EU-Spitzen machen Ankara Zugeständnisse

Die EU zeigt sich in Ankara „besorgt“ über die Menschenrechtslage in der Türkei, Konsequenzen werden aber nicht gezogen. Stattdessen gibt es von den EU-Spitzen Zuckerbrot en masse.

Die Spitzen der Europäischen Union haben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan einen Neustart der Beziehungen angeboten. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen könnte dies die Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, eine Modernisierung der Zollunion und eine intensivere Kooperation bei Zukunftstechnologien im Bereich Umwelt und Digitales umfassen. Außerdem wurden der Türkei weitere Finanzhilfen für die rund vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien in Aussicht gestellt. Ankara müsse aber die Rückführung „illegaler Migranten” von den griechischen Inseln wieder aufnehmen. Diese hatte Ankara im vergangenen Sommer ausgesetzt.

Von der Leyen sprach von einem „guten ersten Treffen” mit Erdoğan, den sie nach einem Jahr wieder erstmals traf. Die Türkei habe Interesse gezeigt, „in konstruktiver Weise” mit Europa ins Gespräch zu kommen. Demgegenüber sei die EU bereit, vor dem Gipfel ihrer 27 Staats- und Regierungschefs im Juni an einer „neuen Dynamik” der Beziehungen zu arbeiten. Wichtig sei für Brüssel, dass die Türkei konstruktiv nach einer Lösung von Konflikten mit den EU-Ländern Griechenland und Zypern sucht. Beide Seiten stünden aber erst „am Beginn einer Straße“, sagte von der Leyen. Erst die kommenden Monate würden zeigen, „wie weit wir auf dieser Straße gemeinsam gehen können”. EU-Ratspräsident Charles Michel betonte, dass jedes Entgegenkommen gegenüber Ankara „schrittweise” erfolgen werde und „umkehrbar” sein müsse.

Der Besuch der EU-Spitzen bei Erdoğan war im Vorfeld von zahlreichen Mitgliedern des EU-Parlaments und des Bundestags als falsches Signal kritisiert worden. In einem Brief von Abgeordneten verschiedener Fraktionen des Europaparlaments hieß es etwa, „Erdoğans neue Türkei ist ein zunehmend autokratisches Land, das wir nur schwer als legitimen Partner anerkennen können.” Michel und von der Leyen klagten zwar über Rückschritte in der Menschenrechtspolitik und kritisierten bei der Pressekonferenz, die ohne Erdoğan stattfand, den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt, Einschränkungen der Meinungsfreiheit und das Vorgehen gegen politische Parteien wie etwa die HDP, die sich mit einem Verbotsantrag konfrontiert sieht. Von einer Peitsche war dennoch nichts zu sehen, nur das Zuckerbrot hatten die EU-Spitzen mit in ihrem Gepäck.