Frauen in Mêrdîn sagen Patriarchat den Kampf an

In Mêrdîn ist der Startschuss für die TJA-Kampagne „Wir verteidigen uns selbst“ gefallen. „Wir werden keine Gelegenheit auslassen, die patriarchalische Mentalität, für die Gewalt gegen Frauen völlig normal ist, zu bekämpfen“, erklären die Aktivistinnen.

In der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (türk. Mardin) ist am Sonntag der Startschuss für die Kampagne „Em xwe diparêzin“ (Wir verteidigen uns selbst) gefallen. Die viermonatige Aktion ist von der Bewegung Freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA) initiiert worden und richtet sich gegen sexuelle Übergriffe, Gewalt und jede Form der Unterdrückungspolitik an Frauen. Landesweit werden sich alle Ortsverbände der TJA beteiligen.

„Wir werden keine Gelegenheit auslassen, die patriarchalische Mentalität, für die Gewalt gegen Frauen völlig normal ist, zu bekämpfen“, sagte die TJA-Aktivistin Eylem Amak am Sonntag bei der Bekanntgabe der Teilnahme an der Kampagne vor dem Sitz der HDP-Mêrdîn. An der Kundgebung nahmen auch die HDP-Abgeordneten Ebru Günay und Pero Dündar teil. Weitere Teilnehmerinnen trugen Schilder, die unter anderem mit den Parolen „Jin, Jîyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit), „Frauenmorde sind politische Morde“ und „Vergewaltigung ist ein Verbrechen“ beschriftet waren.

In einer Rede wies Eylem Amak auf den Anstieg der patriarchalischen Gewalt in Mêrdîn und allen anderen Regionen des Landes hin. „Trotz der Angriffe ziehen wir uns nicht von unseren Kampfgebieten zurück, sondern halten an der Verteidigung unserer Rechte fest.“ Die Zahl der Morde an Frauen in Nordkurdistan und der Türkei ist nach Angaben der Frauenorganisation „Wir stoppen Frauenmorde“ seit 2015 um 63 Prozent gestiegen. Allein im August wurden 27 Frauen von Männern ermordet, 23 weitere Frauen wurden auf verdächtige Weise tot aufgefunden. Weil das Gesetz 6284 und die Istanbul-Konvention nicht effektiv umgesetzt werden, nehmen nicht nur Femizide landesweit an Häufigkeit zu, sondern auch die Brutalität, da patriarchalische Vorstellungen von weiblicher Unterordnung emanzipatorische Ansichten verdrängen.

Eylem Amak gab daher zu verstehen, dass die TJA-Kampagne auch die Verteidigung der Istanbuler Konvention umfasst. Aber nicht nur das: „Wir verpflichten uns gleichermaßen, auch gegen das Gesetzesvorhaben der Regierung, wonach Vergewaltiger, die ihre minderjährigen Opfer heiraten, straffrei bleiben sollen, zu bekämpfen. Es reicht! Wir treten diesen Weg an, um Widerstand gegen die militaristische, rassistische und sexistische Mentalität des AKP/MHP-Regimes und dessen Kollaborateuren zu leisten und unsere auf Frauenbefreiung basierende Ideologie zu verteidigen. Wir werden uns der Unterdrückung nicht beugen, sondern für ein freies und gleichberechtigtes Leben rebellieren.“ Auch die TJA-Ortsgruppen in Colemêrg (Hakkari), Êlih (Batman), Istanbul und Izmir haben inzwischen ihre Aktionen im Rahmen der Kampagne eingeleitet.

TJA-Kampagne Em xwe diparêzin“

Die Kampagne „Em xwe diparêzin“ umfasst den Kampf gegen staatliche und männliche sexualisierte, physische, seelische, digitale und wirtschaftliche Gewalt. Die kurdische Frauenbewegung fordert die Bestrafung der Täter. Ein weiterer Aspekt ist die staatliche „Spezialkriegspolitik“, mit der Frauen über sexualisierte Gewalt und Folter zu Sklavinnen gemacht und junge Menschen über Drogen und gezielte Spitzelanwerbung aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld gerissen werden. Die TJA will gemeinsam mit den von Lynchangriffen betroffenen Glaubensgemeinschaften und Volksgruppen für deren Verteidigung kämpfen und sich gegen religiös-fanatische und pornographische „Hate-Speech“ engagieren. Die Isolation auf Imrali soll bekämpft und die kurdische Muttersprache gefördert werden. Die TJA setzt auf eine Einheit des kurdischen Volkes und die Förderung einer kollektiven Ökonomie. Weitere Schwerpunkte sollen die Verteidigung der Natur Kurdistans und der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen sein.