Tödlicher Rassismus: Kurde aus Duhok in Istanbul erstochen

Weil sie miteinander Kurdisch sprachen, sind drei Kurden aus Duhok in der Türkei von einem rassistischen Mob angegriffen worden. Der 45-jährige Hakim Lokman wurde durch einen Stich ins Herz getötet, seine beiden Cousins sind verletzt worden.

Stich ins Herz

Weil sie miteinander Kurdisch sprachen, sind drei Kurden aus Duhok in der westtürkischen Metropole Istanbul von einem rassistischen Mob angegriffen worden. Der 45-jährige Hakim Lokman wurde bei dem Übergriff durch einen Stich ins Herz tödlich verletzt. Seine beiden Cousins erlitten leichte Verletzungen und befanden sich anschließend über mehrere Stunden in Polizeigewahrsam. Die mutmaßlichen Täter dagegen wurden bislang nicht festgenommen.

Der Angriff ereignete sich am späten Samstagabend vor einem Bistro im zu Fatih gehörenden Viertel Aksaray. Nach Angaben der mit dem Fall befassten Rechtsanwältin Berivan Barin von der Anwaltsvereinigung ÖHD checkte Hakim Lokman, der Staatsbürger der Kurdistan-Region des Irak (KRI) ist und in Duhok einen international tätigen Autohandel betreibt, erst wenige Stunden vor der Tat in einem Hotel oberhalb des Cafés ein. Er sei aus Dubai angereist und habe sich drei Tage in der Bosporus-Metropole aufhalten wollen, so Barin.

Cousins auf Polizeiwache drangsaliert

„Während dem Essen unterhielten Hakim Lokman und seine beiden Cousins sich via Videocall mit einem weiteren Verwandten, als sie von einer vierköpfigen Gruppe angepöbelt wurden. Diese Personen saßen im selben Bistro und echauffierten sich darüber, dass Hakim Lokman und seine Begleiter sich auf kurdisch unterhielten. ‚Dies ist die Türkei und hier wird ausschließlich Türkisch gesprochen‘, sollen sie gesagt und die drei Kurden beleidigt haben“, schilderte Barin in einer Pressemitteilung. „Da Hakim Lokman auch der türkischen Sprache mächtig war, entzündete sich eine kurze, aber hitzige Diskussion. Anschließend verließen er und seine Cousins das Café. Sie waren gerade ein Paar Schritte gegangen, als sie von einem auf etwa zehn bis zwölf Personen angewachsenen Mob, zu dem auch die vier Pöbler gehörten, gestoppt wurden. Umgehend wurden Messer gezückt und den drei Kurden diverse Verletzungen hinzugefügt. Hakim Lokman verblutete auf dem Bürgersteig, da der sofort verständigte Krankenwagen erst sehr spät kam. Seine Cousins, die nach der Tat zur örtlichen Wache gebracht wurden, um den Vorfall als Zeugen und Betroffene zu schildern, wurden von der Polizei drangsaliert. Insgesamt vier Mal wurden sie unrechtmäßig Leibesvisitationen unterzogen, außerdem verweigerte man ihnen Wasser und Nahrung.“

Sonderkommission eingerichtet

Durch die Istanbuler Sicherheitsbehörden sei eine Sonderkommission eingerichtet worden, die sich mit dem tödlichen Angriff auf Hakim Lokman befassen soll. Das sagte der irakische Botschafter in Istanbul. Der stellvertretende Gouverneur der Provinz sowie Beamte der Mordkommission und der Abteilung für öffentliche Sicherheit und Ordnung hätten am Sonntag das Institut für Rechtsmedizin aufgesucht, um Auskunft über die Ergebnisse der Obduktion zu erhalten, die im Laufe des Tages durchgeführt worden sei. Eine Erklärung der Behörden zu dem Sachverhalt lag bisher aber noch nicht vor.

Wut und Entsetzen

Bei der kurdischen Gesellschaft rief die Tat derweil Wut und Entsetzen hervor. Die DEM-Partei verurteilte den Angriff als „vom Rassismus getriebenen Stich ins Herz der kurdischen Existenz“ und warf dem Regime in Ankara vor, Teile der türkischen Gesellschaft mit einem rassistischen und chauvinistischen Diskurs hysterisiert zu haben. „Dieses abscheuliche Verbrechen ist nur geschehen, weil die herrschende AKP/MHP-Regierung das politische und soziale Klima vergiftet hat“, sagte der Ko-Vorsitzende Tuncer Bakırhan. „Sie ist verantwortlich für die organisierten Angriffe auf kurdische Arbeiter, die kurdische Sprache und Kultur, die in den letzten Wochen nahezu jeden Tag geschahen. Zuletzt erlaubten sich sogar Mobs aus JITEM-Anhängern, mit Masken von „Yeşil“ zu einem Fußballspiel aufzumarschieren, als wären sie von der Regierung in einen Krieg geschickt worden. Wir fordern Ankara auf: Begrabt euren nationalistischen Diskurs und hört endlich auf, die Spaltung in diesem Land weiter zu vertiefen.“

IHD: Lange Reihe rassistischer Angriffe

Auch der Menschenrechtsverein IHD verurteilte die Tat als rassistischen Angriff gegen Kurd:innen. „Dieser gewaltsame Vorfall fügt sich in eine lange Reihe ein“, erklärte die Organisation am Sonntag in Ankara. Es gebe in den letzten Wochen zahlreiche solcher Übergriffe. „Das sind keine Einzelfälle.“ Der IHD forderte eine Aufklärung der Tat und Maßnahmen gegen Rassismus.