Anfang dieses Jahres hat sich in Göttingen eine Lesekreis-Initiative in Zusammenarbeit mit Woman Defend Rojava, Gemeinsam Kämpfen und einer Göttinger Nachbarschaftsvernetzung gegründet, mit dem Ziel, die Errungenschaften der kurdische Frauenrevolution in die breite Gesellschaft zu tragen. „Wir sehen den Widerstand der kurdischen Frauenbewegung als Kraftquelle für unser eigenes Leben und unsere Kämpfe. Wir wollen mit unterschiedlichen Frauen und Menschen weiterer unterdrückten Geschlechter aus Göttingen über diese Revolution sprechen und ihre konkreten praktischen und philosophischen Antworten auf gesellschaftliche Fragen diskutieren“, so die Sprecherin Genoveva der Lesekreis-Initiative. In dem wöchentlichen Lesekreis wird „Wir wissen was wir wollen – Frauenrevolution in Nord- und Ostsyrien“, der zweite Band von „Widerstand und gelebte Utopie“ gelesen. Um neue Interessierte für den Lesekreis zu gewinnen, veranstaltete die Initiative am Freitagnachmittag eine öffentliche Lesung in der Göttinger Innenstadt zu diesem Buch.
Wahlbeobachtung und Kriminalisierung von Kurd:innen
Vor der Lesung berichtete eine Wahlbeobachterin von ihren Erfahrungen, die sie im Mai während einer Delegationsreise in Amed (tr. Diyarbakir) zu den Wahlen in der Türkei gesammelt hat. „Die massive Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung war für mich während der Wahlperiode am eigenen Leib spürbar. Wir durften unsere Tänze nicht tanzen, unsere Lieder nicht singen und unsere kurdischen Farben nicht zeigen. Die Kriminalisierung der Kurd:innen macht auch vor deutschen Grenzen nicht halt. Erst gestern wurden Privatwohnungen von kurdischen Familien sowie das Gesellschaftszentrum in Heilbronn von der der Polizei durchsucht“, so die Wahlbeobachterin Zozan.
Die Prinzipien der Frauenbefreiungsideologie
Während der Lesung wurden die fünf Prinzipien der Frauenbefreiungsideologie vorgestellt: Welatparêzî (Liebe zum Land), Freies Denken und freier Wille, Organisierung, Kampf sowie Ethik und Ästhetik. Etwa ein Dutzend Zuhörer:innen diskutierte angeregt über diese Prinzipien und
ihre Bedeutung auch für die gesellschaftliche Realität und feministische Organisierung in Göttingen. Dabei kamen viele Fragen zu eigener Identität und der Rolle der Frauen und der Jugend in der Bewegung auf.
Parallel zur Lesung wurden auf einem Informationstisch Bücher und Broschüren über die kurdische Bewegung angeboten. Viele Passant:innen blieben interessiert stehen, lauschten der Lesung oder führten Gespräche mit den Organisator:innen der Veranstaltung.
„Wir lernen viel von der kurdischen Revolution“
„Durch unseren Lesekreis sowie durch diese öffentliche Lesung wollen wir auf die permanenten Angriffe auf diese Frauenrevolution aufmerksam machen. Sie wird angegriffen, da sie eine Gefahr für autokratische Regime ist, denn es sind kämpfende Frauen, die die kapitalistischen und patriarchalen Strukturen dieser Regime angreifen. Auch wir in Deutschland lernen viel aus der Frauenrevolution und ihren Prinzipien für unseren gemeinsamen Kampf“, erklärte die Aktivistin Zozan.
Am Ende der Veranstaltung wurden alle Interessierten zur Teilnahme am Lesekreis eingeladen. Dieser findet jeden Donnerstag von 19 bis 21 Uhr in der Berliner Straße 1, 37073 Göttingen statt.