Die Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Pervin Buldan und Mithat Sancar, haben sich in Istanbul mit zahlreichen Jurist:innen und Vertreter:innen zivilrechtlicher Organisationen zur Vorbereitung der Verteidigung gegen das Parteiverbotsverfahren beraten. An der am Montag von der HDP-Rechtskommission einberufenen Sitzung beteiligten sich unter anderem die Anwält:innen des Asrin-Rechtsbüros, Mitglieder der Freiheitlichen Jurist:innenvereinigung ÖHD, der Diplomat und ehemalige Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Riza Türmen, die Vizepräsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte (FIDH), Reyhan Yalçındağ, sowie Verteidiger:innen der Angeklagten im Kobanê-Verfahren.
Buldan: Verteidigung wird Zeugnis des Kampfes für Demokratie
Im Vorfeld der Beratungen hielt der Vorstand eine Konferenz und beantwortete Fragen der anwesenden Pressevertreter:innen. Pervin Buldan hielt fest, dass die Stigmatisierung der HDP als „Terrororganisation“ und die politische Hetze mit dem Verbotsverfahren gegen die Partei einen weiteren Höhepunkt erreicht habe. „Wir durchleben eine harte und schmerzvolle Phase. Um so wichtiger ist es in einer Zeit wie dieser ein Treffen auf dieser Ebene durchzuführen.“ Buldan führte weiter aus, dass es sich um einen „historischen Fall“ handele, dem sich die HDP gegenübersehe. Die Meinung der zu konsultierenden Jurist:innen sei deshalb besonders bedeutend. Die HDP als eine Partei, die sich in der politischen Tradition ihrer verbotenen Vorgängerparteien sehe, habe sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer Verteidigung der Türkei „ein Zeugnis des Kampfes für Demokratie“ zu hinterlassen. „Ein Verbot der HDP würde die Demokratie in der Türkei untergraben“, so Buldan. „Unsere Verteidigung wollen wir mit dem von unseren Völkern und Komponenten von unten nach oben geknüpften Demokratie-Bündnis vorbereiten.“ Ein erstes Treffen zur Meinungseinholung hatte vor wenigen Tagen in der nordkurdischen Provinz Dersim mit Repräsentant:innen alevitischer Verbände stattgefunden.
Sancar: Justiz wird der Politik geopfert
Nach Buldan hielt Mithat Sancar eine Ansprache. Der Politiker bezeichnete das Verfahren erneut als politisch motiviert und erklärte: „Wir sagen es von Anfang an: Hier wurde die Justiz der Politik geopfert.“ Keine einzige Operation gegen die HDP hätte eine juristische Grundlage, für die Verbotsklage gebe es ohnehin keine verfassungsrechtliche Erklärung.
Sancar erinnerte an die nationalistische Stimmungsmache gegen die HDP durch Regierungsmitglieder, nicht umsonst werde das Verfahren international als Zugeständnis an den MHP-Chef Devlet Bahçeli gewertet. „Wir fassen diese Klage als eine Erpressung der Gesellschaft auf. Chefankläger ist die AKP, beschuldigt werden die Völker“, so Sancar. Aber nicht nur die HDP sitze auf der Anklagebank, sondern mit ihr auch die „Hoffnung der Türkei auf Frieden und Freiheit“. Weitere Treffen mit der Zivilgesellschaft sowie Bevölkerung sollen in den nächsten Tagen stattfinden.