Prozess gegen türkisches Todeskommando in Belgien

In Belgien ist Anklage wegen des 2017 geplanten Attentats auf die kurdischen Politiker Remzi Kartal und Zübeyir Aydar erhoben worden. Der Prozessauftakt ist heute. Erstmalig wird damit in Europa gegen ein türkisches Todeskommando ermittelt.

In Belgien ist Anklage wegen des 2017 geplanten Attentats auf Remzi Kartal, Ko-Vorsitzender des Kongra Gel, sowie Zübeyir Aydar, Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) erhoben worden. Es liegen konkrete Hinweise auf Verbindungen nach Ankara vor. Die Ermittlungsakte stand lange Zeit unter Geheimhaltung.

Eigentlich sollte das zuständige Gericht in Brüssel bereits am 27. April über die Klageerhebung entscheiden. Die Entscheidung wurde jedoch hinausgeschoben. Nach Angaben von ermittlungsnahen Quellen hat die belgische Staatsanwaltschaft die Prozesseröffnung zunächst nicht für notwendig erachtet und „auf merkwürdige Weise“ eine Einstellung des Verfahrens angeregt.

Der Prozessauftakt ist am heutigen Freitag. In Europa wird damit erstmalig gegen ein türkisches Todeskommando ermittelt. Informierte Quellen mit Einsicht in die Ermittlungsakte berichten von wichtigen Erkenntnissen. Die direkten Verbindungen nach Ankara stechen besonders hervor.

Das Zentrum des Todeskommandos befindet sich demnach in Frankreich. Die bisher gesammelten Informationen deuten darauf hin, dass dieses an Ankara gebundene Netzwerk aus Agenten und Auftragskillern von Paris aus operiert. Darüber sind auch die französischen Behörden im Bilde. Die durch belgische Justizbehörden von Frankreich erbetenen Auskünfte wurden teilweise erteilt. Diverse Protokolle von abgehörten Telefonaten, Fotos und Dokumente der Verdächtigen legen sowohl ihre Beziehung untereinander als auch Verbindungen zum Palast dar.

Im Vordergrund der Ermittlungen stehen verschiedene Namen. Ganz oben auf der Liste sind Zekeriya Çelikbilek, ein ehemaliger Soldat der türkischen Armee mit Wohnsitz in Paris, und Yakup Koç. Letzterer hielt sich in diversen europäischen Ländern auf. Es handelt sich um jene Personen, die im Juni 2017 beim Ausspähen der KNK-Zentrale im belgischen Brüssel von der Polizei observiert worden waren. In der schwarzen Mercedes-Limousine saß neben Zekeriya Çelikbilek und Yakup Koç, der sich als „Albay" (Oberst) vorstellte und einen türkischen Polizeiausweis bei sich trug, auch Hacı Akkulak. Der kurdischstämmige Mann war von dem Todeskommando zur Informationsgewinnung für den türkischen Nachrichtendienst angeworben worden. Als er erkannte, dass das eigentliche Ziel darin bestand, politische Attentate an Kurden zu begehen, informierte er die kurdischen Stellen und die belgische Polizei. Ein weiterer Verdächtiger ist Necati Demiroğlulları aus Gent. Der türkische Geschäftsmann gilt als Logistikverantwortlicher des Attentatskommandos. Außerdem ist er der Schwiegersohn von Yakup Koç.

Im Fokus der Ermittlungen steht darüber hinaus eine Vielzahl von Personen mit Kontakten zu Spitzenpolitikern der türkischen Regierung. ANF hatte im März Fotos veröffentlicht, die Zekeriya Çelikbilek im Garten des Präsidentschaftspalastes in Beştepe sowie in der türkischen Botschaft in Paris zeigen. Auf einem Bild ließ er sich mit Ismail Hakki Musa ablichten, dem früheren Botschafter der Türkei in der französischen Hauptstadt. In der Ermittlungsakte der belgischen Staatsanwaltschaft wird Musa als „Koordinator“ des Todeskommandos geführt, das bei den Anschlagsvorbereitungen in Brüssel aufgeflogen war. Der Diplomat ist die ehemalige Nummer zwei des türkischen Geheimdienstes und gilt als Verantwortlicher für Auslandsaktionen. Als solcher spielte er vermutlich eine Rolle bei den Morden an den drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013 in Paris. Am 14. März 2021, als sich die Verdächtigungen gegen ihn erhärteten, gab Musa das Ende seiner Amtszeit als türkischer Botschafter bekannt und kehrte zurück in die Türkei.