Protest gegen drohende Abschiebung in die Türkei
Vor dem Oberlandesgericht Celle (OLG) haben sich heute rund 20 Menschen versammelt, um gegen die drohende Abschiebung des kurdischen Aktivisten Mehmet Çakas in die Türkei zu protestieren. Nachdem er vor gut zwei Jahren von ebendiesem Gericht wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde, ist der in Uelzen Inhaftierte nun akut von einer Abschiebung in die Türkei bedroht.
Den Auftakt der Protestaktion machte der lautstarke Ausruf „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, den die Teilnehmenden gemeinsam direkt vor dem Haupteingang des OLG Celle skandierten. Auf Deutsch und auf Kurdisch wurden Umstehende über eine Lautsprecheranlage über den Fall des Mehmet Çakas informiert. Vertreter:innen der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED), der ezidischen Community in Celle sowie ihrer internationalistischen Verbündeten forderten den sofortigen Stopp des Abschiebeprozesses gegen den kurdischen Aktivisten sowie ein faires Asylverfahren für ihn und alle politischen Gefangenen.
Täglicher Protest
Seit der Bekanntgabe durch die Generalstaatsanwaltschaft am 3. Juli, dass im Falle einer Abschiebung von der Vollstreckung der Reststrafe Mehmet Çakas’ abgesehen würde, finden täglich in unterschiedlichen Städten Deutschlands Proteste statt. In den heutigen Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass Mehmet Çakas die Abschiebung in einen Staat drohe, der verantwortlich für den Tod mehrerer seiner Familienmitglieder sei. Bereits in dem gegen ihn geführten Prozess wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft hatte der Inhaftierte in seiner Einlassung ausgeführt, dass er selbst sowie Familienmitglieder von ihm, in der Türkei Opfer staatlicher Gewalt, Tötungen und Folter geworden seien. Er bezog sich hierbei insbesondere auf die Dorfverbrennungen, die der türkische Staat vor allem in den 1990er Jahren zu Tausenden durchführte.
„Bruch mit rechtsstaatlichen und humanitären Prinzipien“
Angesichts dieser Geschichte, so wurde in den Redebeiträgen betont, sei es völlig unverständlich, warum die Bundesrepublik Deutschland nun beabsichtige den 45-Jährigen in diesen Staat abzuschieben. In der Türkei laufen zwei Strafverfahren gegen ihn. Es sei davon auszugehen, dass er dort in Haft unmenschlicher Behandlung sowie Folter ausgesetzt sein werde. In einer Abschiebung sieht KON-MED einen „menschenrechtlichen Skandal“ und einen „Bruch mit rechtsstaatlichen und humanitären Prinzipien“ der Bundesregierung. Die Konföderation fordert daher zivilgesellschaftliche Organisationen und Parlamentsabgeordnete dazu auf, in diesem Fall Druck auf die Politik auszuüben.
Kurdischer Aktivismus verantwortlich für Dialogprozess
Außerdem wurde mit Bezug zu dem sich aktuell in der Türkei entwickelnden Dialog- und Friedensprozess darauf hingewiesen, dass aktive kurdische Menschen – wie Mehmet Çakas – maßgeblich dafür verantwortlich seien, dass ein solcher Prozess nun möglich scheint. Ihr unermüdlicher Einsatz für Frieden, Freiheit und Demokratie sowie gegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit habe über die Zeit zu diesem Ergebnis beigetragen, erklärte ein ezidischer Aktivist heute.
Während der Kundgebung suchten Teilnehmende immer wieder das Gespräch zu interessierten Umstehenden und klärten diese über die akute Situation Mehmet Çakas’ auf. Einige der Angesprochenen reihten sich daraufhin in den Protest ein.
Mehrfach wurde darauf verwiesen, dass auch weiterhin geplant sei, in täglichen Aktionen auf die Situation und die Forderungen nach einem Abschiebestopp aufmerksam zu machen sowie Solidarität mit dem Betroffenen zum Ausdruck zu bringen. Die nächste angekündigte Kundgebung soll morgen, 9. Juli, um 12 Uhr vormittags vor der JVA Uelzen (Breidenbeck 15, 29505 Uelzen) stattfinden, wo Mehmet Çakas inhaftiert ist.
Wer ist Mehmet Çakas?
Mehmet Çakas wurde in Çewlîg (tr. Bingöl) geboren und ist Kurde mit türkischer Staatsangehörigkeit. Ihm droht derzeit akut die Abschiebung in die Türkei. Auf Ansinnen deutscher Behörden war er im März 2023 von Italien an Deutschland überstellt worden. Dort eröffnete das OLG Celle gegen ihn das Verfahren wegen Mitgliedschaft in der kürzlich aufgelösten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nach §§129a/b StGB und verurteilte ihn im April 2024 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Derzeit befindet er sich in der JVA Uelzen in Niedersachsen in Strafhaft, sein regulärer Entlassungstermin ist am 4. Oktober 2025.
Ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den gegen eine Abschiebung sprechenden Gründen wurde sein Asylantrag vom BAMF ebenso abgelehnt wie ein Antrag auf Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht Lüneburg . Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 3. Juli bekannt gegeben, im Falle einer Abschiebung auf die weitere Vollstreckung seiner Haftstrafe zu verzichten und damit die Einleitung der Formalitäten zur Abschiebung in die Türkei ermöglicht. Derzeit läuft ein Eilantrag an das Verfassungsgericht, um die diese zu verhindern. Eine Entscheidung wird in den kommenden Tagen erwartet.
Breite Solidarität gegen Abschiebung in die Türkei
In der Türkei sind zwei Strafverfahren gegen den kurdischen Aktivisten anhängig. Zahlreiche Institutionen und Persönlichkeiten wie die Hamburger Bundestagsabgeordnete Cansu Özdemir (DIE LINKE) setzen sich für Mehmet Çakas ein und warnen vor einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Falle einer Abschiebung.
Auch die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe hat die sofortige Aussetzung der drohenden Abschiebung gefordert. Die geplante Maßnahme stelle einen „gefährlichen Präzedenzfall“ dar und gefährde grundlegende Rechte politisch aktiver Kurd:innen in Deutschland, erklärte die Organisation am Sonntag.
Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) warnt ebenfalls eindringlich vor der geplanten Abschiebung und wirft den deutschen Behörden vor, gegen das völkerrechtlich verbindliche Folterverbot zu verstoßen. „Deutschland will einen Präzedenzfall schaffen und Kurd:innen, die hier wegen politischer Straftaten verurteilt wurden, in die Türkei abschieben“, erklärte RAV-Geschäftsführer Dr. Lukas Theune. „Das verletzt nicht nur das Folterverbot, sondern auch grundlegende internationale Schutzstandards.“
Formalitäten zur Abschiebung bereits eingeleitet
Nach Angaben von Theune werden die Abschiebungsdokumente für Çakas derzeit von der türkischen Botschaft ausgestellt – oder sie sind es bereits. „Die Reibungslosigkeit, mit der die Abschiebung vorbereitet wird, zeigt den Versuch, schnellstmöglich vollendete Tatsachen zu schaffen und einen Präzedenzfall für die Abschiebung eines wegen Mitgliedschaft in der PKK Verurteilten zu schaffen“, kritisierte der Jurist. Die Missachtung der Menschenrechte „zugunsten der Kooperation mit dem Erdoğan-Regime“ müsse ein Ende haben. „Es dürfen keine und schon gar nicht politisch aktiven Kurd:innen in die Türkei abgeschoben werden“, forderte RAV-Geschäftsführer Theune.