Ende Juli fand in Beirut die 2. Frauenkonferenz des Mittleren Ostens und Nordafrikas statt. Etwa hundert Delegierte aus 15 verschiedenen Ländern nahmen an der von palästinensischen Frauen vorbereiteten Konferenz teil, darunter auch Vertreterinnen der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien, der Frauenbewegung Kongreya Star, des Jineolojî-Komitees und des Syrischen Frauenrats. Die Delegation aus Nord- und Ostsyrien umfasste Turkmen:innen, Araber:innen, Kurd:innen, Tscherkess:innen und Suryoye, also Frauen fast aller ethnischen Identitäten der Region. Eine der Delegierten war Cihan Xidro, die Vorsitzende des Frauenrates von Nord- und Ostsyrien. Gegenüber ANF hat sich die Aktivistin zu der bedeutenden Zusammenkunft geäußert.
„Plattform der Frauen des Mittleren Ostens und Nordafrikas“
„Es war sehr wertvoll für uns, uns mit Frauen aus dem Nahen und Mittleren Osten auf einer solchen Plattform zu treffen. Unsere Teilnahme sollte so demokratisch und bunt sein wie unsere Revolution. Das wollten wir allen Frauen des Nahen und Mittleren Ostens zeigen. So bereiteten wir uns auf die Konferenz vor. Wir kamen mit allen Frauenbewegungen und Institutionen in unserer Region zusammen und sprachen darüber, wie man die Beteiligung aller Komponenten der Frauen in Nord- und Ostsyrien realisieren kann. Ich würde sagen, dass unsere Delegation auf der Konferenz stark genug war, um Frauen aus allen Bereichen der demokratischen autonomen Verwaltung in Nord- und Ostsyrien zu vertreten.
„In der gesamten Region machen Frauen ähnliche Erfahrungen“
Da Frauen aus vielen Ländern an der Konferenz teilnahmen, wurde eine Sitzung für uns reserviert. Also haben wir die Freundin Asya Abdullah als unsere Vertreterin bestimmt. Asya hat seit Beginn der Revolution Frauenarbeit durchgeführt. Sie hatte auch an der 1. Frauenkonferenz des Nahen und Mittleren Ostens 2013 in Amed (tr. Diyarbakır) teilgenommen. Auf der 2. Konferenz hielten wir einen Vortrag über die Rojava-Revolution und die Rolle von Frauen. Wir sprachen über patriarchale Gewalt in Syrien und anderen Regionen und die Massaker an Frauen, die von den sexistischen Hegemonialstaaten verübt wurden.
Cihan Xidro (l.) mit der ermordeten kurdischen Politikerin Hevrîn Xelef
Wir sprachen über die Massaker und die Versklavung von Frauen durch den „Islamischen Staat“ (IS) in Şengal, die Vergewaltigungen von Frauen in Ägypten und die Angriffe auf und Verhaftungen von Politikerinnen und kurdischen Frauen durch den türkischen Staat in Nordkurdistan. Obwohl wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, sind die Probleme, die wir als Frauen im Nahen und Mittleren Osten haben, mehr oder weniger ähnlich. In dieser Hinsicht haben wir nach gemeinsamen Wegen des Kampfes gesucht."
„Rolle der Frau in Revolutionen und die Verteidigung der geschaffenen Werte“
Das am meisten diskutierte Thema auf der Konferenz war die Rolle von Frauen in Revolutionen und wie deren Errungenschaften geschützt und verteidigt werden können. Xidro beschreibt die Diskussionen: „Die Revolutionen, die in den letzten zehn Jahren im Nahen Osten und Nordafrika stattfanden, und die Rolle der Frauen in diesen Revolutionen waren ein wichtiges Diskussionsthema. Dabei ging es auch um die Art von Entwicklungen, die sich in Tunesien, Ägypten und dem Sudan in politischer, rechtlicher und sozialer Dimension ereignet haben. Wir haben das alles im Einzelnen besprochen.
