Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen
Am Oberlandesgericht (OLG) München hat der Prozess gegen ein irakisches Ehepaar begonnen, das im Einflussgebiet der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zwei ezidische Mädchen versklavt, körperlich misshandelt und sexuell missbraucht haben soll. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen unter anderem Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen vor.
Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft gehörten Twana H. S. und Asia R. A. zwischen Oktober 2015 und Dezember 2017 im Irak sowie in Syrien dem IS als Mitglieder an. Auf Wunsch der Frau soll der Mann im Herbst 2015 auf einem Basar in Mossul ein damals fünfjähriges ezidisches Mädchen als Sklavin gekauft haben – als „Brautgabe“. Das Kind wurde demnach über zwei Jahre lang von dem Paar gefangen gehalten und systematisch ausgebeutet, wirtschaftlich als Arbeitskraft sowie sexuell ausgebeutet, erniedrigt, gequält und vergewaltigt.
2017 habe das Ehepaar ein weiteres ezidisches Mädchen, damals zwölf Jahre alt, gekauft und in ähnlicher Weise misshandelt. In der Anklageschrift ist unter anderem von Schlägen mit einem Besenstiel, Verbrühungen mit heißem Wasser und Zwang zu islamischen Gebeten die Rede. Die Kinder wurden laut Anklage später an andere IS-Söldner übergeben. Während das ältere Mädchen von seiner Familie freigekauft werden konnte, ist das Schicksal des jüngeren Kindes weiter unklar.
Prozessbeginn von Zwischenfällen überschattet
Zum eigentlichen Prozessauftakt kam es zunächst nicht. Der männliche Angeklagte Twana H. S. behauptete, zu krank für die Verhandlung zu sein. Während seiner Haft in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen sei er „zusammengeschlagen, unter Drogen gesetzt»“ und „monatelang“ in einer kargen Kellerzelle isoliert worden – ohne Zugang zu persönlichen Gegenständen oder juristischem Beistand.
Diese Vorwürfe wurden vor Gericht erstmals öffentlich geäußert. Laut Gerichtssprecher hatte weder der Angeklagte noch seine Verteidigung zuvor entsprechende Beschwerden vorgebracht. Die Justizvollzugsanstalt bestritt die Anschuldigungen. Der Mann sei zu keinem Zeitpunkt in den besonders gesicherten Hafträumen untergebracht gewesen. Auch die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt inzwischen in dem Zusammenhang.
Ein hinzugezogener Arzt bescheinigte Twana H. S. nach einer längeren Unterbrechung schließlich die Verhandlungsfähigkeit, sodass zumindest noch die Anklageschrift verlesen werden konnte. Der Prozess soll kommenden Montag fortgesetzt. Die mitangeklagte Asia R.A. will laut ihrer Verteidigung in der darauffolgenden Woche eine Aussage machen. Ihr Ehemann werde vorerst schweigen.
Ezidische Opfer des IS-Terrors
Die Verfolgung und Versklavung ezidischer Frauen und Kinder durch den sogenannten Islamischen Staat ist eines der schwerwiegendsten Kapitel der jüngeren Konfliktgeschichte im Nahen Osten. Tausende Frauen und Mädchen wurden beim Genozid und Feminizid des IS in Şengal im August 2014 entführt, verkauft und sexuell versklavt, rund 10.000 Menschen ermordet. Inzwischen bemühen sich internationale Gerichte, diese Verbrechen strafrechtlich aufzuarbeiten.
Ein früherer Prozess am OLG München hatte bereits bundesweite Beachtung gefunden: Die deutsche IS-Anhängerin Jennifer W. wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, weil sie den Tod eines von ihr versklavten ezidischen Mädchens tatenlos hingenommen hatte. Das Kind war bei sengender Hitze an eine Hauswand gekettet und verdurstet.