Zeit für Freiheit: Feministisches Frauentreffen in Istanbul
Die kurdische Frauenbewegung TJA hat in Istanbul zu einem feministischen Austauschtreffen eingeladen, um sich gegen Patriarchat, Gewalt und Kapitalismus zu verbünden.
Die kurdische Frauenbewegung TJA hat in Istanbul zu einem feministischen Austauschtreffen eingeladen, um sich gegen Patriarchat, Gewalt und Kapitalismus zu verbünden.
Die Bewegung freier Frauen (TJA) hat am Sonntag in Istanbul zu einem feministischen Treffen eingeladen und Raum für Austausch, Fragen und Diskussion geboten. Im Mittelpunkt der im Aşık-Veysel-Park im Bezirk Sultangazi veranstalteten Zusammenkunft standen die Themen Feminizid, Rassismus, Kapitalismus, Frauenarmut, Krieg und Isolation. Gemeinsam mit Aktivistinnen von der Initiative der Friedensmütter, dem HDP-Frauenrat, dem Verein „Zeit der Frauen“, den Parlamentarierinnen Dilan Dirayet Taşdemir, Semra Güzel und Serpil Kemalbay, der Istanbuler HDP-Vorsitzenden Elif Bulut sowie zahlreichen Besucherinnen wurden Perspektiven und Herausforderungen der Frauenbewegung diskutiert und die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation bewertet. Anwesend war auch die Polizei, die um die Frauen einen Belagerungsring gezogen hatte und das Treffen sowie von Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) begleitete Tänze im Kessel beobachtete.
Einige Frauen hatten ihre Töchter und Enkelinnen mitgebracht
Staatliche Angst vor Frieden
Das erste Wort ergriff die TJA-Aktivistin Zekiye Ilbasan, die den Fokus auf die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan legte. Es sei wichtig, einen gemeinsamen Kampf gegen seine Isolation auszutragen, da in der Person des kurdischen Vordenkers die gesamte Gesellschaft isoliert werde. Elif Bulut erklärte hinsichtlich der Erfahrungen der Ezidinnen und Afghaninnen, dass Frauen überall gezwungen würden, in einer „von Angst geprägten Atmosphäre“ leben zu müssen. Ausschlaggebend sei die Furcht vor Frieden. „Wir haben dieses Phänomen hierzulande im Zuge des Friedensprozesses erlebt. Als es Gespräche mit Abdullah Öcalan gab, profitierten alle Völker. Es wurden Errungenschaften erreicht im Kampf gegen das hier herrschende Systemproblem, die umweltfeindliche und gegen Frauen ausgerichtete Politik. Jetzt stehen wir an einem Punkt, an dem die Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen und Kindern abgeschafft wird.“ Die Isolation der Gesellschaft führe zudem zu einem massiven Anstieg von Frauenarmut, sagte Bulut weiter. „Wir haben die Kraft, diese feindstrafrechtliche Politik zu ändern und frauenfeindliche Methoden aus dem Weg zu räumen. Wir sind das Volk und werden nicht zulassen, dass Leid die Oberhand nehmen wird. Wir werden kämpfen, bis wir gewinnen.“
„Nein zu kapitalistischen Nutznießern” (Tirşikçî) ist die Parole der Tabakbauernbewegung
Zeit für unsere Freiheit
Die HDP-Abgeordnete Semra Güzel stellte fest, dass die Frauenbewegungen in der Türkei seit Jahren ungeachtet steigender Repression entschlossen und mutig gegen die vorherrschende männliche Dominanz kämpfen. „An vorderster Front führen sie auf den Straßen den Widerstand gegen den Despotismus an, ihre vielfältigen Proteste nehmen stets an Lautstärke und Dynamik zu“, so die Abgeordnete. Hinsichtlich antikurdischer Rassismen sagte Güzel, dass dies seit tausend Jahren das zentrale Fundament der Herrschaftsideologie in der Türkei sei. „Wir aber werden das Leben unter der Führung von Frauen neu aufbauen. In Rojava blüht es bereits – auf Grundlage der Ideen von Abdullah Öcalan, vor denen sie [der Staat] große Angst haben. Die Isolation, die ihm auferlegt wird, ist das Ergebnis der Spezialkriegspolitik. Alles Unrecht, das heute geschieht, bleibt ungesühnt. Wir Frauen aber werden ihnen noch das Fürchten vor uns lehren. Denn es ist die Zeit für Freiheit“, so Güzel.
Ausgiebige Tänze durften nicht fehlen
21. Jahrhundert wird von Frauenrevolutionen geprägt
Die TJA-Aktivistin Eylem Sarıca verlas im Anschluss an die Redebeiträge eine Erklärung der kurdischen Frauenbewegung. „Wir glauben fest daran, dass das 21. Jahrhundert weltweit das Jahrhundert der Frauenrevolution sein wird“, hieß es zu Beginn. Der globale Kapitalismus durchlebe gegenwärtig eine multiple Krise, die auch damit zusammenhänge, dass sich die Frauenbewegung zu einer der bedeutendsten Bewegungen weltweit entwickelt hat und Frauen überall auf die Straße gehen, um für das Recht auf Selbstbestimmung ihres Lebens in allen gesellschaftlichen Bereichen zu kämpfen.
„Gegen den Feminizid schreiten wir in die Freiheit“
AKP/MHP Hauptakteur des Krieges im Mittleren Osten
„Es sind Frauen, die weltweit die Protagonistinnen der Widerstände gegen Diktaturen, völkermörderische Regime und den Faschismus und Rassismus des kapitalistischen Patriarchats sind. Auch im Mittleren Osten, in dem ein Krieg herrscht, dessen Aggressor und Hauptakteur die AKP/MHP-Regierung ist. Gegen diese männliche Herrschaft werden wir Frauen kämpfen. Wir werden in Rojava den Widerstand gegen den IS stärken und in Afghanistan das Aufbegehren gegen die Taliban. Mit dem Bewusstsein, dass ein demokratisches, ökologisches und emanzipatorisches Dasein nicht nur Frauen, sondern der gesamten Gesellschaft neuen Atem einhauchen wird, werden wir die führende Kraft beim Aufbau und der Organisierung des neuen Lebens sein.“ Mit kämpferischen Parolen, Tililî und Applaus endete die Veranstaltung.