Die Demokratische Partei der Völker wird noch an diesem Freitag beim türkischen Verfassungsgerichtshof in Ankara ihre Einwände gegen die Verbotsklage einreichen. Wie die Kommission für Justiz und Menschenrechte der HDP mitteilte, soll die vorläufige Verteidigung gegen das „auf politische Anordnung hin“ eröffnete Verbotsfahren um 16 Uhr vom stellvertretenden HDP-Vorsitzenden Ümit Dede, dem Rechtsanwalt und Parteiratsmitglied Doğan Erbaş sowie dem Abgeordneten Mehmet Rüştü Tiryaki bei Gericht vorgelegt werden.
Am 21. Juni hatte der Verfassungsgerichtshof das Verbotsverfahren gegen die HDP eröffnet, zwei Wochen zuvor war die Anklageschrift der Generalstaatsanwalt des türkischen Kassationshofs eingereicht worden. Dieser setzt die HDP mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gleich und wirft ihr vor, die „unteilbare Integrität des türkischen Staates“ zu untergraben. Die knapp 850-seitige Klageschrift fordert das dauerhafte Verbot des Partei und ein Politikverbot über fünf Jahre für 450 Politikerinnen und Politiker. Ein erster Anlauf für ein Verbotsverfahren war im März war wegen formaler Mängel gescheitert.
Das weitere Prozedere
Das Verbotsverfahren gegen die HDP kann sich über mehrere Monate hinziehen. Nach der Einsendung der Vorverteidigung hat der oberste Ankläger Bekir Şahin vier Wochen Zeit, gegenüber dem Gericht Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme wird dann wieder an die HDP übersandt, die dann ebenfalls innerhalb eines Monats ihre endgültige Verteidigung vorlegen muss, und bevor eine erste mündliche Verhandlung stattfindet.
Allein die Anklage ist ein Rechtsbruch
Die „Anklage“ gegen die HDP beruht vor allem auf Beiträgen von Selahattin Demirtaş, Pervin Buldan und Mithat Sançar in digitalen Netzwerken während der Zeit des Friedensprozesses. Aus den Tweets konstruiert die Staatsanwaltschaft einen strukturellen Zusammenhang zwischen HDP und PKK. Außerdem erscheint dort auch das sogenannte Kobanê-Verfahren, in dem 108 Personen, unter ihnen auch die ehemaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, zu mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen wegen Aufruf zum Protest gegen die IS-Unterstützung der Türkei beim Angriff auf Kobanê verurteilt werden sollen. In einer Erklärung der Anklage heißt es: „Die Aussagen der Angeklagten nach den Kobanê-Zwischenfällen, den Kämpfen um die Gräben und der Gare-Operation, die Äußerungen zu den Familien, die vor dem Gebäude des Provinzverbands der beklagten Partei für ihre Söhne Wache halten, und die Aussagen der wegen ‚Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Organisation‘-Angeklagten, dass sie sich über HDP-Strukturen der bewaffneten Terrororganisation PKK-KCK angeschlossen haben, werden aufgenommen.“