Mammutprozess gegen Kerem Schamberger
Gegen den Aktivisten Kerem Schamberger wird am 1. Oktober am Amtsgericht München ein Verfahren eröffnet, das insgesamt 13 Anklagepunkte erfasst. Zwei Sitzungstage sind bisher dafür anberaumt.
Gegen den Aktivisten Kerem Schamberger wird am 1. Oktober am Amtsgericht München ein Verfahren eröffnet, das insgesamt 13 Anklagepunkte erfasst. Zwei Sitzungstage sind bisher dafür anberaumt.
Gegen den Aktivisten Kerem Schamberger wird am 1. Oktober am Amtsgericht München ein Verfahren eröffnet, das insgesamt 13 Anklagepunkte erfasst. Zwei Sitzungstage sind bisher dafür anberaumt. Es geht dabei vor allem um die Solidarität mit den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ in Rojava, die die Staatsanwaltschaft München versucht zu kriminalisieren. Kerem Schamberger ist in Bayern nicht der Einzige, gegen den wegen des Zeigens von Symbolen der kurdischen Freiheitsbewegung ermittelt wurde. Schon mehrfach kam es zu sogenannten „Fahnenprozessen“, die meist mit Freisprüchen endeten, woraufhin die Münchner Staatsanwaltschaft dann prompt in Berufung ging. Jetzt will die Justiz offenbar ein Exempel statuieren.
Was genau wird Kerem Schamberger vorgeworfen?
Laut Anklageschrift geht es insgesamt zehn Mal um das öffentliche Zeigen von Symbolen der kurdischen YPG/YPJ und der Partei der Demokratischen Einheit PYD. Die Kennzeichen wurden sowohl online geteilt als auch auf verschiedenen Demonstrationen mitgeführt, unter anderem gegen den türkischen Angriffskrieg auf Efrîn und auf der DGB-Demo zum Internationalen Tag der Arbeit. Auch ein Bericht in der Abendzeitung dient als „Beweis“. Ein Foto zu diesem Bericht anlässlich der Demonstration gegen die Nato-Kriegskonferenz 2018 zeigt neben dem Friedensaktivisten Claus Schreer und dem kurdischen Aktivisten und Migrationsbeiratsmitglied Azad Bingöl auch Schamberger mit dem Logo der YPG. Die Staatsanwaltschaft München begründet die Anklagen damit, dass damit „eigentlich“ Symbole der Arbeiterpartei Kurdistans PKK gezeigt werden. Zurückgegriffen wird dabei auf ein Rundschreiben des BMI vom 2. März 2017, in dem das Kennzeichenverbot der PKK von 1993 aktualisiert und jetzt auch das Zeigen der YPG/YPJ-Fahnen „im PKK-Kontext“ unter Strafe gestellt wird. Es wird unterstellt, die PKK bediene sich ersatzweise der Symbole der Volksverteidigungseinheiten. Ausdrücklich handele es sich dabei aber nicht um ein Verbot der YPG/YPJ, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten und innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion Ulla Jelpke hervorgeht.
Verleumdungsklagen wegen Facebook-Post und Zitate aus Anklageschriften
Ein weiterer Anklagepunkt bezieht sich auf einen Facebook-Post, den Schamberger nach einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung verfasste. Beteiligt waren dabei auch türkisch-stämmige Polizeibeamte, die ihm von Demonstrationen bekannt waren. In einem Bericht auf der Online-Plattform bezeichnete Schamberger sie als „türkisch-nationalistisch“, was eine Verleumdungsklage zur Folge hatte.
Die beiden letzten Anklagepunkte beziehen sich auf das Zitieren im Wortlaut aus Anklageschriften oder anderen amtlichen Schriftstücken in Strafverfahren.
Schamberger hatte den Durchsuchungsbeschluss seiner Wohnung sowie einen Beschluss des Amtsgerichts Aachen über die Ablehnung eines YPG-bezogenen Strafbefehls teilweise geschwärzt veröffentlicht. In beiden Fällen waren keine persönlichen Daten von Betroffenen oder Beteiligten zu erkennen.
Verteidigerteam
Kerem Schamberger wird in diesem Mammutprozess vertreten von den Anwälten Berthold Fresenius (Frankfurt) und Yunus Ziyal (Nürnberg), die beide langjährige Erfahrung in politischen Prozessen haben. Sie vertreten unter anderem seit Jahren Angeklagte im Münchner TKP/ML-Prozess gegen zehn türkische Kommunist*innen. Fresenius war auch in der NSU-Nebenklage aktiv.
Es ist ein politischer Prozess
Der bevorstehende Prozess gegen Schamberger dürfte auch weitere, noch ausstehende Verfahren in Bayern wegen YPG/YPJ-Symbolen beeinflussen. Es ist zweifellos ein richtungsweisendes Verfahren, in dem sich zeigen wird, ob die Staatsanwaltschaft in München die Kriminalisierung der Freiheitsbewegung wird durchsetzen können.
Kerem Schamberger erklärt zum Prozess: „Es ist für mich eindeutig, dass die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft gegen mich rein politischer Natur sind. Es geht um Einschüchterung und Disziplinierung.“
Der Münchner Aktivist war wegen seines politischen Engagements schon früher mit Schikanen konfrontiert. 2014 kündigte die Commerzbank das Konto seiner Mutter, weil er sich als Kommunist kritisch über Banken geäußert hatte. 2016 war er von einem Berufsverbot an der Münchner Universität bedroht.
Schamberger ist überzeugt: „Es geht darum, kritische Stimmen in Bayern mundtot zu machen. Doch dies wird nicht gelingen, solange wir zusammenstehen. Wir werden den Prozess deshalb politisch führen, entsprechende Zeugen einladen und zeigen, dass dieses Vorhaben der Staatsanwaltschaft nicht aufgehen wird. Meine Solidarität gilt denjenigen Kräften in Rojava/Nordsyrien, die für die Befreiung der Frau, für eine emanzipierte Gesellschaft und gegen den sogenannten Islamischen Staat kämpfen. Das sind nach wie vor die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ. Sie verteidigen mit ihrem Kampf auch unsere Freiheit.“
Aufforderung zur Prozessbeobachtung
Der Prozess gegen Kerem Schamberger beginnt am Dienstag, den 1. Oktober 2019. An diesem ersten Verhandlungstag sind von der Staatsanwaltschaft acht Polizeibeamte als Zeugen vorgeladen, darunter vor allem sogenannte „Staatsschützer“. Der nächste Termin wird Dienstag, der 15. Oktober 2019 sein. Die Verhandlungen beginnen jeweils um 09.30 Uhr und finden statt im Amtsgericht München, Nymphenburger Straße 16, jeweils im Sitzungssaal A221. Schamberger rechnet mit einem hohen Besucherandrang und rät Prozessbeobachter*innen, rechtzeitig vor Ort zu sein.