Genf: „Wo auf der Welt werden Kinder beim Volleyball bombardiert?“

Vor dem UN-Sitz in Genf haben Frauen dagegen protestiert, dass die Türkei ein von den UN gefördertes Bildungszentrum für Mädchen in Nordsyrien bombardiert hat. Weder die UNO noch eine andere internationale Institution haben die Türkei dafür verurteilt.

Vor dem Sitz der Vereinten Nationen in Genf findet seit Anfang 2021 eine Mahnwache der Demokratischen Kurdischen Gemeinde (CDK) in der Schweiz statt. Jeden Mittwoch ziehen Aktivist:innen vor das Gebäude der Vereinten Nationen, um die Freilassung des PKK-Gründers und kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan zu fordern. In dieser Woche wurde die Protestaktion vom Kurdischen Frauenverband Schweiz (YJK-S) gestaltet. Zentrales Thema waren die Angriffe der Türkei insbesondere auf Frauen und Kinder in Kurdistan. Die Aktivistinnen wiesen darauf hin, dass in Nordsyrien in diesem Monat bereits acht Minderjährige bei türkischen Drohnenangriffen ums Leben gekommen sind. 25 Kinder und Jugendlichen wurden verletzt. Der kurdische Frauenverband rief die UN zum dringenden Handeln auf.

Die Kundgebung wurde mit einer Gedenkminute für die Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes eingeleitet. Anschließend erklärte die Genfer CDK-Vorsitzende Mülkiye Aşırbaev in einer auf Kurdisch gehaltenen Rede, dass bei der Protestaktion vor dem UN-Gebäude jede Woche neue Massaker des türkischen Staates in Kurdistan angeprangert werden: „Heute sind wir als kurdische Frauen gekommen, für unsere Kinder, unser Land und unsere Freiheit. Erneut sind vier unserer Kinder, vier junge Frauen, ermordet worden. Wo auf der Welt werden Kinder beim Volleyballspielen bombardiert? Wir haben vorher überlegt, ob wir als Zeichen unserer Trauer in schwarzer Kleidung kommen sollen. Wir haben uns dagegen entschieden. Wir werden nicht tun, was der Feind von uns erwartet, wir kommen mit Rosen. Die Besatzer werden unser Land verlassen, wir werden siegen.“ Die Rede endete mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadî!“ (Frauen, Leben, Freiheit).

Zu jung für Selbstverteidigung: Mädchen beim Volleyballspiel getötet

Die Türkei hat am vergangenen Donnerstag ein mit UN-Mitteln aufgebautes Bildungszentrum für Mädchen in Nordsyrien mit einer Kampfdrohne angegriffen. Die Einrichtung war im Rahmen des 2019 zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und UNICEF geschlossenen „Abkommens zur Beendigung der Rekrutierung von Kindersoldaten und der Prävention der Ausbeutung von Kindern in bewaffneten Konflikten” für Mädchen geschaffen worden, die sich den YPJ anschließen wollten, aber noch nicht 18 Jahre alt und damit zu jung waren. Bei dem Drohnenangriff wurden vier Schülerinnen getötet, elf wurden verletzt.

Darauf wies auch eine weitere Rednerin hin. Die Aktivistin Lucia Parri benannte in einer Ansprache im Namen einer Solidaritätsgruppe für Kurdistan die acht Minderjährigen, die seit Anfang August in Nordsyrien Opfer des türkischen Drohnenterrors geworden sind: „Fehime Reşo (17) in Til Rifat am 2. August, Ehmed Elî Hisên und Aheng Ekrem Hisên in Qamişlo am 16. August, Ebid Mihemed Heci (12) im Dorf Zorava in Kobanê am 16. August, Ranya Eta, Zozan Zêdan, Dîlan Izedîn und Diyane Elo am 18. August in einem von den Vereinten Nationen unterstützten Bildungszentrum für Mädchen im Dorf Şemoka zwischen Hesekê und Til Temir.“

Dass Mädchen in Nord- und Ostsyrien Zugang zu Bildung haben, sei dem erfolgreichen Aufbau einer autonomen Verwaltung zu verdanken, betonte Lucia Parri: „Diese Errungenschaften müssen verteidigt werden. Wir fordern ein Ende der türkischen Angriffe und die Schließung des Luftraums über Nordsyrien für die Türkei. Die türkische Regierung muss für ihre Völker- und Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden. Alle Menschen und vor allem Kinder haben ein Recht auf ein Leben in Frieden.“

Weder die UNO noch eine andere internationale Institution haben die Türkei bisher als Täter benannt und für den tödlichen Drohnenangriff auf das Bildungszentrum für Mädchen verurteilt.