Nach rund vier Stunden im Polizeikessel in Amed (tr. Diyarbakir) haben Aktivistinnen der Bewegung freier Frauen (TJA) und des Frauenrats der HDP die Blockade durchbrochen und eine Erklärung für den Erhalt der Istanbul-Konvention abgegeben. „Gebt es auf, erkämpfte Frauenrechte zu bedrohen“, forderte die HDP-Abgeordnete Ayşe Acar Başaran, die zugleich Sprecherin des Frauenrats ihrer Partei ist. Beteiligt an der Aktion waren unter anderem Başarans Fraktionskolleginnen Nuran Imir, Remziye Tosun, Dersim Dağ, Ebru Günay und Semra Güzel.
Unter dem Motto „Wir erkämpften die Istanbul-Konvention auf den Straßen und werden sie auch hier verteidigen“ hatten sich die Aktivistinnen am Samstagnachmittag im Bezirk Payas (Kayapinar) versammelt, um für den Erhalt der Istanbuler Konvention zu demonstrieren, die Gewalt an Frauen verhüten und bekämpfen soll. Die Türkei ist vor drei Wochen per Präsidialdekret aus dem Schutzabkommen ausgetreten.
Foto: HDP-Frauenrat, rechts im Bild Ebru Günay
Frauen werden AKP-Herrschaft beenden
„Dass die Polizei über Stunden versucht, unsere Stimmen zu unterdrücken und um uns herum Absperrungen errichtet, statt um Frauenfeinde und Mörder, zeigt uns einmal mehr, dass wir es mit einer frauenfeindlichen Regierung zu tun haben“, erklärte Başaran zu Beginn ihrer Ansprache. Weiter sagte die Politikerin: „Die Herrschenden ertragen den Anblick von Frauen nicht. Denn es sind Frauen, die weder diese Barrikaden noch das Ein-Mann-Regime anerkennen. Ihr habt uns in unsere vier Wände gesperrt, trotzdem ging unser Widerstand weiter. Ihr habt uns bedroht, wir haben gekämpft. Eure Angst vor uns ist nachvollziehbar, denn wir Frauen werden eure Herrschaft beenden.“
Mindestens 91 Femizide seit Jahresbeginn
Seit Jahresbeginn wurden in der Türkei mindestens 91 Frauen Opfer eines Femizids, zudem seien dutzende Vergewaltigungen und Fälle von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen registriert worden, so Başaran. Insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie wird landesweit ein deutlicher Anstieg von Frauenmorden und Fällen patriarchaler Gewalt verzeichnet, darüber hinaus haben etliche Frauen ihre Arbeit verloren. „Doch statt Verantwortung für die Bekämpfung von Gewalt zu übernehmen, werden Frauen durch die Hand der Regierung immer mehr ins Abseits des sozialen Lebens gedrängt“, kritisierte Başaran. Als jüngstes Beispiel der frauenfeindlichen Regierungspolitik sei die jüngste Operation gegen Frauenstrukturen in Amed und das damit einhergehende Ermittlungsverfahren gegen den Verein Rosa zu nennen.
Die Istanbul-Konvention rettet Leben | Foto: HDP-Frauenrat
Zuletzt acht Frauenaktivistinnen in Amed verhaftet
„26 unserer Freundinnen wurden festgenommen, acht von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Sie alle vereint ihr Einsatz gegen patriarchale Gewalt an Frauen. Was will man uns mit dieser Behandlung sagen? Dass wir an Tagen wie dem 8. März und dem 25. November nicht auf die Straße sollen. Dass wir Gefangene in unseren Häusern und traditioneller Familienstrukturen werden sollen. Dass wir drei Kinder gebären, in Hunger und Elend leben und dem Land der Lebensatem ausgeht. Sie wollen, dass wir ihnen ‚genehme‘ Frauen sind. Sie halten Gleichberechtigung für unnatürlich und sehen Frauen nicht als gleichwertig an. Sie wollen nicht, dass wir die Istanbuler Konvention verteidigen. Das Einzige, was sie tun, ist uns Krieg, Hunger, Armut und Ausbeutung aufzuerlegen“, sagte Başaran.
Regierung in die Knie zwingen
Die Istanbul-Konvention sei erkämpftes Frauenrecht und das Ergebnis eines „historischen Widerstands“, führte die Politikerin weiter aus. „Wir werden nicht dem Frauenbild der Regierung entsprechen, sondern jenseits von den Identitäten in Kurdistan und der Türkei unsere Forderung verteidigen. Diese lautet: Istanbul-Konvention konsequent umsetzen! Gebt es auf, erkämpfte Frauenrechte zu bedrohen. Wir lassen uns durch eine einzige Unterschrift des Ein-Mann-Regimes nicht unsere Errungenschaften nehmen. Mit unseren Parolen und Trillern werden wir diese Regierung in die Knie zwingen.“