Protest für Erhalt der Istanbul-Konvention

In mehreren europäischen Städten haben am Mittwoch Proteste des Bündnisses Frauensolidarität Europa (AKD) stattgefunden. Schwerpunkt des gestrigen Aktionstages war der Erhalt der Istanbul-Konvention in der Türkei.

Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats aus dem Jahr 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Alle Staaten haben sich durch ihre Unterschrift dazu verpflichtet, Frauen vor männlicher Gewalt zu schützen und rechtlich mit den Männern gleichzustellen. 45 Staaten haben die Konvention unterzeichnet, 34 haben sie ratifiziert, also zu geltendem Recht gemacht, auf das sich Frauen vor Gericht berufen können. Bulgarien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben das Abkommen nicht ratifiziert. Nicht einmal unterzeichnet haben es Russland und Aserbaidschan. Erdoğans Partei, die AKP, will jetzt von der Istanbul-Konvention abrücken, einem Gesetz, das Frauen vor Gewalt schützen soll.

Frauenprotest in Hamburg

Eine Sprecherin der TJK-E hob auf einer Kundgebung in Hamburg hervor: „In Deutschland ist die Vereinbarung seit 2018 rechtlich verbindlich. Die deutsche Bundesregierung wird für ihre schwache Umsetzung der Istanbul-Konvention sogar von den Vereinten Nationen gerügt. Frauenhäuser und Beratungsstellen sind permanent überlastet – finanziell wie personell. Teilweise müssen Gewaltopfer hunderte Kilometer fahren, um Schutz zu bekommen. 14.600 Schutzplätze fehlen. Die Bundesregierung ist verpflichtet, Gewalt zu bekämpfen und zu bestrafen. Trotzdem ist Femizid in Deutschland kein eigener Straftatbestand, im Gegensatz etwa zu Mexiko, Brasilien und Argentinien.“

Eine Vertreterin der Frauenorganisation Zora hat in ihrer Rede auf der Kundgebung an den langen Kampf für Frauenrechte erinnert, der heutzutage auch ausdrücklich den LGBTQI-Geschlechterkampf mitführt: „2016 haben wir eine Kampagne unter dem Motto ,Wenn Frauen Nein sagen, heißt das auch Nein' geführt und alle Arbeiterinnen, Werktätigen und jungen Frauen dazu aufgerufen, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Jetzt im Jahr 2020 müssen wir Frauen, Inter-, Nichtbinäre und Transmenschen uns unbedingt bewusst sein, dass wir einen kompromisslosen Kampf für die Istanbuler Konvention und das ,Nein heißt Nein'-Gesetz führen müssen."

Eine Aktivistin von Women Defend Rojava machte deutlich, dass eine antikapitalistische und antimilitaristische Haltung im Kampf gegen patriarchale Gewalt notwendig ist: „Femizide finden auch durch den Export deutscher Waffen unter anderem in die Türkei statt. Kriege und Armut sind die größten Risiken für Frauen und Kinder.“

Protest gegen Gewalt an Frauen in Hannover

Auf einer wöchentlich stattfindenden Kundgebung in Hannover zeigten sich am Mittwoch Aktivist*innen solidarisch mit den Frauen in Nordkurdistan, die immer wieder Gewalt, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigung durch die Polizei und paramilitärische „Dorfschützer“ ausgesetzt sind. Auch im von der türkischen Armee besetzten Efrîn gehören Vergewaltigungen und Entführungen durch vom türkischen Staat gestützte dschihadistische Milizen zum Alltag. Zudem werden laut Menschenrechtsorganisationen in der Türkei jährlich hunderte Frauen von ihren Partnern oder Angehörigen ermordet. Gleichzeitig fordern Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP einen Ausstieg aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen.

In den Redebeiträgen auf der Kundgebung wurde betont, dass die Gewalt gegen Frauen in der Türkei auf ein bisher nicht dagewesenes Maß angewachsen ist.