Kurz nachdem die NATO durch Zugeständnisse die Türkei dazu brachte, dem Beitritt Finnlands und Schwedens zuzustimmen, besuchte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank auf Einladung des türkischen Generalstaatsanwalts Bekir Şahin vom 5. bis 7. Juli die Türkei. Zusammen mit dem deutschen Botschafter in Ankara, Jürgen Schulz, besuchte er den Kassationshofpräsidenten Mehmet Akarca und traf auch mit Präsident Tayyip Erdogan zusammen. Verdächtig ist der Besuch des Generalbundesanwalts insbesondere vor dem Hintergrund der Forderungen des Erdoğan-Regimes nach Auslieferungen und Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung in Europa. Dies regte die Bundestagsabgeordnete Clara-Anne Bünger (DIE LINKE) zur Nachfrage an.
Keine Auskünfte über Gespräche mit „internationalen Partnern“
Bünger fragte, was bei dem dreitätigen Besuch beim türkischen Generalstaatsanwalt Bekir Şahin, der u.a. den Verbotsantrag gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) befürwortet hat, in Ankara im Einzelnen besprochen worden sei und ob es insbesondere auch um Auslieferungsanträge gegangen sei. Die Bundesregierung reagierte schmallippig und erklärte, es werde keine Auskunft zu solchen vertraulichen Gesprächen zwischen „Partnern“ geben und es seien dabei keine Auslieferungsanträge übergeben worden.
Bünger: „Bundesregierung entzieht sich ihrer Verantwortung“
Bünger kritisiert das Verhalten der Bundesregierung mit den Worten: „Gerade vor dem Hintergrund der gravierenden Menschenrechtsverletzungen u.a. gegen Journalist:innen, Kurd:innen und Regierungskritiker:innen durch die türkische Regierung dürfen derartige Dienstreisen und deren Inhalte der Öffentlichkeit nicht verschwiegen werden. Wie so oft entzieht sich die Bundesregierung hier ihrer Verantwortung, anstatt transparent zu agieren. Diese Ausweichstrategie zur Vermeidung berechtigter öffentlicher Kritik passt nicht in das Bild einer sog. ,Fortschrittskoalition‘.“
„Überraschungstreffen“ mit Erdoğan
Die Abgeordnete fragte auch nach dem Hintergrund des Treffens mit dem türkischen Regimechef Recep Tayyip Erdoğan und warum diese Reise nicht öffentlich angekündigt worden sei. Auch hier antwortete die Bundesregierung, es entspreche „ständiger Praxis der Bundesanwaltschaft, Dienstreisen des Generalbundesanwalts nicht vorher öffentlich anzukündigen. Das Gespräch von Generalbundesanwalt Dr. Frank mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan kam am 6. Juli 2022 kurzfristig und für den Generalbundesanwalt überraschend auf Initiative der türkischen Seite zustande.“
Bünger zweifelt an der „Überraschung“ und kommentiert: „Dass die Bundesregierung Einzelheiten der Reise von Generalbundesanwalt Dr. Frank nach Ankara und insbesondere sein Treffen mit Präsident Erdoğan der Öffentlichkeit vor Reiseantritt vorenthalten hat, ist schon alarmierend genug. Doch nun weigert sie sich auch im Nachhinein, Fragen zu detaillierten Gesprächsinhalten des Treffens mit dem türkischen Generalstaatsanwalt Bekir Şahin zu beantworten und stellt die Einladung Erdoğans ausweichend als ‚überraschend‘ dar.“
Bundesregierung bedient sich Taschenspielertrick
Offenbar scheint sich Bundesregierung hier eines Taschenspielertricks zu bedienen, um nichts zu der Übergabe von Auslieferungslisten zu sagen. Die türkische Staatspresse sprach immerhin von 129 Namen, die an den Generalbundesanwalt übergeben worden seien. Auf der Liste sollen sich unter anderem die Namen von kritischen Journalist:innen im Exil befinden. Da die Liste offenbar von Erdoğan und nicht vom Generalstaatsanwalt Şahin übergeben wurde, kann die Bundesregierung ohne zu lügen sagen, dass sie vom Generalstaatsanwalt keine bekommen habe. So wird allerdings bewusst die Öffentlichkeit getäuscht, denn das öffentliche Interesse an der Übergabe einer solchen Liste geht, unabhängig von wem sie übergeben wurde, deutlich aus der Frage hervor.