Die Regierung des US-Präsidenten Biden wird im Namen des globalen Kapitalismus einen „neuen Kalten Krieg“ gegen Russland und China eröffnen. Auf dem bevorstehenden NATO-Gipfel werden solche Maßnahmen diskutiert werden, um zu verhindern, dass sich der chinesische und russische Kapitalismus gegen den westlichen Kapitalismus durchsetzen und die Welthegemonie ergreifen kann.
„Aktive Neutralität“ im neuen Kalten Krieg
Um es gleich vorneweg zu sagen: Dieser „neue Kalte Krieg“ kann nicht mit dem „alten Kalten Krieg“ gegen die Sowjetunion in einen Topf geworfen werden. Der alte Kalte Krieg war ein Krieg der imperialistischen Staaten mit dem Ziel, die sozialistischen Staaten zum Zusammenbruch zu bringen. Der neue Kalte Krieg wird ein Krieg zwischen globalen Giganten und Atommächten sein. Egal, wer den Kalten Krieg beginnt, es gibt keine Partei, die wir in diesem Krieg unterstützen oder ablehnen können. Der Charakter des Kalten Krieges ist die imperialistische Rivalität zwischen Staaten, die die Vorherrschaft auf den Weltmärkten erlangen wollen. Demokratische Kräfte sollten eine Position der aktiven Neutralität, das heißt des „Dritten Wegs“ einnehmen. „Passive Neutralität“ bedeutet zuzuschauen, während andere kämpfen. „Aktive Neutralität“ bedeutet, die Widersprüche zwischen den Konfliktparteien zur Verteidigung der Menschheit, der unterdrückten Völker, der Frauen und des ökologischen Lebens zu nutzen.
Erdoğan für Vernichtung von Kurdistan und PKK zu jedem Zugeständnis bereit
Auf dem NATO-Gipfel wird sich die Biden-Administration mit ihren Verbündeten versammeln, um diese hinter sich in diesem Krieg zu vereinen. Währenddessen wird es Erdoğan darum gehen, seine eigene Macht im Austausch für seine Teilnahme am „neuen Kalten Krieg" zu sichern und den Status quo nach dem Ersten Weltkrieg in allen vier Teilen Kurdistans neu zu zementieren. Abgesehen von diesen beiden Punkten wird er bereit sein, jedes Zugeständnis zu machen, das die NATO von ihm verlangt.
Erdoğan-Regime ist für NATO nutzlos geworden
Das Erdoğan-Regime ist jedoch zunehmend zu einem „nutzlosen“ Instrument für die NATO geworden. Der neue Kalte Krieg wird zunächst ein großer ideologischer Propagandakrieg sein. Die Biden-Regierung wird Russland und China vorwerfen, „Menschenrechte“ zu verletzen. Im Gegensatz zum „alten Kalten Krieg“ haben China und Russland heute keine starken Freunde und es gibt keine starke Friedensbewegung im Westen. Wenn wir die Lage der Sowjetunion im direkt nach dem 2. Weltkrieg begonnenen alten Kalten Krieg betrachten, dann spielten die kommunistischen Parteien und die Friedensbewegung im Westen eine wichtige Rolle. Demgegenüber war der Kommunismus das Hauptziel der von den Vereinigten Staaten und Großbritannien geführten imperialistischen Front. Sie stand daher fest an der Seite aller faschistischen Diktaturen weltweit und die USA unterstützten diese nach Kräften.
Das ist heute nicht der Fall. Es gibt heute keinen Verbundstoff wie die Hoffnung auf den „Kommunismus“, der die Kraft hätte, „Demokratien und Faschismus“ an derselben Front zu vereinen. Im neuen Kalten Krieg, der unter dem Motto „Menschenrechte und Demokratie“ geführt wird, ist der türkische Staat, der durch den aktuellen „Pekergate“-Skandal endgültig entlarvt wurde, zu einem „nutzlosen“ Instrument geworden. Das bedeutet, dass die Vorbedingung für den Einsatz des türkischen Staates als Mittel im Kalten Krieg ein Ende der Ära Erdoğan ist. Erdoğan kann nicht mehr hochkommen. Im ideologischen Propagandakrieg gegen Russland und China kann er nicht einmal ein Wort sagen.
