Kongress der Gemeinden und Regionen Europas
Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) hat die Absetzung des Ko-Oberbürgermeisters der kurdischen Stadt Wan (tr. Van) kritisiert. Die vom türkischen Innenministerium angeordnete Amtsentlassung des DEM-Politikers Abdullah Zeydan und seine Ersetzung durch einen ernannten Regierungsbeamten sei „ein Anlass für ernste Besorgnis, der nicht einfach ignoriert werden darf“, erklärten die beiden Ko-Berichterstatter:innen des beratenden Gremiums innerhalb des Europarats, David Eray und Bryony Rudkin, am Dienstag in Straßburg.
Zweiter Mandatsraub an Abdullah Zeydan
Zeydan war vergangene Woche wegen angeblicher Unterstützung für die PKK nach dem sogenannten Anti-Terror-Paragraf zu knapp vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, am Samstag wurde er durch einen Zwangsverwalter ersetzt. Bereits nach der Kommunalwahl im März, bei der er 55,5 Prozent der Stimmen erhielt, gab es einen Mandatsraub in Wan. Ein Gericht hatte die Wählbarkeit Zeydans aberkannt. Begründet worden war dies mit einem Einspruch des Justizministeriums gegen einen früheren Gerichtsentscheid, der die Bürgerrechte des fünf Jahre lang unter Terrorvorwürfen inhaftierten Politikers wiederhergestellt hatte. In Wan kam es daraufhin zu Massenprotesten, bei denen Hunderte Menschen durch Polizeigewalt verletzt und festgenommen wurden. Nach den Demonstrationen ruderte Ankara zurück, Zeydan erhielt seine Ernennungsurkunde.
Absetzung des Bürgermeisters Teil eines antidemokratischen Musters
Der KGRE sieht im erneuten Vorgehen gegen Zeydan ein „letztes Glied in einer Kette von gezielten und kalkulierten Delegitimierungen“. „Leider ist dies auch Teil eines größeren, antidemokratischen Musters“, betonte das Gremium mit Blick auf knapp ein Dutzend Amtsentlassungen von Bürgermeister:innen seit der Wahl vor weniger als einem Jahr. Dadurch würden die Stimmen von etwa vier Millionen Wähler:innen nicht anerkannt. „Zahlreiche Bürgermeister:innen der Opposition sind zudem mit Gerichtsverfahren, Verleumdungsklagen und langen Haftstrafen konfrontiert“, hieß es.
Zwangsverwaltung untergräbt Wesen der Demokratie
Der Kongress betonte, dass die Praxis, demokratisch gewählte Mandatsträger:innen von Oppositionsparteien durch Regierungsbeamte zu ersetzen, das Wesen der Demokratie untergrabe. Dies sei wiederholt deutlich gemacht worden, auch durch die Venedig-Kommission. „Auf seiner letzten Sitzung bekräftigte der KGRE die Notwendigkeit, diese Praxis zu beenden, und forderte die Behörden auf, zu gewährleisten, dass die Nichtwählbarkeit von Kandidierenden vor der Wahl und auf der Grundlage einer rechtskräftigen Verurteilung beurteilt wird. Kandidat:innen, die als wählbar eingestuft werden, müssen ihr Mandat gemäß der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die für alle Mitgliedsstaaten des Europarates bindend ist, frei ausüben können. Im Falle der Absetzung eines Bürgermeisters sollten die Gemeinderäte die Möglichkeit haben, einen Ersatz zu wählen.“
Thema bei Sitzung des Monitoring-Ausschuss
Eray und Rudkin kündigten an, die Absetzung Zeydans auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Monitoring-Ausschuss des Kongresses zu setzen. Diese findet laut Angaben am 27. Februar statt. An der Sitzung sollen auch Mitglieder der türkischen Delegation teilnehmen, zu denen Zeydan ebenfalls gehört. Noch ist unklar, ob er nach Straßburg reisen wird. „In der Zwischenzeit wiederholen wir unseren Appell an die türkischen Behörden, die Praxis der Zwangsverwaltung zu beenden und den politischen Dialog mit den Berichterstattern des Kongresses wieder aufzunehmen, um die wirksame Umsetzung der vorherigen Empfehlungen zu gewährleisten.“
Foto: Besuch durch die Initiative „Kurdische Friedensmütter von Wan“ bei Abdullah Zeydan während der Mahnwache vor dem Rathaus, 14. Februar 2025 © MA