„Revolution von Rojava hinterließ tiefen Eindruck“
Die Revolution von Rojava zog als eine Frauenrevolution, die sich auf ganz Nord- und Ostsyrien ausgeweitet hat, auf der Konferenz die größte Aufmerksamkeit auf sich. Einige der Delegierten hatten unsere Revolution verfolgt und wussten ein wenig. Andere von ihnen wussten noch nichts. Es wurde gefragt, warum unsere Revolution als Frauenrevolution bezeichnet wird. Viele der Frauen waren sehr beeindruckt von der Tatsache, dass sich Frauen in Nord- und Ostsyrien in allen Lebensbereichen, der Politik und Regierungsführung entscheidend beteiligen, vor allem aber auch von der Tatsache, dass die Frauen über ihre eigene Selbstverteidigung, die YPJ, verfügen. Einige Frauen sagten: ‚Wir haben eure Revolution immer aus der Ferne verfolgt, aber wir wussten nicht so viel. Es ist wirklich eine Revolution, die ein Beispiel sein wird.‘
Auf der Konferenz hatten wir Gespräche mit Frauen über die Rojava-Revolution. Im Sudan waren die Frauen die Anführererinnen der Aufstände, die zum Sturz der Diktatur von Umar al-Bashir führten. Diese Frauen zeigten das größte Interesse an der Rojava-Revolution. Sie konnten im Sudan auch einige Dinge erkämpfen. Aber sie fanden, dass dies nicht ausreichte, und waren sehr neugierig auf die Rojava-Revolution.“
„Mechanismus zur Kommunikation und Umsetzung der Beschlüsse geschaffen“
Ein wichtiger Punkt der Konferenz war der Aufbau von Organisationsstrukturen in den Ländern. Xidro erzählt von den Beschlüssen: „Wir werden zum Beispiel ein Komitee für Nord- und Ostsyrien bilden. Dieser Ausschuss wird dafür verantwortlich sein, die Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz zu verfolgen. Die in allen Ländern eingerichteten Ausschüsse werden alle sechs Monate zusammenkommen und eine Sitzung abhalten.
Dieses Treffen wird Informationen und Diskussionen darüber liefern, wie Entscheidungen in die Praxis umgesetzt werden. So soll die Umsetzung der Beschlüsse gewährleistet werden und garantiert sein, dass es nicht nur bei Worten bleibt. Die Verbindung der Frauen des Mittleren und Nahen Ostens soll auf diese Weise verstetigt werden.“
„Kampf gegen Femizid und Besatzung“
Die Beschlüsse auf der Konferenz richteten sich auf den Kampf gegen alle Formen von Besatzung, Femizid, Vergewaltigung und sonstige Formen von patriarchaler Gewalt. Dieser Kampf solle verstärkt werden, berichtet Xidro und fährt fort: „Wir haben mit der Revolution einen großen Kampf gegen die Gewalt in unserer Region geführt. Aber natürlich gibt es immer noch Probleme in dieser Richtung. Andauernd führen die reaktionären Staaten Propaganda- und Spezialkriegsoperationen durch, um die Gewalt durch Kollaborateure und Männer im Allgemeinen zu erhöhen. Wir werden unseren Kampf gegen Gewalt an Frauen weiter verstärken. In Rojava gibt es bereits Frauengesetze gegen Gewalt an Frauen. Wir arbeiten seit langem daran, dies auf alle Bereiche der demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien auszuweiten.
Auch werden wir den Kampf gegen die türkische Besatzung, die systematisch Verbrechen an Frauen verübt, stärken. Auf der Konferenz haben wir auch diese Verbrechen an Frauen, die der türkische Staat in den von ihm besetzten Gebieten in Syrien praktiziert, auf die Tagesordnung aller Frauen aus dem Nahen und Mittleren Osten gebracht. Wir haben beschlossen, offizielle Gedenkfeiern zu Jahrestagen, an denen revolutionäre Frauen aus Nordafrika und dem Mittleren Osten gefallen sind, zu veranstalten, um für ein größeres Verständnis zwischen den Frauen der unterschiedlichen Regionen zu sorgen.“
„Wir werden die Frauen des Nahen und Mittleren Ostens in Rojava empfangen“
Über die Zukunft der Konferenz sagt Xidro: „Die Mehrheit der Komitees auf der Konferenz hat beschlossen, die Revolution in Nord- und Ostsyrien zu unterstützen, und erklärte, dass sie die Erfahrungen vor Ort sehen wollen. Besuche dieser Gruppen in Nord- und Ostsyrien werden wahrscheinlich bald stattfinden. Sie meinen, dass die Unterstützung der Revolution in Nord- und Ostsyrien und der Erfolg dieser Revolution, sowie die gemachten Erfahrungen, einen großen Einfluss auf den Nahen Osten haben werden. Wir sind bereit, unsere Erfahrungen mit ihnen zu teilen. Wir werden diskutieren, wie wir unsere Erfahrungen am besten an sie weitergeben können und wie wir zu ihren Revolutionen beitragen können.“