„Solidarität jenseits aller Grenzen“
Die abgesetzten HDP-Bürgermeister*innen haben einen Brief an zahlreiche Amtskolleg*innen europäischer Metropolen verfasst, in dem sie zur Solidarität aufrufen.
Die abgesetzten HDP-Bürgermeister*innen haben einen Brief an zahlreiche Amtskolleg*innen europäischer Metropolen verfasst, in dem sie zur Solidarität aufrufen.
Mit einem Brief an die Bürgermeister*innen von europäischen Metropolen wie Barcelona, Paris, London, Stockholm, Oslo, Rom, Mailand und Venedig möchten die abgesetzten Ko-Bürgermeister*innen von Amed (Diyarbakir), Wan (Van) und Mêrdîn (Mardin) auf ihre Situation und die Bedeutung der Zwangsverwaltungen in Nordkurdistan aufmerksam machen. Im Folgenden geben wir den Brief der HDP-Politiker*innen Adnan Selçuk Mızraklı, Bedia Özgökçe Ertan und Ahmet Türk wieder:
„Bei den Kommunalwahlen vom 31. März 2019 hatten wir in unseren Provinzen deutliche Wahlsiege erzielt: In Mardin erlangten wir 56,24 Prozent, in Diyarbakir 63,93 Prozent und in Van 53,83 Prozent der Stimmen. Am 19. August 2019 wurden wir schließlich unseres Amtes enthoben und an unsere Stellen wurden von der Regierung ernannte Zwangsverwalter eingesetzt. Unsere Stadträte wurden mit einem willkürlichen Beschluss ihrer Aufgaben beraubt, was sowohl ein Verfassungsbruch in der Türkei darstellt, als auch der von der Türkei unterzeichneten Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zuwiderläuft. Wir betrachten diese Entscheidung als einen Putsch der Regierung. Es handelt sich um das jüngste Beispiel der Angriffe des Erdoğan-Regimes gegen eine pluralistische Demokratie und den demokratischen Willen der kurdischen Bevölkerung
Bereits nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 wurden die damaligen Ko-Vorsitzenden unserer Partei, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, sowie zahlreiche Abgeordnete und Bürgermeister*innen festgenommen und inhaftiert. In 95 von insgesamt 102 Kommunen, in denen unsere Partei die gewählten Bürgermeister*innen stellte, wurden auf rechtswidrige Weise Zwangsverwalter eingesetzt.
Zwischen den Jahren 2016 und 2018 wurden nicht nur demokratisch legitimierten kurdischen Bürgermeister*innen abgesetzt und die kommunale Demokratie außer Kraft gesetzt, sondern die eingesetzten Zwangsverwalter machten sich zugleich für Korruption und Vetternwirtschaft verantwortlich, wodurch sie die Infrastruktur der Kommunen nachhaltig beschädigten.
Die Opposition soll zum Schweigen gebracht werden
Das Innenministerium begründet unsere Absetzung mit vermeintlichen Verbindungen zum Terrorismus. Doch lokale wie internationale Menschenrechtsorganisationen wissen sehr genau, wie das Erdoğan-Regime unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“ Journalist*innen, Intellektuelle, Menschenrechtlicher*innen, Politiker*innen, eigentlich die gesamte Opposition zum Schweigen zu bringen versucht.
In Demokratien ist das aktive und passive Wahlrecht ein Grundrecht. Diejenigen, die von der Bevölkerung gewählt werden, können ebenso von der Bevölkerung abgewählt werden. Doch in diesen Tagen ist es die AKP, die gegen die Bevölkerung exzessive Gewalt einsetzt, weil sie auch das Recht auf Versammlungsfreiheit von Menschen missachtet, die gegen die Absetzung ihrer Repräsentant*innen protestieren.
Wenn jenseits aller Grenzen die Stimmen der Solidarität erklingen, gibt das uns hier große Kraft. Wenn Sie in ihren Städten unserer Stimme Gehör verschaffen würden oder sich sogar zu einem Besuch in den Städten, in denen wir gewählt wurden, entscheiden sollten, wäre das eine große Freude für uns. So schwierig die Bedingungen auch sein mögen, unser Kampf für Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden wird letztendlich siegen."