Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, versammelten sich an vielen Orten Frauen und Menschen weiterer unterdrückter Geschlechter, um ihren Widerstand gegen die Gewalt des Patriarchats und den Willen, für ihr Leben zu kämpfen, auf die Straße zu tragen. Der 25. November ist mehr als ein Gedenktag. Er ist ein Aufruf zum Handeln, zur Solidarität und zur radikalen Veränderung!
Gewalt gegen Frauen und trans*, inter und nicht-binäre Personen ist kein individuelles Problem, sondern Ausdruck eines Systems, das auf Unterdrückung und Machtungleichheit basiert: des Patriarchats. Dieses System ist tief mit kapitalistischen und kolonialen Strukturen verflochten, die Körper, Natur und Identitäten kontrollieren, ausbeuten und herabwürdigen, um seine eigene Existenz zu sichern.
In Deutschland wurde 2023 fast jeden Tag eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist - ein Feminizid. 938 Frauen wurden zu ermorden versucht und 360 Frauen wurden tatsächlich getötet. Die politisch motivierten frauenfeindlichen Straftaten stiegen um über 56 Prozent. Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen stieg um 25 Prozent.
Patriarchale Gewalt nimmt weltweit zu. Feminizide und Vergewaltigung werden gezielt als Kriegswaffe von einem gewaltvollen System eingesetzt, das Frauen jeden Tag angreift, zerstört und zu vernichten versucht. Es ist das System des weißen Mannes, das auf struktureller Macht und Gewalt basiert. Diese Gewalt manifestiert sich in ungleichen Löhnen, unsicheren Arbeitsverhältnissen, der Abwertung von Sorgearbeit und der Einschränkung von sexueller und reproduktiver Autonomie. Sie zeigt sich in kolonial geprägter Objektifizierung von Körpern, in geburtshilflicher Gewalt, im Ausschluss von trans und nicht-binären Menschen aus gesellschaftlicher Anerkennung und im Mangel an Schutz für Frauen auf der Flucht, in der zunehmenden Militarisierung und den toxischen Männlichkeitsbildern einer faschistischen Ideologie, die aktuell am Erstarken ist. Patriarchale Gewalt funktioniert, indem sie Körper, aber auch die Natur besitzt, kontrolliert und konsumiert – zugunsten einer Hierarchie, die weiße, cis-männliche, heterosexuelle Macht privilegiert.
Doch klar ist: Wir wehren uns! Wir wollen uns lebend in einer Welt ohne Gewalt und wir werden dafür kämpfen. Doch Kämpfen können wir nur gemeinsam. Deswegen rief die Organisierung Gemeinsam Kämpfen - für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie gemeinsam mit verschiedenen feministischen Initiativen dazu auf, an vielen Orten Widerstand zu organisieren, auf die Straße zu gehen und sichtbar zu zeigen, wie viele wir sind und dass wir uns wehren werden.
Geschichte des Tags gegen Gewalt an Frauen
Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen geht zurück auf das Jahr 1960: In der Dominikanischen Republik organisierten sich Menschen gegen den Diktator Trujillo. So auch die drei Schwestern Patria, Minerva und María Teresa Mirabal, die auch unter ihrem Decknamen „Las Mariposas“ („Die Schmetterlinge“) bekannt sind. Nach monatelanger Verfolgung, mehreren Gefängnisstrafen und Folterung wurden die drei Schwestern am 25. November 1960 im Auftrag des Diktators Trujillo vom dominikanischen Geheimdienst ermordet. Bevor sie ermordet wurde, sagte Minerva: „Si me matan, sacaré los brazos de la tumba y seré más fuerte.“ („Wenn sie mich töten, werde ich meine Arme aus dem Grab herausstrecken und stärker sein als je zuvor.“) Und so war es auch: Am 25. November 1981 wurde bei einem Treffen lateinamerikanischer und karibischer Feminist:innen der 25. November als Tag gegen Gewalt an Frauen ausgerufen. Der Tag bezieht sich also auf einen politischen Feminizid. Der Kampf der Schwestern für eine demokratische und freie Gesellschaft wird heute von Feminist:innen weltweit fortgeführt.
Es ist sichtbar und spürbar, dass Frauen und Queers sich überall auf der Welt zur Wehr gesetzt haben und das auch weiter tun werden. Es ist sichtbar und spürbar, dass wir mehr werden, stärker werden, dass wir uns organisieren! Es gründen sich neue Netzwerke gegen Feminizde und patriarchale Gewalt und es ist klar, dass wir an diesem Tag und auch in Zukunft mit Frauen und Queers weltweit auf die Straße gehen und unsere Stimme erheben.
