Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat den Termin für ihren angekündigten Kongress bekannt gegeben: Am 27. August wird in Ankara der vierte außerordentliche Parteikongress abgehalten. Festgelegt wurde das Datum heute auf einer Sitzung des Parteirats in der HDP-Zentrale in Ankara. Der Entscheidung vorangegangen war ein Treffen der Vorstände der HDP und der Grünen Linkspartei (YSP) in der vergangenen Woche. Die beiden Parteien haben sich darauf geeinigt, dass zunächst der HDP-Kongress stattfinden soll. Die HDP wird weiter bestehen, aber ihre Kompetenzen an die YSP übergeben, die auf einem eigenen Kongress Ende September eine veränderte Satzung beschließen und sich einen neuen Namen geben wird.
Sancar: „Wie wir es dem Volk versprochen haben“
Gegen die HDP läuft seit über zwei Jahren ein Verbotsverfahren. Bei den Wahlen im Mai trat daher die YSP an und gewann 62 Abgeordnetensitze in der türkischen Nationalversammlung. Nach den Wahlen haben beiden Parteien einen gemeinsamen Prozess der Kritik und Selbstkritik eingeleitet, bei dem die Fehler und Versäumnisse in allen Gremien und auf lokalen Versammlungen mit der Basis diskutiert wurden.
Darauf ging auch der Ko-Vorsitzende der HDP, Mithat Sancar, auf der heutigen Sitzung des Parteirats ein: „Wie wir unserem Volk nach den Wahlen versprochen haben, hat ein Prozess der Auswertung, Rechenschaft, Kritik und Selbstkritik stattgefunden, den wir so breit wie möglich zu führen versuchen. Dieser Prozess geht weiter. Als Ergebnis werden Konferenzen und Kongresse einberufen. Ich spreche von Kongressen, weil sowohl die HDP als auch die Grüne Linkspartei auf unserer Agenda sind. Wir alle sind nach den Wahlen damit beschäftigt, die Ergebnisse auszuwerten. Gleichzeitig bemühen wir uns, uns mit allen aktuellen Problemen den Landes zu befassen und in allen Kampfbereichen präsent zu sein.“
Ökonomischer Zusammenbruch
Zu den aktuellen Themen auf der Agenda der HDP zählt unter anderem die Wirtschaftskrise in der Türkei. Sancar wies darauf hin, dass es nicht richtig sei, die Wirtschaftskrise im Lande mit dem Wort Krise abzutun, und dass sich die Wirtschaft in einer großen Depression befinde: „Es gibt einen großen Zusammenbruch, unter dem 95 Prozent der Bevölkerung leiden. Zu behaupten, dass alle in gleicher Weise betroffen sind, ist eine Verhöhnung der Menschen. Auf der anderen Seite vermehrt eine Handvoll Kapitalisten ihren Reichtum und vergrößert ihr Vermögen. Die Inflationsraten sind offensichtlich. Die Mieterhöhungen und die steigenden Lebensmittelpreise sind offensichtlich. Die Menschen finden keine Wohnungen. Sie können sich nicht ernähren und leben nicht einmal unter minimalen humanitären Bedingungen. Die Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter ist in vollem Gange."
Zerstörung der Wälder und natürlichen Reichtümer
Ein weiteres von Sancar angesprochenes Thema war der Kampf für die Umwelt. Sancar sagte, dass im Cûdî-Gebirge und in Akbelen Wälder zerstört und im Dorf Dikmece natürliche Reichtümer und Olivenhaine durch „übereilte Enteignung" geplündert werden: „All dies dient der Aufrechterhaltung dieses primitiven Akkumulationsmodells, das auf Plünderung, Profitgier und Raub beruht. Die gleiche Ausplünderung setzt sich nicht nur im Bereich der Wirtschaft, sondern auch im Bereich der Justiz fort."
Kobanê-Prozess und Samstagsmütter
Der sogenannte Kobanê-Prozess, in dem der gesamte ehemalige HDP-Vorstand angeklagt ist, sei ein Paradebeispiel für den Zustand der Justiz in der Türkei, so Sancar: „Wenn man sich die Anschuldigungen gegen unsere angeklagten Kolleginnen und Kollegen anschaut, sieht man deutlich, dass es gar nicht darum geht, einen juristischen Prozess zu führen. Sie wollen sich mit diesem Prozess für die Niederlage der IS-Mentalität rächen. Der Widerstand gegen den IS soll zur Rechenschaft gezogen werden. Die Regierung greift mit allen Mitteln in dieses Schauverfahren ein.“
Die gleiche Rechtswidrigkeit sei auch bei den Samstagsmüttern zu beobachten: „Jede Woche, wenn sich die Samstagsmütter am Samstag versammeln, um ihre Rechte wahrzunehmen, werden sie trotz des vorliegenden Urteils des Verfassungsgerichts von der Polizei daran gehindert und festgenommen. Es herrscht eine klare Gesetzlosigkeit und eine despotische Herrschaft, die nicht einmal Abgeordneten als Vertretern des Volkes ein Versammlungsrecht zugesteht.“
Kampf gegen die Hoffnungslosigkeit
Das seien Beispiele für eine „ungerechte, raubende, plündernde und auf Krieg basierende Ordnung, die in allen Bereichen fortbesteht und die Gesellschaft zur Kapitulation zwingen will. Die Regierung will der Gesellschaft weismachen, dass sie besiegt ist. Es soll ein Gefühl der Hilflosigkeit entstehen. Im letzten Schritt soll die gesellschaftliche Opposition in die Falle der Kapitulation getrieben werden. Wir sind uns dieser Fallen und Operationen bewusst. Deshalb versuchen wir mit aller Kraft, überall präsent zu sein, von Akbelen bis Cûdî und von den Arbeiterstreiks bis zum Kampf der Samstagsmütter für Gerechtigkeit.“
Seine Partei verfolge das Ziel, die Führung der Opposition in noch stärkerer Form zu übernehmen, so der HDP-Vorsitzende Mithat Sancar: „Bei dieser Frage hat niemand das Recht, in Pessimismus zu verfallen. Hoffnungslosigkeit darf sich niemals unter uns ausbreiten. Im Gegenteil, Hoffnung entsteht durch Kampf. Und der Kampf lebt von Überzeugung. Wir glauben an unsere Ziele und Grundsätze. Daher setzen wir unseren Kampf fort.“