Die Türkei hat nicht mehr genug anzubieten
Wie gesagt, Erdoğans Forderung, seine Macht nicht zu stören, ist nicht mehr von Interesse. Daher kann er gegen Zugeständnisse auch keine Stabilisierung seiner Position mehr erwarten und auch die zweite Forderung ist hinfällig. Die Türkei hat nicht mehr genug anzubieten, um mit einer Unterwerfung und der Bereitschaft, „alles“ für die Garantie der Wiederherstellung des Status quo nach dem Zweiten Weltkrieg zu geben, Eindruck zu machen. Die Vereinigten Staaten und der Westen werden im Kalten Krieg gegen Russland ohne die Existenz eines Kurdistans „auf der Grundlage der Vernichtung der PKK“ keinen Erfolg haben. Es ist notwendig, die aktuellen Entwicklungen aus dieser Perspektive zu betrachten.
Erdoğan wird das gemeinsame Interesse der „vier Länder“, der Türkei, dem Iran, dem Irak und Syrien an einem „Mittleren Osten ohne Kurdistan“ auf dem NATO-Gipfel auf den Tisch legen. Er wird auch versuchen die US-Politik, die darauf abzielt, „die PKK zu zerschlagen und in Kurdistan präsent zu sein“, zu nutzen. Der Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Türkei liegt aber in den Zielen. Die USA wollen ein „Kurdistan ohne PKK“ und die Türkei einen „Mittleren Osten ohne Kurdistan“. Gemeinsames Interesse ist die Vernichtung der PKK.
Die Haltung der südkurdischen Regierung
Die Gebietskommandantur der HPG für die Regionen Metîna und Xabûr hat in dieser Hinsicht eine sehr bedeutsame Erklärung abgegeben. Die Guerilla warnte vor gefährlichen Folgen der Aktionen der PDK gegen die Guerilla. In der Erklärung hieß es: „Das Vorgehen, das die PDK zu diesem wichtigen Zeitpunkt an den Tag legt, stellt eine sehr gefährliche Initiative dar, die zu einem tiefen Konflikt zwischen kurdischen Kräften führen könnte. So etwas würde einen großen Schaden für alle Kurd:innen und ihr nationales Anliegen darstellen.“
Das Erdoğan-Regime wartet auf den Gipfel des Kalten Krieges, um sein Ziel, einen Mittleren Osten ohne Kurdistan durchzusetzen, zu erreichen. Die Schritte, die das Regime unternommen hat, um den türkischen Krieg gegen die PKK in Südkurdistan in einen interkurdischen Krieg zu transformieren, zahlen sich in dieser Hinsicht aus. Die Erklärung der HPG warnt vor dieser Gefahr.
Es droht ein Status wie zur Zeit Saddams
Wenn der Konflikt zwischen der PDK und den HPG nicht friedlich beigelegt werden kann und sich in einen umfassenden Krieg verwandelt, wird ohne Zweifel die irakische Zentralregierung eingreifen. In diesem Krieg werden die HPG Schaden erleiden, den eigentlichen Schaden trägt aber die PDK. Sie wird geschwächt werden und mit Sicherheit den irakischen Streitkräften die Möglichkeit zum Eingreifen geben. Selbst wenn der Iran und Syrien nicht sofort eingreifen, wird Südkurdistan zwischen der Türkei und dem irakischen Staat unter Druck geraten, und es wird so geschehen, wie es mit Kêrkûk und Mosul passiert ist. Das bedeutet, der Status der Saddam-Zeit wird zurückkehren. In einem solchen Fall wird auch Rojava verwundbar sein, und es wird ein „Rojava ohne PKK“ geschaffen werden. Gleichzeitig wird das US-Militär seine Präsenz im zerstörten Südkurdistan aufrecht erhalten.
Das ist das Ergebnis, das der türkische Staat mit seiner vollkommenen Unterwerfung unter die Vereinigten Staaten erreichen will. Der mutige Widerstand der Guerilla in Südkurdistan ist ein Kampf für das kurdische Volk. Es geht darum den Status zu erlangen, den es in allen vier Teilen Kurdistans verdient. Es muss jetzt darum gehen, die PDK von ihrer selbstmörderischen Haltung abzubringen und das Gebiet in Freundschaft und Geschwisterlichkeit zwischen HPG und Peschmerga gemeinsam zu befreien.
Und wie sieht es im Innern der Türkei aus? Die Opposition spricht immer noch von „parlamentarischer“ Arbeit gegen das faschistische Putschregime. Sobald Erdoğan und seine Komplizen zum Rücktritt gezwungen werden, wird das Regime zusammenbrechen. Nach vorgezogenen Wahlen werden Demokratie und Frieden kommen.
Quelle: Yeni Özgür Politika