EU-Spitzen reisen zu Treffen mit Erdoğan in die Türkei

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel reisen am Dienstag kommender Woche in die Türkei. Dort treffen sie sich mit Präsident Erdoğan.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel reisen am Dienstag kommender Woche in die Türkei. Wie EU-Sprecher Barend Leyts am Montag mitteilte, ist dort ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geplant. Die Reise folgt auf die Zugeständnisse der EU an die Türkei beim Gipfel von vergangener Woche.

Ungeachtet der Aushebelung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten hatten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs Erdoğan bei ihrem Video-Gipfel am Donnerstag eine verstärkte Wirtschaftszusammenarbeit und weitere Finanzhilfen für die Versorgung von syrischen Geflüchteten in Aussicht gestellt. Konkret hatte der EU-Gipfel der Regierung in Ankara Gespräche über eine Ausweitung der Zollunion und eine Visaliberalisierung für türkische Staatsangehörige angeboten. Zu dem Paket gehört zudem die Wiederaufnahme von Gesprächen auf hochrangiger Ebene, die nun durch den Besuch von der Leyens und Michels umgesetzt wird. Einzige Voraussetzung ist, dass sich die Türkei weiter kooperationsbereit im Konflikt mit den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern um die Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer zeigt.

Bei all diesen Zugeständnissen handelt es sich mehr oder weniger um alle Themen, die Ankara seit gut einem Jahr von der EU fordert. Menschenrechte spielen für die EU ganz offensichtlich keine zentrale Rolle und auch ein Ausschlussverfahren aus dem Europarat, weil die Türkei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ignoriert, scheint wieder vom Tisch. Treibendes Element hinter dieser Appeasementpolitik mit dem Diktator Recep Tayyip Erdoğan ist die Bundesregierung, die nicht nur aus historischen Gründen ein deutliches Interesse an guten Beziehungen zum Regime in der Türkei hat.

Menschenrechtsorganisationen hatten im Vorfeld des Gipfels vergeblich an Europa appelliert, dass über eine „positive Agenda“ mit der Türkei nur durch eine Beendigung der Angriffe auf Oppositionelle und messbare Fortschritte bei der Menschenrechtslage verhandelt werden dürfte. Erdoğan demontiere den Schutz von Menschenrechten und demokratischen Normen in einem Ausmaß, das in seinen 18 Jahren an der Macht so noch nie da gewesen sei, hatte etwa die Organisation Human Rights Watch (HRW) erklärt. Auf das Verbotsverfahren gegen die HDP, das vorletzte Woche eingeleitet wurde, und den Mandatsentzug des Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu folgte zuletzt in einer Nacht- und Nebelaktion der Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Die EU bleibt weiterhin nur „besorgt“.