Der Ishak-Pascha-Palast: Das Neuschwanstein Kurdistans

In unmittelbarer Nähe des majestätischen Ararat erhebt sich der Ishak-Pascha-Palast auf einem Felsvorsprung über Bazîd. Erbaut wurde die Anlage im 18. Jahrhundert von einer kurdischen Familiendynastie – für Fürsten, denen die Welt zu Füßen liegen sollte.

Der Ishak-Pascha-Palast liegt gut fünf Kilometer südöstlich der Stadt Bazîd (tr. Doğubeyazıt) in der Provinz Agirî und erhebt sich auf einem Hochplateau. 99 Jahre wurde an der burgähnlichen Anlage der kurdischen Familiendynastie Çıldıroğulları gehämmert und gemauert, bis sie unter Ishak Pascha II. vollendet wurde. Den ersten Nagel schlug im Jahr 1685 Evdi Pascha, ein Sohn des Mîr Mihemed Pirbela. Die einzige inschriftliche Datierung des Palastes umfasst acht Zeilen, sie befindet sich über dem Portal zum Harem und nennt als Fertigstellungsjahr 1199 AH (islamischer Kalender), entsprechend 1784 nach Christus.

Einmalige Architektur

Geschaffen für Fürsten, denen die Welt zu Füßen liegen sollte, ist das auf 2.220 Metern Höhe liegende Bauwerk mehr ein Komplex als ein bloßer Palast. Hinter dem „Neuschwanstein Kurdistans” erhebt sich majestätisch der Ararat (ku. Çiyayê Agirî), auf dem Noah mit seiner Arche gestrandet sein soll. Der Palast hat einen wichtigen Platz in der kurdischen Kultur und durchlief gute wie schlechte Zeiten. Mit seiner einmaligen Architektur, die armenische, georgische, persische, seldschukische und osmanische Bauelemente vereint, hat der Ishak-Pascha-Palast etwas märchenhaftes. Sein Planungsprinzip folgt der Gliederung des Topkapı-Palastes in Istanbul. Zur Zeit der Ararat-Aufstände nur kurz nach der türkischen Republiksgründung diente die Gegend um den Palast den Aufständischen als Stützpunkt.

Zur Bauzeit des Ishak-Pascha-Palastes hatte sich die Stadt in der Ebene um den Palasthügel ausgedehnt

Ursprünglich 366 Zimmer

Auf 7600 m² und zwei Etagen zählte der Palast ursprünglich 366 Zimmer, die über die beiden hintereinander liegenden Höfe zu erreichen und klein genug waren, um im Winter durch einen offenen Kamin beheizt zu werden. Zusätzlich soll es aber auch eine Zentralheizung gegeben haben. Die Anlage verfügte zudem über eine großzügige Hofanlage, eine große und prächtige Moschee, ein Hamam, eine Haremsabteilung, eine Suppenküche, einen Garten, einen Verwaltungsbereich, eine Bibliothek, einen Kerker und eine Grablegestätte, in der auch der Emir von Bazîd, Çolak Abdi Pascha, und sein Sohn Ishak Pascha II., bestattet wurden, sowie über fließendes Wasser und ein Abwassersystem. Heute sind von den 366 Räumen nur noch 116 enthalten. Als 1848 ein deutscher Reisender die Stätte besuchte, war der Palast jedoch verlassen und der Statthalter wohnte in der Stadt – vermutlich auf Weisung des Sultans, der einen solchen Palast für einen Affront gegen seine Person hielt: keiner sollte so luxuriös wohnen wie er selbst.

Türbe des kurdischen Dichters Ehmedê Xanî

Die Lage des Palastes und vor allem der Blick von außen sind atemberaubend. Drei Seiten der Außenmauern liegen direkt über dem Steilhang ins Tal. Unterhalb des Palastes liegen die Überreste einer auf die Zeit um 800 v. Chr. datierten urartäischen Siedlung mit dem türkischen Namen Eski Beyazıt („Alt-Beyazıt”). Nordöstlich des Palastes erblickt man ein urartäisches Felsgrab, dessen Eingang von überlebensgroßen Relieffiguren gerahmt wird. Die osmanische Moschee unterhalb der Zitadelle wurde kurz nach 1578 während der Regierungszeit von Murat III. errichtet. Der überkuppelte Betsaal steht auf einer Plattform oberhalb eines Felshangs. Weiter oben im Tal befindet sich die Türbe des kurdischen Dichters Ehmedê Xanî (* um 1651; † 1707), der im 17. Jahrhundert das kurdische Nationalepos Mem û Zîn schrieb.

Vergoldete Tore unter russischer Herrschaft entfernt

Im Laufe der Zeit wurden Teile des Ishak-Pascha-Palasts und seiner Festung sowohl durch ein Erdbeben als auch durch den Russisch-Osmanischen Krieg und den Ersten Weltkrieg zerstört. Erste Aufräumarbeiten und die Wiederherstellung des Mauerwerks und der Räumlichkeiten begannen in den 1960er Jahren. Die alten vergoldeten Tore wurden unter russischer Herrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts entfernt und befinden sich heute in der Eremitage in Sankt Petersburg. In den 80ern und 90er Jahren wurden weite Teile der Anlage von der türkischen Armee als Militärcamp verwendet.

Mit Glas-Edelstahl-Bedachung verunstaltet

Der Palast gilt heute als Touristenattraktion und befindet sich auf der vorläufigen UNESCO-Liste der Welterbestätten. Die einheimische kurdische Bevölkerung nennt den Bau Kela Behlûl Paşa, nach dem letzten Emir von Bazîd. Auch in der oralen Literatur der Armenier:innen, zu deren traditionellen Siedlungsgebieten die Regionen um den Ararat gehörten, taucht der Name des Palastes als Burg des Behlûl Pascha auf. In früheren Zeiten war er das Verwaltungszentrum von Agirî (Ağrı). Leider wurde das ganze Gebäude im Zuge einer Renovierung mit einer Glas-Edelstahl-Bedachung verunstaltet, so dass die Wirkung geschmälert wird.