Die Schweizer Justiz wollte zwei politische Aktivisten für ihre Kritik von Erdogan anklagen. Eine politische Kunstaktion sollte laut Bundesanwaltschaft den Tatbestand der „Beleidigung eines fremden Staates“ (Art. 296 StGB) erfüllen. Dieser Versuch der Staatsanwaltschaft der Schweiz, politische Aktivisten zu kriminalisieren, ist nun gescheitert. Die Türkei hat es verpasst, rechtzeitig Anzeige zu erstatten. Seit dem 18. Januar ist der Fall nun offiziell verjährt.
Bereits zwei Jahre ist es her, dass das Regionalgericht Bern-Mittelland gegen vier Aktivisten einen Prozess wegen eines „KillErdogan“ Banners aus dem Jahre 2017 durchführte. Die Aktivisten wurden allesamt freigesprochen. Doch weil die Staatsanwaltschaft vor das kantonale Obergericht weitergezogen ist, warten die vier Prozessbeteiligten auch bald sieben Jahre nach dem „KillErdogan“-Banner auf ihren rechtskräftigen Freispruch. Ein anderes Verfahren konnte jedoch in der Zwischenzeit bereits abgeschlossen werden:
Im Zuge des „KillErdogan“ Prozessauftaktes stellten sich im Januar 2022 zwei Aktivisten mit einer Holzkonstruktion vor das Gerichtsgebäude. Bei der Kunstaktion wurde gezeigt, welche Waffen Erdogan einsetzt. In kreativer Form wurde damit auf das Transparent „Kill Erdogan with his own weapons“ („Tötet Erdogan mit seinen eigenen Waffen“) angespielt. Durch Drehen an der Holzscheibe kamen acht verschiedene Piktogramme hervor, darunter waren Erdogans Waffen: Giftgas, Folter, Vertreibung, Unterstützung des Islamischen Staates, Drohnenterror und weitere.
Breits nach wenigen Minuten zeigte die Berner Polizei, wie sie am liebsten mit Protest umgeht: Sie beschlagnahmte die Holzscheibe und zeigte die beiden Aktivisten an. Die Bundesanwaltschaft nahm die Ermittlungen wegen „Beleidigung eines fremden Staates auf“ – notabene, weil Erdogan als Mörder bezeichnet wurde. Damit das Verfahren aber überhaupt geführt werden kann, bedarf es einer Anzeige durch den türkischen Staat und einer Ermächtigung der Schweizer Regierung. Da jedoch weder Erdogan noch die türkische Botschaft in der Schweiz beim Bundesrat rechtzeitig vorstellig wurden, musste die Bundesanwaltschaft nach zwei Jahren klein beigeben. Die angebliche Tat ist mittlerweile verjährt. Dennoch scheint es der Polizei wichtig zu bleiben, dass die politischen Botschaften unter Verschluss bleiben: Die Holzscheibe bleibt in den Händen der Polizei und soll in den nächsten Tagen zerstört werden.