Vor einem Jahr wurde die Journalistin und Jineolojî-Forscherin Nagihan Akarsel bei einem Attentat des türkischen Geheimdienstes MIT in der südkurdischen Stadt Silêmanî ermordet. Das Kurdische Frauenbüro für Frieden – Cenî hebt in einer Erklärung zum ersten Jahrestags des Mordes hervor, dass dieser Feminizid ein weiterer Versuch war, die Frauenbewegung und die Frauenbefreiung zu stoppen: „Nagihan Akarsel und ihr Leben stehen für die Suche und den Kampf um die Werte und Wahrheiten, die ihre Mörder vernichten wollen – sie stehen für ein freies, demokratisches und ökologisches Leben. Nagihan Akarsel wird immer in uns weiterleben.“
Die vollständige Erklärung des kurdischen Frauenbüros lautet:
Frau, Freiheitskämpferin, Schriftstellerin, Wissenschaftlerin, Journalistin, Freundin…
Heute vor einem Jahr, am 04.10.2022, wurde Nagihan in der südkurdischen Stadt Silêmanî im Irak beim Verlassen ihres Hauses ermordet. Ihr Leben wurde von patriarchalen und faschistischen Kräften genommen.
Nagihan kam aus der Stadt Konya in der Türkei und war seit den 90er Jahren im kurdischen Freiheitskampf aktiv. Aufgrund ihres Einsatzes für die Befreiung der Frauen war sie jahrelang Gefangene des türkischen Staates. Sie war ein wichtiger Teil der Frauenrevolution, sie unterstützte und förderte die revolutionäre Bildung der Frauen durch die Jineolojî in den kurdischen Gebieten, in Nordost-Syrien, in Şengal und der Türkei.
Sie tat dies mit Kraft, Liebe und Entschlossenheit.
In den letzten Jahren baute sie zusammen mit anderen Frauen die Frauenbibliothek in Silêmanî auf. Sie forschte als Wissenschaftlerin an der Jineolojî-Akademie und war Redakteurin der Jineolojî-Zeitung. Durch ihre Seminare und Vorträge, auch hier in Europa, trug sie viel zur Weiterentwicklung und Verbreitung der Jineolojî bei.
Dieser Feminizid ist ein weiterer Versuch, die Frauenbewegung und Frauenbefreiung zu stoppen. Eine Bewegung, die aktiv gegen den Zerfall der Gesellschaft und für die Befreiung und Selbstbestimmung der Frau und der Gesellschaft kämpft.
Dieser Feminizid ist ein weiterer Akt patriarchaler Gewalt und gleichzeitig fühlen und wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind und weitergehen müssen.
Unsere Freundinnen sind nicht umsonst im Kampf gefallen. Sie werden immer in unserem Kampf fortleben, so wie Nagihan immer in der Jineoloji weiterleben wird.
Nagihan Akarsel und ihr Leben stehen für die Suche und den Kampf um die Werte und Wahrheiten, die ihre Mörder vernichten wollen – sie stehen für ein freies, demokratisches und ökologisches Leben. Nagihan Akarsel wird immer in uns weiterleben.
Wir fordern Aufklärung!
Ein offener Brief fordert die UN zum Handeln auf.
Dieser offene Brief, der von mehr als 300 Frauen und Organisationen aus über fünfzig Ländern unterzeichnet wurde, fordert die Vereinten Nationen auf, den Mord an Nagihan Akasel aufzuklären und für Gerechtigkeit zu sorgen. – auch für alle anderen Menschen, die Opfer extralegaler Hinrichtungen geworden sind. Übergeben wurde der Appell von einer Delegation, der Mitglieder der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TKJ-E), der Jineolojî- Akademie und der Initiative „Gerechtigkeit für Nagihan Akarsel“ angehören.
Diese Maßnahmen sollten umfassen:
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Die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung der für die Ermordung von Nagihan Akarsel und alle anderen außergerichtlichen Tötungen verantwortlichen Personen.
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Sperrung des irakischen und syrischen Luftraums für die türkische Luftwaffe, einschließlich bewaffneter und unbewaffneter Drohnen.
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Aufforderung an die Türkei, ihre illegalen Angriffe, ihre Besatzungspolitik, ihre Krieg und ihre systematischen Ermordung von Frauenrechtlerinnen und Menschen, die in irgendeinem Teil Kurdistans leben, einzustellen, insbesondere in Bezug auf die Gebiete des Irak und Nord – und Ostsyriens.
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Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – einschließlich Völkermord und Feminizid -, die von Erdogan und der AKP-Regierung begangen wurden, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.
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Gewährleistung von Gerechtigkeit für Jina Amini und alle anderen Frauen im Iran, die ermordet, gefoltert oder inhaftiert wurden, weil sie für die Rechte und die Freiheit der Frauen gekämpft haben. Als Unterzeichnende dieses offenen Briefs fordern wir Sie auf, sich unsere Forderungen zu eigen zu machen und sofortige Schritte zu unternehmen, um Gerechtigkeit zu erreichen und weitere Morde zu verhindern.
International bekannte Persönlichkeiten unterstützen den Appell
Der offene Brief wurde von Zahlreichen Menschenrechtsverteidiger:innen, Aktivist:innen, Akademiker:innen, Initiativen und NGOs unterzeichnet, darunter der US-Journalistin Debbie Bookchin, Reporter ohne Grenzen, PEN-International und der DIE LINKE-Politikerin Cansu Özdemir aus der Hamburgischen Bürgerschaft. Die vollständige Liste alle Unterzeichnenden findet ihr unten.