Es versammelten sich tausende Frauen, Mütter, Mädchen, trans*, inter und nichtbinäre Menschen auf der Straße, um gemeinsam wütend zu sein, gemeinsam zu trauern um die, die durch patriarchale Gewalt ermordet wurden, ihrer zu gedenken und dafür zu kämpfen, dass sie nicht vergessen werden. Um zusammen zu kommen, sich zu vernetzen und zu kämpfen für eine Welt ohne patriarchale Gewalt und Unterdrückung! Gemeinsam verteidigen wir das Leben - Jin Jiyan Azadî!
Berlin
In Berlin haben wir gemeinsam mit Cênî, KJAR, YXK und der autonomen Jugend zur Demonstration „Euer Krieg kostet unser Blut" aufgerufen. Das Netzwerk gegen Feminizide hat in Anlehnung an die Praxis des Colectiva Hilos aus Mexico rote Netze gewebt, die an Feminizide und das Verschwindenlassen von Menschen erinnern. Wir haben in unserer gemeinsamen Rede die Kontinuität vom Patriarchat in Familie und Staat angeprangert. Kriege sind der Gipfel patriarchaler Gewalt!
Jena
In Jena hatte das neu gegründete Netzwerk gegen Feminizide und patriarchale Gewalt Thüringen zu einer Demonstration am 23. November in Erfurt aufgerufen. Gemeinsam Kämpfen hat mit anderen feministischen Strukturen, Frauenzentren und Frauenhäusern Thüringens die Gründung des Netzwerkes initiiert. Zu der Demo kamen 300 Menschen zusammen, um laut für das Leben und gegen patriarchale Gewalt zu demonstrieren. Es war eine kämpferische Stimmung und „Jin Jiyan Azadî“ hallte durch die Straßen. Dass eine Gesellschaft nur frei sein kann, wenn die Frauen frei sind, wurde immer wieder deutlich gemacht. Klar wurde auch, dass wir gemeinsam gegen den Faschismus kämpfen müssen, wenn wir gegen patriarchale Gewalt kämpfen, da sie Kern einer faschistischen Ideologie ist, die auf der Unterdrückung durch den weißen Mann basiert.
Am 25. November rief das Netzwerk zu einer Kundgebung in Jena auf. Es versammelten sich 400 Menschen, um gemeinsam zu trauern, zu gedenken, wütend zu sein, sich zu wehren. Von einem feministischen Chor wurde das Lied Canción sin miedo gesungen. Es wurde gemeinsam erinnert und am Ende haben noch viele Frauen durch das offene Mikrofon von ihren Erfahrungen erzählt und dazu aufgerufen, dass wir uns verteidigen müssen. Zum Abschluss gab es gemeinsames Essen. Viele Menschen teilten ein großes Gefühl der Bewegung und Bestärkung, die diese Kundgebung in ihnen ausgelöst haben.
Leipzig
In Leipzig wurde am Sonntag, den 24. November, im Stadtteilpark Rabet ein Gedenk- und Widerstandsbaum gegen Feminizide eingeweiht. Eine Installation mit roten Kleidungsstücken für jede in diesem Jahr ermordete Frau weckte das Interesse vieler Passant:innen. Mit ca. 150 Personen wurde ermordeter Frauen auf der ganzen Welt gedacht und gemeinsam gesungen. Es wurden Hilos-Netze geknüpft und der Baum geschmückt. Den Abschluss der kraftgebenden Veranstaltung bildete eine beeindruckende Performance der Jungen Frauenkommune. „Die Baumeinweihung hat die Widerstandskraft von Frauen in Kurdistan, in Belutschistan, in Palästina, in Mexiko und an vielen anderen Orten nach Leipzig gebracht und uns Kraft gegeben, am 25. November lautstark und wütend auf die Straße zu gehen", berichtete eine Aktivistin von Gemeinsam Kämpfen. „Unsere Trauer wird zur Wut, gemeinsam Kämpfen macht uns Mut!" tönte es bei einer kämpferischen Demonstration durch die Leipziger Innenstadt.
Hamburg
In Hamburg hatte das Netzwerk gegen Feminizide zu einer Kundgebung auf dem Alma-Wartenberg-Platz aufgerufen, dem Hamburger Widerstandsplatz gegen Feminizide, um ermordeter Frauen zu gedenken. Im Anschluss fand eine Bündnisdemonstration gegen patriarchale Gewalt statt. Hunderte Teilnehmende zogen laut und wütend von Altona nach St. Pauli.
