Die Demokratische Partei der Völker (HDP) darf weiter über ihre Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung verfügen. Das entschied das türkische Verfassungsgericht am Montag in Ankara und verwarf damit einen Antrag des Generalstaatsanwalts beim Kassationshof. Der oberste Chefankläger des Landes, Bekir Şahin, hatte vor einer Woche bei Gericht ersucht, die Konten der HDP einfrieren zu lassen und gefordert, dass ein Großteil der für 2023 ausgezahlten Unterstützungsgelder zurück in die Staatskasse gespült werden. Dem Anliegen hat die 15-köpfige Richterschaft am Verfassungsgericht einstimmig eine klare Absage erteilt.
Nach dem türkischen Parteiengesetz erhalten Parteien für das Jahr, in dem allgemeine Wahlen abgehalten werden, das Dreifache der anteilig errechneten Finanzhilfe vom Staat. Die HDP hat für dieses Jahr etwas mehr als 600 Mio. Lira, umgerechnet rund 23 Mio. Euro, erhalten. Weil sie aber nicht unter ihrem eigenen Banner, sondern über die Liste der Grünen Linkspartei (YSP) zur Parlaments- und Präsidentenwahl im Mai antrat, müssten Zweidrittel der Gelder aus dem Staatshaushalt zurückgezahlt werden, forderte Şahin. Zudem verlangte er, bereits verwendete Gelder von den bereitgestellten Mitteln beim Parteivorstand abzuschöpfen. Auch dagegen sprachen sich die Richter:innen am Verfassungsgericht aus.
Der Chefankläger am Kassationshof hatte erstmals im Januar erwirkt, die Konten der HDP zu sperren, solange ein Verfahren gegen sie läuft. In dem seit inzwischen zwei Jahren andauernden Verfahren geht es um ein mögliches Verbot der HDP. Hintergrund dafür sind angebliche Verbindungen zur kurdischen Arbeiterpartei PKK. Im März hatte das Verfassungsgericht seine eigene Entscheidung revidiert und die Blockade der Konten der HDP aufgehoben.
Das Urteil im Verbotsverfahren wird in den nächsten Wochen erwartet, Die Entscheidung hängt von einer Zweidrittelmehrheit in der Jury des Verfassungsgerichtshof ab und ist bindend – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) etwa kann das Verfahren nicht stoppen, aber die Türkei aufgrund einer Rechtsverletzung verurteilen. Die „Anklage“ gegen die HDP beruht vor allem auf Beiträgen von Selahattin Demirtaş, Pervin Buldan und Mithat Sançar in digitalen Netzwerken während der Zeit des Friedensprozesses zwischen der kurdischen Bewegung und dem türkischen Staat. Aus den Tweets konstruiert die Staatsanwaltschaft einen strukturellen Zusammenhang zwischen der HDP und der PKK. Außerdem erscheint dort auch das sogenannte Kobanê-Verfahren, in dem 108 Personen, unter ihnen auch die ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, zu mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen wegen Aufruf zum Protest gegen die IS-Unterstützung der Türkei beim Angriff auf Kobanê verurteilt werden sollen.