„Zwangsverwaltung richtet sich zuallererst gegen Frauen”

Zum 33. Mal hat in Wan eine „Demokratie-Mahnwache“ stattgefunden. Die TJA-Aktivistin Rojbin Bor erklärte bei dem Protest gegen die Zwangsverwaltung in kurdischen Rathäusern, dass sich diese in erster Linie gegen die Errungenschaften von Frauen richtet.

Zur 33. „Mahnwache für Demokratie“ in der nordkurdischen Provinz Wan (Van) haben Aktivistinnen der Frauenbewegung Tevgera Jinên Azad (TJA) im Landkreis Rêya Armûşê (Ipekyolu) eine Demonstration gegen die Usurpation HDP-geführter Rathäuser in kurdischen Städten durchgeführt. Die Aktivistinnen versammelten sich auf der Milli Egemenlik Caddesi („Straße der Nationalen Herrschaft) und zogen hinter einem Fronttransparent mit der Aufschrift „Der Ko-Vorsitz ist unsere lila Linie“ und den Parolen „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) sowie „Die Zwangsverwaltung geht, das Volk kommt“ bis zum Sitz des HDP-Kreisverbands. Die Polizei versuchte, die Demonstration aufzuhalten und hinderte Journalist*innen daran, Aufnahmen zu machen. Trotz der Behinderungsversuche und Repression liefen die Frauen bis zum HDP-Gebäude. Dort angekommen fand fand anlässlich des 27. Jahrestages der Ermordung des kurdischen Schriftstellers und Journalisten Musa Anter eine Abschlusskundgebung statt. Mitglieder des Provinzverbands der HDP in Wan trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Wir gedenken Apê Musa mit Achtung“.

TJA-Aktivistin: Ihr werdet uns nicht aufhalten

In einer Ansprache sagte die TJA-Aktivistin Rojbin Bor, dass die Ernennung von Treuhändern anstelle der demokratisch gewählten Bürgermeister*innen gleichzusetzten sei mit Raub, Tyrannei und einem politischen Putsch. Für die Verhaftung der HDP-Provinzvorsitzenden Yadişen Karabulak sowie der HDP-Aktivistinnen Nesibe Akdağ und Dilan Yıldız am 10. September im Rahmen des politischen Vernichtungsfeldzugs gegen die kurdische Opposition gebe es keine rechtliche Grundlage, so Bor weiter. „Wir wissen, dass sich die Regierung fürchtet.” Zum Ermittlungsverfahren gegen Leyla Güven sagte die Frauenaktivistin: „Niemand hat das Recht, die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Gesellschaftskongresses und Abgeordnete der HDP zur Zielscheibe zu machen, nachdem sie ihr Leben für das Ende der Isolation und eines gesellschaftlichen Friedens eingesetzt hat.” Gegen Leyla Güven wurde vergangene Woche ein Ermittlungsverfahren wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ eingeleitet. Sie hatte sich in einer Rede zu den vor der HDP-Zentrale in Amed (Diyarbakir) protestierenden Müttern geäußert, die seit Wochen dort sitzen und nicht wollen, dass ihre erwachsenen Kinder bei der Guerilla kämpfen. Die Mütter sowie ihre Forderungen werden vom türkischen Staat massiv instrumentalisiert.

Erste Amtshandlungen: Angriffe auf Errungenschaften von Frauen

Rojbin Bor führte weiter aus, das unter der Zwangsverwaltung insbesondere die Errungenschaften von Frauen leiden. Als erste Amtshandlungen der Statthalter seien Fraueneinrichtungen, Zentren für Frauenpolitik und Beratung geschlossen worden, erklärte Bor. „Wir glauben aber daran, dass dieser Putsch die Zusammenarbeit von Frauen und den Frauenkampf nur verstärken wird und wir gemeinsam dem Ganzen eine kraftvolle Antwort geben werden. Wir stehen hinter unserem Wort; unsere Stimme wird nicht verstummen. Unsere Freundinnen und Einrichtungen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzten, rufen wir dazu auf, für das Prinzip der Doppelspitze ihre Stimme zu erheben und am Kampf für die Verteidigung der Errungenschaften von Frauen teilzunehmen.”

Gedenken an Musa Anter

Im Anschluss an diese Erklärung sprach der HDP-Abgeordnete Hasan Özgüneş eine Gedenkrede für Musa Anter. Der Politiker nannte den am 20. September 1992 in Amed von staatlichen Todesschwadronen ermordeten Musa Anter einen „Gefallenen der Demokratie und Freiheit”.