonomieverwaltung und die demokratischen Kräfte müssen diplomatisch und politisch in die Offensive gehen. Die Türkei muss daran gehindert werden, sich in diesem Ausmaß in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen, und es müssen unablässige Anstrengungen unternommen werden, um die Besetzung des Landes zu beenden.

Foto: Universität Bologna, April 2024