Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
In Celle haben sich zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen dutzende Menschen versammelt, um gegen patriarchale Gewalt zu protestieren. Die Ortsgruppe der feministischen Organisierung „Gemeinsam kämpfen!“, das Autonome Frauenhaus Celle und die Lokalgruppe von Omas gegen rechts hatten die diesjährige Lichter-Demo organisiert. Insgesamt riefen 15 Celler Organisationen gemeinsam zur Teilnahme auf.
„Wir wollen uns lebend“
Der Protest startete am Thaerplatz - von den Frauenrechtler:innen seit mehreren Jahren als Gertrud-Schröter-Platz bezeichnet. Insgesamt kamen rund 115 Menschen zusammen, um am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ihrer Wut und ihrem Widerstandswillen Ausdruck zu verleihen. Die Versammlung stand unter dem Titel „Wir wollen uns lebend – Die Scham muss die Seite wechseln – Taten und Täter benennen“. Hiermit bezogen sich die Organisator:innen auf den mutigen Kampf von Giséle Pelicot, welche in Frankreich momentan einen Prozess gegen ihren Ex-Mann führt. Dieser hatte sie über Jahre hinweg hunderte Male betäubt, vergewaltigt und anderen Männern zur Vergewaltigung „angeboten“. Giséle Pelicot bestand auf einen öffentlichen Prozess gegen die über 50 angeklagten Täter. Sie betonte: „Die Scham muss die Seite wechseln!“, sie habe Nichts, für das sie sich zu schämen brauche. Mit ihrem offenen Umgang zwingt sie die Gesellschaft hinzusehen und die eigene Vergewaltigungskultur zu überdenken.
Unterschiedliche Redebeiträge spannten während der Versammlung einen Bogen über die Bandbreite geschlechtsspezifischer Gewalt: Noa Fredes stellte im Namen von „Gemeinsam kämpfen!“ sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe in den Fokus und eröffnete damit eine internationale Perspektive. Der Schwerpunkt müsse auf dem Erreichen eines freien und friedlichen Lebens für alle Menschen liegen, anstatt die Kriegsmaschinerie zu stärken und die Militarisierung Deutschlands voranzutreiben, wie es die aktuelle Politik tue.
14.000 fehlende Frauenhausplätze in Deutschland
Im Anschluss thematisierten Mitarbeiterinnen des Autonomen Frauenhauses den dringend notwendigen Beschluss des Gewalthilfegesetzes. Eine einheitliche und ausreichende Finanzierung mit Bundesbeteiligung müsse angesichts der 14.000 in Deutschland fehlenden Frauenhausplätze sofort auf den Weg gebracht werden. Außerdem müsse der Rechtsanspruch auf einen bezahlten Frauenhausplatz für alle Betroffenen gesichert werden. Die scheidende Bundesregierung hat es nicht geschafft, das geplante Gesetz zu beschließen. Die nunmehr erforderliche Zustimmung der von Merz geführten Opposition sei nach eigener Aussage nicht zu erwarten.
Manuela Mast schloss sich in ihrem Redebeitrag der Kritik an Politikern an. Kanzlerkandidat Merz stimmte in den 90ern gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe, Buschmann blockierte auf europäischer Ebene die „Nur ja heißt ja“-Richtlinie gegen Gewalt an Frauen, Lindner hatte vor, Ehefrauen finanziell noch weiter zu benachteiligen und ein CDU-Mitglied stellte kürzlich auf X das Frauenwahlrecht in Frage. Es müsse endlich verstanden werden, dass Frauenrechte und die Rechte weiterer unterdrückter Geschlechter Menschenrechte sind, schloss Manuela Mast.
Schweigeminute für ermordete Frauen
Nach den ersten Beiträgen setzte sich die Lichter-Demo entlang der Mühlenstraße in Bewegung. Sie umrundete die Innenstadt und endete vor dem Alten Rathaus, an dem bereits seit Mitte vergangener Woche eine Fahne gegen Gewalt an Frauen weht. Dort gedachten die Teilnehmenden zunächst in einer Schweigeminute aller ermordeten und von Gewalt betroffenen Frauen.
Die folgende Abschlusskundgebung wurde zuerst mit einer Version des bekannten Frauenkampfliedes „Brot und Rosen“ eingeleitet. Danach sang der Chor ein spanisches Lied gegen Feminizide.
Die Lichter-Demonstration wurde organisiert von „Gemeinsam kämpfen!“, Autonomes Frauenhaus Celle, Omas gegen rechts – die Kooperationspartnerinnen sind SMJÊ, Women Defend Rojava, Frauen-Diverspersonen-Kinder-Treff der Solidarischen Initiative Neuenhäusen, GEW/KV Celle, Frauenräume in Celle eV, MehrGenerationenHaus Celle, Gruppe LiST (Land in Sicht Transition), Senioren- und Pflegestützpunkt Celle, Buntes Haus, Zukunftspflegenetz Celle, DGB/KV Celle, Arbeitskreis Celle
Jeder Femizid ist ein Mord
Nina Aßmus von der GEW/DGB Celle skizzierte in ihrer Rede alltägliche Übergriffs-Situationen, wie sie wahrscheinlich fast alle Frauen schon einmal erlebt haben. Sie unterstrich zum Ende, dass jeder Femizid ein Mord sei und es wichtig sei, ihn auch genauso zu bezeichnen und zu verurteilen.
Sabriye Savgat vom Dachverband der Ezidischen Frauenräte in Deutschland (SMJÊ) erinnerte im Anschluss in ihrer Ansprache an den Genozid und Feminizid an den Ezid:innen seit 2014. Sie wies insbesondere darauf hin, nicht zu vergessen, dass der Verbleib von knapp 2000 Frauen und Mädchen nach wie vor unbekannt ist. Nach diesen sehr emotionalen und bewegenden Beiträgen gab es wiederum ein kraftvolles Miteinander: Zum Abschluss lud Sabriye Savgat alle Teilnehmenden zu einem gemeinsamen, kurdischen Tanz ein.