AKP und Taliban – Geschwister im Geiste

Die Frauenrechtsaktivistin Rüya Kurtuluş warnt, dass auch in der Türkei Entwicklungen wie in Afghanistan drohen können.

Mit der Eroberung Afghanistans durch die Taliban sind insbesondere Frauen und LGBTI+-Personen bedroht. Der Hilferuf der Frauen, welche die Grausamkeit der Taliban aus der Zeit vor dem Krieg in dem Land noch im Gedächtnis haben, erreichte nach der erneuten Machtübernahme die Weltöffentlichkeit. Frauen auf der ganzen Welt solidarisieren sich und gehen auf die Straße. Auch Frauenorganisationen in der Türkei und Nordkurdistan protestieren für die afghanischen Frauen. Eine dieser Initiativen ist die Kampagne zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Rüya Kurtuluş äußert sich im ANF-Gespräch zu den Entwicklungen in Afghanistan und den möglichen Folgen für die Türkei und Nordkurdistan.

Niemand glaubt, dass sich die Taliban geändert hätten“

Kurtuluş erinnert daran, dass die imperialistischen Staaten vor zwanzig Jahren unter der Parole „Wir befreien Afghanistan und den Irak“ angetreten waren, durch ihre Kriegspolitik aber immer wieder zur Reproduktion der Taliban und anderer reaktionärer, islamistischer Elemente beigetragen hätten. Darunter habe insbesondere die Bevölkerung von Afghanistan gelitten. Nun sei die Regierung den Taliban de facto wieder übergeben worden und niemand mit oppositioneller Einstellun sei mehr des Lebens sicher, erst recht nicht Frauen.

„Die Taliban haben umgehend Plakate mit Frauen entfernt, Frauen von ihren Arbeitsplätzen abwiesen und sie dazu gezwungen, sich zu verschleiern. In solch einer Situation kann die Behauptung ‚Wir respektieren Frauenrechte‘ nichts weiter als eine Täuschung der Öffentlichkeit darstellen“, sagt Kurtuluş.

Insbesondere in den türkischen Staatsmedien wurde die Mär von den „moderaten Taliban“ verbreitet. Kurtuluş betont, dass diesem Gerede kaum jemand glaubt. „Niemand sollte sich sagen lassen, dass Frauenrechte in Afghanistan garantiert sind. So etwas glauben auch die afghanischen Frauen bei uns nicht. Sie bitten ohnehin bei jeder Gelegenheit in den digitalen Medien um Hilfe, weil sie sich von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlen und keine Sicherheit haben.“

Die Regierung in der Türkei mischt sich ins Leben der Frauen ein“

Rüya Kurtuluş befürchtet, dass auch die Frauen in der Türkei in einer solchen Gefahr schweben. Ein Blick auf die Politik des AKP/MHP-Regimes reiche aus. Die „Ein-Mann-Diktatur“ mische sich über die Fatwas der Religionsbehörde Diyanet in das Leben von Frauen ein, werbe offen für die Kinderehe, belohne Frauenmörder mit Strafnachlässen und habe mit seinem Rückzug aus der Istanbul-Konvention und des Infragestellens des Artikels 6284 diese Richtung vorgegeben. Erklärungen der Regierung wie „Die Glaubensvorstellungen der Taliban widersprechen nicht den unseren“ kommentiert Kurtuluş mit den Worten: „Das können wir in unserem eigenen Leben beobachten. Es gibt eine Regierung in der Türkei, die sich in das Leben von Frauen einmischt, Frauen in die Familie einsperrt und ihnen die Pflicht beimisst, Kinder zur Welt zu bringen. Natürlich gibt es in der Praxis einen Unterschied zu dem, was die Taliban tun, aber als Frauen in der Türkei leben wir in der gleichen Gefahr und dem gleichen Risiko. Insofern ist unser Leben hier nicht einfach, und es wird immer härter.“

Die reaktionären Regime werden vom Frauenwiderstand zerschlagen werden“

Auch gegenüber der Oppositionspartei CHP äußert sich Kurtuluş kritisch und sieht in deren Kampagne „Grenze bedeutet Ehre“ einen Ausdruck von Rassismus. Die Morde an einer kurdischen Familie in Konya und die Angriffe auf Schutzsuchende in Ankara seien Teil des sich verschärfenden rassistischen Klimas im Land. Nur durch die Solidarität zwischen den Völkern und vor allem der Frauen können Regime wie die Taliban gestürzt und der Rassismus beendet werden, meint Kurtuluş. In der Tat halte der Widerstand der Frauen allen Bedingungen zum Trotz an, und die Hoffnung führe zu einer Ausweitung des Kampfes. „Wir wissen, dass eines diese Diktaturen in Palästina, Irak, Syrien und jetzt in Afghanistan durch den Widerstand der Frauen zerschlagen werden. Was einer von uns angetan wird, wird uns allen angetan. Wir können gegen diese Schariasysteme, diese religiösen, rassistischen, autoritären und faschistischen Regime, zurückschlagen. Diese Region ist voll von Beispielen dafür. Wir wollen an diese Beispiele erinnern und Geschichte schreiben. Wenn wir uns gegenseitig die Hände reichen, werden wir sicherlich stärker sein und ein besseres Morgen schaffen.“