Voll mandatiertes Gremium
Die Ko-Vorsitzenden der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan, haben gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden Sezai Temelli und Gülistan Kılıç Koçyiğit politische Gespräche mit der Saadet-Partei sowie der DEVA-Partei geführt. Die Treffen fanden am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Laut einer im Anschluss veröffentlichten Mitteilung der DEM standen zentrale Themen zur demokratischen Zukunft der Türkei im Fokus der Gespräche. Besprochen wurden unter anderem die jüngsten Kontakte der Imrali-Delegation mit dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan sowie die Beschlüsse des 12. Kongresses der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der vor zwei Wochen in den Medya-Verteidigungsgebieten stattgefunden hatte.
Gespräch der DEM mit dem DEVA-Vorsitzenden Ali Babacan | Handout/DEM
Vorschlag: Vollumfänglich mandatierte Kommission
Im Rahmen der Gespräche unterstrich die DEM-Partei die Notwendigkeit, dass das türkische Parlament eine aktivere Rolle in politischen Lösungsprozessen übernehmen müsse. Die Delegation schlug vor, unter dem Dach der Nationalversammlung eine vollumfänglich mandatierte Kommission einzurichten, in der alle politischen Strömungen vertreten sein sollen. Ziel sei es, die demokratische Verständigung in der Türkei zu fördern und strukturelle Reformprozesse auf den Weg zu bringen.
Zwei Kommissionsvorschläge, zwei Welten
Nur einen Tag zuvor hatte der Vorsitzende der rechtsextremen MHP, Devlet Bahçeli, ein ganz ähnliches Modell ins Spiel gebracht. In einer Erklärung forderte er die Gründung einer 100-köpfigen Kommission im Parlament, um die „nationale Einheit“ zu stärken und mögliche „Gefahren für die Staatlichkeit“ zu analysieren. Auch Bahçeli sprach sich damit für eine parlamentarische Plattform aus – allerdings mit völlig anderer politischer Zielsetzung.
Demokratischer Dialog oder nationale Kontrolle?
Die Initiative der DEM ist Teil eines langfristigen politischen Projekts. Sie sieht die Kommission als Mittel zur Demokratisierung und zur friedlichen Lösung struktureller Konflikte, insbesondere im Hinblick auf die kurdische Frage. Ihr Vorschlag richtet sich ausdrücklich auf die Integration aller politischen Strömungen und die Förderung einer demokratischen Verständigungskultur.
Dabei geht es auch um die Aufarbeitung und politische Einbettung jüngster Entwicklungen rund um Abdullah Öcalan und den PKK-Kongress. Die DEM steht damit im Spannungsfeld zur aktuellen politischen Praxis in der Türkei, die zunehmend auf Repression statt Aushandlung setzt.
Bahçelis Vorschlag einer 100-köpfigen Kommission ist hingegen als reaktive Maßnahme zu verstehen – gegen das, was die MHP als „Separatismus“ und „Bedrohung der nationalen Einheit“ wahrnimmt. Die Zielrichtung ist offensichtlich: Staatliche Einheit festigen, „subversive Tendenzen“ kontrollieren, dabei mögliche politische Öffnungen von vornherein ausschließen. Bahçeli nennt zwar ebenfalls das Parlament als Ort der Kommission, aber nicht als Raum für pluralistischen Dialog. Vielmehr scheint es um ein quasi-aufsichtsrechtliches Gremium zu gehen, das nationale Sicherheitsinteressen definieren und schützen soll.
Weitere Gespräche angekündigt
Die Gesprächsreihe der DEM-Partei soll indes am morgigen Dienstag mit Besuchen bei der größten Oppositionspartei CHP und der Neuen Wohlfahrtspartei (YRP) fortgesetzt werden. Für kommenden Freitag ist ein weiteres Treffen mit der Zukunftspartei geplant. Laut eigenen Angaben beabsichtigt die Partei auch, Gespräche mit der regierenden AKP sowie der ultranationalistischen MHP zu führen.