Der Volkskongresses Kurdistan, KONGRA-GEL, kritisiert nach dem Ankara-Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel die Annäherung an die Türkei und verurteilt das Vorgehen der europäischen Staaten: „Die Tatsache, dass die gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen über alle grundlegende Probleme gestellt werden, hat einmal mehr das wahre Gesicht der EU und des Europarats deutlich gemacht.“
„Menschenrechte gehören nicht zu den Prioritäten von EU und Europarat“
Weiter heißt es in der am Mittwoch abgegebenen Stellungnahme: „Wie aus den Erklärungen hervorgeht, gehören Menschenrechte, Demokratie, Zwangsverwalter, die kurdische Frage in der Türkei, das Verbotsverfahren gegen die HDP, der Versuch die gesamte Opposition zum Schweigen zu bringen, die Rücknahme der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt, die Femizide, die Verarmung, die Suizide und die Zehntausenden von politischen Gefangenen nicht zu den Prioritäten der EU und des Europarats. Die Tatsache, dass die gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen über alle grundlegende Probleme gestellt werden, hat einmal mehr das wahre Gesicht der europäischen Institutionen deutlich gemacht.
„Toleranz der EU und des Europarats Hauptgrund für Fortführung des Spezialkriegs“
Die große Toleranz, welche die EU und der Europarat Erdoğan entgegenbringen, während dieser mit seiner AKP/MHP-Koalition die universellen Prinzipien der Menschenrechte und Demokratie missachtet und gegen das kurdische Volk vorgeht, ist der Hauptgrund dafür, warum diese Spezialkriegsregierung ihre Massaker am kurdischen Volk ohne Angst vor Sanktionen fortsetzen kann. In diesem Sinne sind die EU und der Europarat Komplizen des AKP/MHP-Regimes bei allen seinen Verbrechen.
Das Europäische Komitee zur Verhinderung von Folter (CPT) hatte in seinem Imrali-Bericht schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Obwohl sich eine Abordnung des CPT am 11. und 25. Januar 2021 in der Türkei aufhielt, hat kein Besuch auf der Gefängnisinsel Imrali stattgefunden, um die Probleme, die das Komitee selbst in seinem vorherigen Bericht zum Ausdruck gebracht hatte, zu kontrollieren. Das zeigt deutlich die heuchlerische Politik des Europarats in der kurdischen Frage. Diese einer Lösung entgegengesetzte Politik bildet die Grundlage für das faschistische AKP/MHP-Regime, alle Arten von Repression und Gewalt auszuüben.
„Die EU ist aufgrund ihres Schweigens mitschuldig an Verbrechen in Efrîn“
Die EU ist aufgrund ihres Schweigens zur Besatzung mitschuldig an allen Verbrechen, die in Efrîn begangen werden, an der zwangsweisen Veränderung der Demografie, den Entführungen, Vergewaltigungen und Morden sowie dem Verkauf verschleppter Frauen in arabische Staaten wie Katar und vielen anderen Verbrechen.
Die EU unterstützt die Ansiedlung von Söldnern und ihren Familien materiell durch die Unterstützung des Baus ihrer Häuser an Stelle der Häuser der vertrieben Bevölkerung von Efrîn. Daher ist die EU direkt verantwortlich an Genozid und Zwangsvertreibung. Die EU ignoriert den Völkermord in Efrîn und unterstützt die Söldnertruppen des türkischen Staates in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht.
„EU verleiht türkischem Faschismus Legitimität“
Die Ursache des Staatsterrorismus und des umfassenden Krieges gegen das kurdische Volk ist die monistisch-faschistische türkische Staatspolitik, die auf Leugnung und Vernichtung der Kurdinnen und Kurden beruht. Dennoch verleiht die bedingungslose Unterstützung der EU dieser in Bezug auf die kurdische Frage auf Sicherheitspolitik zentrierten türkischen Staatspolitik Legitimität.
