Terrorverfahren gegen Bürgermeisterin wegen Doppelspitzenprinzip

Gegen Bedia Özgökçe Ertan, abgesetzte Oberbürgermeisterin der kurdischen Metropole Wan, ist ein Terrorverfahren eingeleitet worden. Der Politikerin wird das Prinzip der genderparitätischen Doppelspitze bei der HDP vorgeworfen.

Gegen die abgesetzte Ko-Oberbürgermeisterin der kurdischen Metropole Wan (türk. Van), Bedia Özgökçe Ertan, ist ein Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ eingeleitet worden. Der Politikerin wird das im Rathaus von Wan umsetzte Prinzip des genderparitätischen Ko-Vorsitzes zum Vorwurf gemacht. Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat strukturell auf allen Ebenen eine aus einer Frau und einem Mann bestehende Doppelspitze.

Bedia Özgökçe Ertan ging am 31. März 2019 mit 54 Prozent der Stimmen als deutliche Siegerin aus den Kommunalwahlen hervor. Im August vergangenen Jahres wurde sie auf Betreiben des türkischen Innenministeriums ihres Amtes enthoben. Ihre Entlassung begründete die Regierung damit, dass sie Kontakt zu Terrororganisationen habe. An ihrer Stelle sitzt ein ernannter Zwangsverwalter im Rathaus.

In ihrer Anklageschrift skizziert die Staatsanwaltschaft von Van die vermeintliche Mitgliedschaft Ertans bei der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit Statements und Interviews der Politikerin, in denen das Wort „Ko-Vorsitz“ fällt, ihren politischen Aktivitäten und Amtshandlungen als Bürgermeisterin, darunter Empfänge diplomatischer Delegationen aus dem Ausland und der Bereitstellung eines eigenen Büros für Mustafa Avcı, die männliche Hälfte an der Spitze im Rathaus, der offiziell als Stadtratsmitglied ins Amt gewählt worden sei. Ertan soll damit nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ihren Posten für die Unterstützung von PKK-Aktivitäten genutzt haben, denn ein Ko-Bürgermeister dürfe kein eigenes Büro haben. Aufgrund der Häufigkeit und Vielfältigkeit der Aktivitäten von Ertan seien die Straftaten als konstant zu bewerten. Es wäre ersichtlich, dass die Politikerin in die „Organisationshierarchie“ eingebunden sei, weil sie auf Weisung der Organisation vorgehe, denn mit dem Prinzip der Doppelspitze habe sie eine nicht verfassungsmäßige politische Struktur eingeführt, die vom Ganzen des Landes abweicht.

Wie bereits im vergangenen Jahr gegen Ertan eingeleitete Ermittlungen konzentriert sich dieses Verfahren ebenfalls auf personelle Änderungen in der Stadtverwaltung von Wan. Ein anderer bekannter Vorwurf lautet, dass die Bürgermeisterin Angestellte dazu gedrängt haben soll, die Gewerkschaft zu wechseln. 

Wann der Prozess gegen Ertan eröffnet wird, ist vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie noch unklar. Die Anklageschrift wurde vom 7. Schwurgerichtshof von Van angenommen.