Die russische Armee hat eine neue einseitige Waffenruhe für die umkämpfte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens verkündet. Die syrischen Regierungstruppen würden am Samstagmorgen um 6 Uhr Ortszeit das Feuer einstellen, teilte das russische Zentrum für Versöhnung in Syrien am Freitag mit. Die Organisation der russischen Armee rief die Milizen in Idlib auf, sich der Waffenruhe anzuschließen.
Schon Anfang August hatte die syrische Armee eine Waffenruhe in Idlib erklärt, diese aber nach wenigen Tagen wieder aufgekündigt. Am 5. August begann die Offensive auf die strategisch wichtige Stadt Chan Scheichun, die am 20. August eingenommen wurde. Eine Militärkolonne, die vom türkischen Staat zur Verstärkung der Dschihadisten in die Region entsandt worden war, wurde durch syrische und russische Luftangriffe gestoppt. Der türkische Beobachtungsposten in Morek, der im Süden von Chan Scheichun liegt, befindet sich seitdem in einem wieder von Damaskus kontrollierten Gebiet.
Daraufhin hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein dringendes Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin eingefordert. Die beiden Staatschefs trafen sich letzten Dienstag in Moskau. Erdoğan versuchte Putin zu überreden, einen sofortigen erneuten Waffenstillstand gegenüber dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad durchzusetzen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärte Putin, die Sorgen seines türkischen Kollegen zwar zu verstehen, aber dass die Bekämpfung der „Terroristen“ in Idlib Vorrang habe. Im Rahmen des Gesprächs habe Russland jedoch nochmals versichert, die Anforderungen aus dem Zehn-Punkte-Abkommen mit der Türkei zu erfüllen. Das Abkommen zwischen Putin und Erdoğan wurde am 17. September 2018 in Sotschi getroffen und sieht eine befriedete Zone um Idlib, die Öffnung der Handelswege M4 und M5 sowie eine „Spaltung der bewaffneten Gruppen“ vor.
Bewaffnete Gruppen drohen Putin und Erdoğan
Die bewaffneten Gruppen in Idlib sehen in den jüngsten Gesprächen zwischen Moskau und Ankara „ein neues Spiel für ihre Liquidierung“. Seit Dienstag stehen die beiden Staatschefs unter massiver Kritik dschihadistischer Gruppierungen. In Beiträgen in den sozialen Medien heißt es: „Wer die Umma für eine Tüte Eis verraten hat, wird nicht vergessen werden.“
Proteste gegen „Verräter Türkei“ in Idlib
Unterdessen ist es heute in al-Bab und Idlib zu Protesten gegen die türkische Regierung gekommen. Nach dem Freitagsgebet stürmten Tausende Männer die Straßen und zogen unter der Parole „Verräter Türkei“ zum Grenzübergang al-Hawa. Türkische Soldaten schossen daraufhin Tränengas in die Menge und gaben Warnschüsse ab. Wie es heißt, soll es zu einer Vielzahl von Verletzten gekommen sein. Zeitgleich brachen auch auf der anderen Seite der Grenze Proteste aus. In Reyhanlı in der türkischen Provinz Hatay versuchten Demonstranten zum Grenzübergang zu marschieren, wurden jedoch daran gehindert.