Ohne die Unterstützung der EU gäbe es für den türkischen Staat keine Möglichkeit, seine auf Leugnung und Vernichtung beruhende Politik fortzusetzen. Das monistische faschistische türkische Staatssystem, das aufgrund des angeblich zur Terrorismusbekämpfung geführten Kriegs gegen das kurdische Volk eine schwere soziale und politische Krise durchlebt, befindet sich zum ersten Mal an einem derart deutlichen Tiefpunkt.
„Dem Faschismus eine Atempause gönnen“
In dieser Phase hätten die EU und der Europarat eine wichtige Rolle, ähnlich der, die sie bei der Lösung der Probleme im Mittelmeerraum einnehmen, bei der Lösung der kurdischen Frage und der Schaffung einer echten Demokratie in der Türkei spielen können. Dies wäre im Interesse aller Beteiligten gewesen. Eine solche Situation hätte auch einen demokratischen Wandel in der Region und im gesamten Mittleren Osten unterstützt. Die EU und der Europarat haben es jedoch vorgezogen, die auf Krieg beharrende faschistische AKP/MHP-Allianz zu stützen und dem Faschismus eine Atempause zu gönnen. Sie unterstützen den türkischen Faschismus, der für großes Leid für die Völker in Kurdistan und der Türkei sowie in der ganzen Region verantwortlich ist, damit er sich auf den Beinen halten kann.
„Dennoch wird der türkische Faschismus fallen“
Trotz der Politik der EU und des Europarats, Menschenrechte und Demokratie ihren wirtschaftlichen Interessen opfern, wird es ihnen jedoch nicht möglich sein, die Lebensdauer der AKP/MHP-Regierung zu verlängern. Es ist der Kampf der demokratischen Kräfte der Völker Kurdistans und der Türkei, der die Dauer des Fortbestehens des Faschismus bestimmen wird. In diesem Sinne haben die demokratischen Kräfte eine historische Chance. Die Wut der Völker über Hunger, Armut, Verfolgung und Massaker wächst von Tag zu Tag.
„Vereint im Geist von Newroz und Gezi“
Das Volk Kurdistans hat seine Haltung im Geiste von Gare und Newroz gezeigt. Der Faschismus eskaliert seine Angriffe angesichts der eindeutigen Botschaft von Newroz immer weiter. Angesichts dieser Angriffe gibt es in allen Teilen der Gesellschaft in der Türkei Widerspruch. Der Geist des Gezi-Aufstands erfasst alle Verfolgten, alle Unterdrückten, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Jugend, die Studierenden und die vom Unrecht Geplagten. Als Völker Kurdistans und der Türkei befinden wir uns in einem Prozess, in dem sich der Geist von Gezi und Newroz vereinen.
„Wir haben die Kraft den Faschismus zu besiegen“
Dieser Prozess bedeutet einen Zusammenbruchs des Faschismus. Keine Macht kann die Völker aufhalten, die für Freiheit und Demokratie einstehen. Wenn die demokratischen Kräfte den Kampf verstärken und dem AKP/MHP-Faschismus den Weg versperren, müssen Mächte wie die EU und der Europarat ihre Politik im Sinne ihres eigenen Vorteils ändern.
Wir rufen die demokratischen Kräfte Kurdistans und der Türkei auf: Lasst uns auf uns selbst und unsere Völker vertrauen, wir haben die Kraft, den Faschismus zu besiegen. Das faschistische Regime befindet sich in größeren Schwierigkeiten, als es glaubt. Der Grund, warum der Staat so vehement angreift, ist nicht seine Stärke, sondern weil er in die Enge getrieben ist.
Als demokratische Kräfte müssen wir die Menschen in dem Bewusstsein und der Überzeugung, dass wir größere Erfolge denn je erzielen werden, anführen. Wir müssen diesem historischen Prozess, den Prozess des Zusammenbruchs des Faschismus, mit einer Haltung begegnen, die Vertrauen schafft und Hoffnung auf den Sieg macht. Wir müssen eine Einheit der wahrhaft demokratischen Kräfte anstreben und alle, die sich dem Faschismus widersetzen, ohne Unterschied erreichen und organisieren. Im Geiste von Newroz und Gezi grüßen wir alle, die den Kampf für Demokratie und Freiheit führen, und wünschen ihnen viel Erfolg."