Köln
In Köln nahmen am Montagabend tausende Menschen an der Demonstration unter dem Motto „Wir nehmen uns die Nacht" teil. Aufgerufen hatte das Bündnis autonomer Frauenprojekte gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. In zahlreichen kreativen Aktionen wurde die liebevolle und sorgfältige Vorbereitung deutlich. So gab es einen Demochor, eine Tanzperformance, Banner- und Pyroaktionen, Wunderkerzen für jede 2024 in Deutschland ermordete Frau, einen „leeren Block" für alle Ermordeten, die bei der Demo fehlten, und zahlreich künstlerische Plakate und Banner. Am 2. Dezember findet im Rahmen des Programms zum 25. November ein Gedenken für Fatiha und alle ermordeten Frauen statt, zu dem auch GK einlädt.
Bremen
In Bremen fand ein Aktionstag gegen patriarchale Gewalt statt. Es gab verschiedene Informationsstände und dabei auch einen gemeinsamen Stand von dem Frauenrat Sêvê Gemeinsam Kämpfen, Defend Kurdistan und dem Frauenrat Zeynep. Es wurden auch gemeinsame Workshops durchgeführt, bei denen Texte von Sakine Cansiz sowie von Hediye Abdullah aus dem Buch „Wir wissen was wir wollen" vorgelesen wurden. Außerdem wurde gemeinsam gewebt und an das Projekt Colektiva Hiloa aus Mexiko angeknüpft.
Göttingen
Am Montagmorgen fand vor dem Amtsgericht in Göttingen eine Mahnwache statt anlässlich des 25. Novembers und des zeitgleich stattfindenden Prozesses wegen des Feminizids an Walaa. Am Nachmittag wurde gemeinsam mit Nachbar:innen im Stadtteil Grone, in dem Walaa mit ihren Kindern lebte, gewebt und sich gegenseitig Geschichten erzählt und sich ausgetauscht. Am Abend gab es eine Demonstration, auf der das Netzwerk gegen Feminizide eine Rede hielt und das gewebte Tuch trug.
Celle
In Celle kamen am 25. November über hundert Menschen zusammen, um gemeinsam gegen patriarchale Gewalt zu protestieren. Die Versammlung, zu der 15 Celler Organisationen gemeinsam aufgerufen hatten, stand unter dem Titel „Wir wollen uns lebend - Die Scham muss die Seite wechseln - Taten und Täter benennen". Die unterschiedlichen Redebeiträge spannten einen Bogen vom Kampf Giséle Pelicots über sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe, den seit 2014 andauernden Genozid-Feminzid an den Ezid:innen, das dringend benötigte Gewalthilfegesetz bis hin zu alltäglichen Situationen, in denen Übergriffe geschehen. Kulturell bereichert wurde die Versammlung von deutschem sowie spanischem Gesang und kurdischem Tanz.
Tübingen
In Tübingen sind wir am Sonntag mit 50 Leuten zu einem „Ni Una Menos“-Stadtspaziergang zusammengekommen. Wir haben uns vor allem gemeinsam gefragt, wie wir aus dem Schmerz, den alle Formen patriarchaler Gewalt in uns auslösen, Kraft und Widerstand machen können. Wir haben Texte gelesen, uns mit feministischen Bewegungen weltweit beschäftigt, haben widerständige Momente geteilt und dabei vor allem gespürt, dass wir nicht alleine sind. Am 25. November haben wir Tübinger:innen eingeladen, an verschiedenen Orten der Stadt vor allem all jener zu gedenken, die in Deutschland durch Feminizide ermordet wurden. Geendet ist die Veranstaltung am Antifeminizidbaum an der Neckarinsel. Im Anschluss wurde spontan auf der Neckarbrücke kraftvoll gegen jede Form patriarchaler Gewalt protestiert.
Hannover
Am Samstag und Sonntag wurde eine Mahnwache in Hannover abgehalten. Dabei wurde eine Ausstellung zu Feminiziden gezeigt, die im Rahmen der Vorbereitungen für den 25. November entstanden ist. Es wurde anknüpfend an der Praxis des Colektiva Hilo in Mexiko mit rotem Faden gewebt, Performances wurden eingeübt und Transpis in Vorbereitung auf die Demonstration am 25. November gemalt. Am Montag gingen 1200 Menschen auf die Straße. Dabei wurde vor allem ein Fokus auf den internationalen Kampf gegen patriarchale Gewalt in Palästina, Sudan und Kurdistan gelegt. Auch die gewaltvollen Strukturen innerhalb der medizinischen Versorgung von Frauen wurden thematisiert.