In Nordkurdistan und der Türkei haben die Aktivitäten zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen begonnen. Am Samstag fanden Aktionen des Frauenrats der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der Bewegung Freier Frauen (Tevgera Jinên Azad, TJA) in Cizîr (türk. Cizre), Pirsûs (Suruç), Gever (Yüksekova), Bazid (Doğubayazıt), Kocaeli, Muğla und Ankara statt.
Die Aktivitäten zum 25. November laufen in diesem Jahr unter dem Motto „Gegen männliche und staatliche Gewalt kämpfen“ und sind eingebettet in die im September von der TJA gestartete Kampagne „Em xwe diparêzin“ (Wir verteidigen uns selbst) gegen sexuelle Übergriffe, Gewalt und jede Form der Unterdrückungspolitik.
Die Kampagne umfasst den Kampf gegen staatliche und männliche sexualisierte, physische, seelische, digitale und wirtschaftliche Gewalt. Die Frauenbewegung fordert die Bestrafung von Gewalttätern. Ein weiterer Aspekt ist die staatliche „Spezialkriegspolitik“, mit der Frauen über sexualisierte Gewalt und Folter zu Sklavinnen gemacht und junge Menschen über Drogen und gezielte Spitzelanwerbung aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld gerissen werden. Die TJA will gemeinsam mit den von Lynchangriffen betroffenen Glaubensgemeinschaften und Volksgruppen für deren Verteidigung kämpfen und sich gegen religiös-fanatische und pornographische „Hate-Speech“ engagieren. Die Isolation auf Imrali soll bekämpft und die kurdische Muttersprache gefördert werden. Die TJA setzt auf eine Einheit des kurdischen Volkes und die Förderung einer kollektiven Ökonomie. Weitere Schwerpunkte sollen die Verteidigung der Natur Kurdistans und der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen sein.
Diese Inhalte werden vor allem durch die direkte Ansprache von Frauen in Nordkurdistan vermittelt. Die TJA-Aktivistinnen ziehen durch Dörfer und Wohnviertel, sprechen Frauen auf der Straße an, klopfen an Haustüren, verteilen Informationsmaterial und führen Selbstverteidigungsseminare durch.
Alle Aktivitäten der Frauenbewegung in der Türkei finden unter permanenter Bedrohung statt und können jederzeit im Gefängnis enden. Auch die gestrigen Aktionen im Rahmen des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen wurden entsprechend kriminalisiert. In Cizîr versuchte die Polizei, eine Demonstration zu stoppen. Die Frauen überwanden die Polizeisperre und liefen lautstark von Dörtyol bis zur örtlichen HDP-Zentrale.
Dort hielt Ayşe Acar Başaran eine Ansprache, in der sie auf die Bestrebungen der AKP/MHP-Regierung zur Annullierung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen hinwies: „Es wird Antipropaganda gemacht und behauptet, dass diese Konvention der türkischen Familie schade. Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die sich nicht an internationale Abkommen hält. Der Frauenverein Rosa wird jeden Tag von neuem angegriffen, weil er Frauen beisteht und ihnen vermittelt, dass sie nicht allein sind. Die TJA wird terrorisiert, weil sie eine Frauenbewegung ist. Lasst uns alle zusammen gegen die Institutionalisierung des Faschismus kämpfen und uns selbst verteidigen!“
Auch in anderen Städten wurden die Aktionen von der Polizei behindert. In Pirsûs wurde die HDP-Zentrale mit gepanzerten Fahrzeugen umstellt, um ein Demonstrationsverbot durchzusetzen. Auch in Bazid wurde die geplante Demonstration verboten, die Frauen, gaben eine Erklärung vor der örtlichen HDP-Zentrale ab, in der sie gegen das Verbot protestierten. Die kurdische Politikerin Leyla Güven sagte: „Frauen werden von Männern aus ihrem engsten Umfeld ermordet, von ihren Väter, Brüdern, Partnern. Mit den Frauen wird die gesamte Gesellschaft angegriffen. Wir lassen uns diese Gewalt nicht mehr gefallen und wehren uns gegen die patriarchale Mentalität. Wir sind die Hälfte der Gesellschaft, wir lassen uns nicht einfach ermorden. Wenn wir uns zusammenschließen, können wir das Patriarchat weltweit zerschlagen. Wir haben die Stärke und den Mut dafür.“