Prozesstermine in PKK-Verfahren in Deutschland für September

Im September werden die Verfahren gegen Mirza B., Mazlum D., Merdan K. und Abdullah Ö. in München, Stuttgart und Frankfurt fortgesetzt. Die vier kurdischen Aktivisten sind nach §129b angeklagt und befinden sich weiter in Untersuchungshaft.

Zurzeit finden in Deutschland vier Prozesse nach §129b gegen kurdische Aktivisten statt. Der Kölner Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland AZADÎ e.V. gab nun die aktuellen Verhandlungstermine der Prozesse wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der PKK gegen Mirza B., Mazlum D., Merdan K. und Abdullah Ö., die sich weiter in Untersuchungshaft befinden, für September bekannt.

Die Prozesse in München, Stuttgart und Frankfurt benötigen öffentliche Aufmerksamkeit und dürfen nicht abgeschottet stattfinden, erklärt AZADÎ und ruft dazu auf, die Verhandlungen zu besuchen und hierüber zu berichten. „Stärkt den Gefangenen und den Verteidiger:innen durch eure Präsenz den Rücken. Macht hierdurch klar, dass diese zerstörerische und das türkische Regime unterstützende Repressionspolitik beendet werden muss und die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots ohne Alternative ist“, so der Rechtshilfefonds AZADÎ.

Mirza B., OLG München (Prozesseröffnung 13.5.2022):
Dienstag, 6.9.
Donnerstag, 15.9.
Mittwoch, 21.9.
Freitag, 23. 9. und
Mittwoch, 28.9.

Alle Verhandlungen beginnen um 9:30 Uhr vor dem OLG München, Nymphenburger Str. 16

Mazlum D., OLG Stuttgart (Prozesseröffnung 21.2.2022):
Freitag, 2.9., 9:00 – 10:00 Uhr
Mittwoch, 14.9., 13:30 Uhr
Dienstag, 20.9., 9:15 Uhr
Donnerstag, 22.9., 9:15 Uhr
Dienstag, 27.9., 9:15 Uhr und
Donnerstag, 29.9., 9:15 Uhr

Alle Verhandlungen finden vor dem OLG Stuttgart-Stammheim, Asperger Str. 47, statt.

Merdan K., OLG Stuttgart (Prozesseröffnung 17.3.2022):
Montag, 19.9., 13:30 Uhr
Dienstag, 20.9., 9:15 Uhr
Donnerstag, 22.9., 9:15 Uhr und
Dienstag, 27.9., 9:15 Uhr

Alle Verhandlungen finden vor dem OLG Stuttgart-Stammheim, Asperger Str. 47, statt.

Abdullah Ö., OLG Frankfurt/M. (Prozesseröffnung 11.4.2022):
In der Verhandlung am 15. August hatte die Verteidigung mit der Verlesung ihrer Anträge zu Völkerrechts- und Menschenrechtsverstößen der Türkei und dem Einsatz von Chemiewaffen durch die türkische Armee begonnen. Zur Untermauerung der dargelegten Fakten wird auch die Anhörung und Ladung von Zeugen beantragt, z.B. des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Dr. Bruno Kahl, des ARTE-Journalisten Halil Gülbeyaz, als Sachverständige die Völkerrechtlerin Prof. Dr. Anne Peters vom Max-Planck-Institut Heidelberg oder Dr. Günter Seufert, Leiter der Forschungsgruppe CATS (Centrum für angewandte Türkeistudien) der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Am 12. Juli wurde von der Verteidigung außerdem die Anhörung des Generalbundesanwalts Dr. Peter Frank beantragt, der sich wenige Tage zuvor auf Einladung des türkischen Generalstaatsanwalts in der Türkei aufgehalten hat und neben Gesprächen mit Justizvertretern auch von Staatspräsident Erdoḡan empfangen worden war. Über diesen Antrag wird vermutlich an einem der nachfolgenden Verhandlungstage entschieden werden.

Mittwoch, 7.9.
Donnerstag, 8.9.
Freitag, 9.9.
Montag, 12.9.
Mittwoch, 14.9. und
Montag, 19.9.

Alle Verhandlungen vor dem OLG Frankfurt/M., Konrad-Adenauer-Str. 20, beginnen um 9:30 Uhr in Saal II.

Hintergründe der strafrechtlichen Verfolgung kurdischer Aktivist:innen

Zu den Hintergründen der strafrechtlichen Verfolgung kurdischer Aktivist:innen in der Bundesrepublik teilt AZADÎ e.V. mit:

Die strafrechtliche Verfolgung kurdischer Aktivist:innen begann bereits Ende der 1980er Jahre entweder nach §129a StGB (Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung), oder ab Mitte der 1990er Jahre nach §129 StGB (Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung). Der Bundesgerichtshof entschied im Oktober 2010, nach türkischen linken und tamilischen Organisationen, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als eine „terroristische Vereinigung im Ausland“ gem. §129a/b einzustufen. Hunderte politisch aktiver Kurdinnen und Kurden sind seit Ende der 1980er Jahre von deutschen Strafverfolgungsbehörden angeklagt und von Staatsschutzsenaten der Oberlandesgerichte verurteilt worden.

In den meisten 129b-Verfahren geht es nicht um individuelle Straftaten von Angeklagten, sondern um deren politische Gesinnung. Grundlage ist das umstrittene Betätigungsverbot der PKK von 1993 und die laut §129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur strafrechtlichen Verfolgung von Funktionsträger:innen. Eine generelle Ermächtigung hat das Ministerium am 6. September 2011 ausgestellt, die bis heute automatisch gegen diesen Personenkreis angewendet wird. Jederzeit können auch Einzelermächtigungen erteilt werden, So stehen inzwischen neben der Führungsebene auch „einfache“ Mitglieder vor Gericht. Von abgeschlossenen bzw. laufenden §129a/b-Verfahren betroffen sind nach derzeitigem Stand und unserer Kenntnis 54 Aktivist:innen; neun Kurden befinden sich aktuell in deutschen Gefängnissen in Straf- bzw. U-Haft.

In den 129b-Prozessen beantragen die Verteidiger:innen die Rücknahme der Verfolgungsermächtigung, was auch während laufender Verfahren möglich wäre, aber durchgängig abgelehnt wird. Die Besonderheit besteht auch darin, dass die vom BMJV erteilten Vollmachten weder begründet werden müssen noch rechtlich angegriffen werden können.