Amed: Fraueneinheit statt Chefs

Ein Frauenkollektiv betreibt das „Mantı-Haus“ in Amed. Hülya Karataş berichtet von dem Versuch, hierarchiefrei in Frauensolidarität zu produzieren. Jede Mitarbeiterin bedeute einen weiteren Schlag gegen die gesellschaftlichen Tabus für Frauen.

Das „Mantı-Haus“ befindet sich im Stadtteil Ofis in Amed (Diyarbakir). Der Laden wird vollständig von Frauen selbstverwaltet und stellt die beliebten Teigtaschen Mantı her. Das Kollektiv wurde von zwei Frauen, die nach dem Putsch aufgrund von Ausnahmezustandsdekreten aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden waren, gegründet. Im Moment arbeiten drei Frauen im „Mantı-Haus.“

Hülya Karataş arbeitet seit drei Jahren in der Kooperative. Gegenüber der Nachrichtenagentur JinNews erklärt sie, wie froh sie sei, ohne Chef zu arbeiten. „Früher haben wir in Istanbul gelebt. Als ich fünf oder sechs war, sind wir nach Istanbul umgezogen. Mit zwölf Jahren begann ich mit Eifer zu arbeiten. Meine Eltern waren zunächst dagegen. Ich fing im Textilbereich an und arbeitete dann in Cafés. Später kehrten wir nach Amed zurück. Dort habe ich ebenfalls weitergearbeitet. In diesen langen Jahren wurde ich immer wieder gemobbt, wir wurden ausgebeutet. Ich arbeitete an einem Ort, an dem eigentlich Frauen unterstützt werden sollten, aber sie haben auch nur durch die Frauen Geld verdient. Viele Kolleginnen von mir klagten. Die Prozesse dauern noch an“, so Karataş.

Wir wollten keine Preiserhöhungen durchführen“

Das „Mantı-Haus“ war zuerst in Amed-Dağkapı als Produktionsbetrieb gegründet worden. Anschließend wurde ein neuer Laden in Ofis eröffnet. „Wir öffnen um neun Uhr morgens und schließen zwischen 17.30 und 18.00 Uhr", erklärt sie. „Wir sind drei Frauen, die Mantı herstellen. Tagsüber machen wir den Teig und die Füllung. Dann füllen wir die Teigtaschen, packen sie ein und legen sie in den Gefrierschrank. Wir beschäftigen uns mit den Kund*innen. Sie sind sehr zufrieden damit, dass Frauen arbeiten. Die Kund*innen freuen sich zu sehen, wie vor ihren Augen die Teigtaschen frisch hergestellt werden. Das ist auch für die Hygiene sehr wichtig. Wenn fünf oder sechs Kilo gekauft werden, dann liefern wir sie auch. Sie können aber auch kommen und sie abholen. Wir servieren auch hier. Unsere Arbeit ist im Allgemeinen gut, aber die Wirtschaftskrise hat auch hier ihre Auswirkungen. Wenn die Bevölkerung kein Geld hat, dann muss sie sich alles am Mund absparen. Das belastet uns ebenfalls. Unsere Einkaufspreise sind gestiegen, Zwiebeln und Hackfleisch haben sich extrem verteuert. Aber wir haben unsere Verkaufspreise nicht erhöht. Wir wollen die Bedingungen nicht noch verschlechtern.“

Wir arbeiten in Solidarität, ohne Machtbeziehungen“

Über die Arbeit sagt sie: „Mit Frauen zu arbeiten ist etwas ganz anderes. Das Klima ist sehr entspannt. Wir arbeiten in Solidarität und ohne Machtbeziehung. Früher gab es einen hohen gesellschaftlichen Druck auf Frauen, keiner Lohnarbeit nachzugehen. Aber wir Frauen durchbrechen das. Jede arbeitende Frau reißt diese Tabus ein bisschen weiter ein. Meine Familie hatte mich auch am Anfang behindert, aber nun akzeptiert sie es. Das macht mich stolz. Männer können arbeiten, aber Frauen sollen nicht von den Männern abhängig sein. Wenn ich mein eigenes Geld verdienen kann, dann bin ich nicht von meinem Vater, meinem Bruder oder meinem Ehemann abhängig. Frauen sollen von niemandem abhängig sein. Sie müssen sehr vorsichtig bei der Arbeit sein, sie sollen arbeiten, aber nicht an den falschen Orten. Sie dürfen vor keinem Hindernis zurückweichen.“