Das immer wieder unter dem Namen „Graue Wölfe“ subsummierte Netzwerk türkischer Faschisten stellt in Deutschland die größte rechtsextremistische Organisation dar.
Nach dem durch massiven Betrug und Staatsterror errungenen Wahlsieg der Allianz aus der politischen Vertretung der Grauen Wölfe, der neofaschistischen MHP und der islamistischen AKP, sonnten sich die Grauen Wölfe im nationalistischen Triumph. So zogen zum Beispiel durch Straßen in Berlin-Wedding faschistische Mobs von Grauen Wölfen und bedrohten Anwohner:innen. Auch aus anderen Städten wurden Übergriffe und Drohungen aus Autokorsos gemeldet. Doch es blieb nicht bei Machtdemonstrationen, in mehreren Städten wurden Menschen teils lebensgefährlich von türkischen Faschisten verletzt. Teilweise kam es zu schweren Angriffen und Auseinandersetzungen. Das Dunkelfeld dürfte dabei sehr groß sein.
„Bundesregierung möchte Erdoğan nicht provozieren“
Diese Übergriffe veranlassten die fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Clara-Anne Bünger, die Bundesregierung nach einem Verbot der Grauen Wölfe, wie es in Frankreich erfolgt ist, und Maßnahmen zum Schutz der hier lebenden kurdischen Community zu fragen. Die Antwort war – wenig überraschend – bezeichnend ausweichend. Die Bundesregierung behauptet, sie hätte keine Erkenntnisse über eine zunehmende Gefahr für Kurd:innen bzw. für Erdogan-Kritiker:innen in Deutschland. Bünger kritisiert: „Es ist unbegreiflich, dass die Bundesregierung trotz der gewaltsamen Ausschreitungen keine zunehmende Gefahr für die in Deutschland lebende kurdische Community erkennen will und von jeglichen Schutzmaßnahmen absieht. Offenbar möchte sie Erdoğan nicht provozieren und lässt dessen faschistische Schläger deshalb ungestört agieren.“
Bundesregierung ist Akteur in der kurdischen Frage
Besonders zynisch ist die Aussage, die Bundesregierung habe wiederholt die türkische Regierung darauf hingewiesen, dass ein „Hereintragen innenpolitischer türkischer Konflikte in die deutsche Gesellschaft nicht akzeptiert“ werde. Dies sieht auch Bünger so und erklärt: „Die Regierung macht es sich zu einfach, wenn sie meint, ,innenpolitische türkische Konflikte' würden in die deutsche Gesellschaft hineingetragen.“ Die Abgeordnete zeigt auf, dass die Bundesregierung längst Akteur „innenpolitischer Konflikte“ in der Türkei ist: „Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite türkische Ultranationalisten Kurd:innen, Armenier:innen und linke Aktivist:innen ohne rechtliche Konsequenzen einschüchtern, bedrohen und körperlich angreifen und auf der anderen Seite die kurdische Freiheitsbewegung kriminalisiert wird. Allein im Mai 2023 sind drei kurdische Aktivisten zu hohen Freiheitsstrafen nach § 129b StGB verurteilt worden. Medienberichten zufolge ist erst vor wenigen Tagen zudem ein kurdischer Aktivist aus Zypern an die deutsche Justiz wegen vermeintlicher Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung überstellt worden – und dies trotz massiver Proteste. Mit der Auslieferung des Aktivisten hat Deutschland Erdoğan mal wieder einen großen Dienst erwiesen.“
Zwischen Mafia, Schlägertrupp und Staatsbankett
Tausende Vereine, oft unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit, agieren rassistisch, offen antisemitisch und antikurdisch in Vereinen wie den Alperen Ocaklari. Sie veranstalten von den Kommunen geförderte „Kinderfeste“ (z.B. jährlich am Nettelbeckplatz in Berlin-Wedding) und verbreiten dort ihre faschistische neoosmanische Propaganda. Institutionen, die im Rahmen des interreligiösen Dialogs hohes Ansehen genießen, wie das sich selbst als Zentralrat der Muslime bezeichnende, von Grauen Wölfen und salafistischen Muslimbrüdern dominierte Konglomerat aus reaktionären Verbänden, genießen höchstes Ansehen als Ansprechpartner bei der „Integration“. Währenddessen drohen, morden und terrorisieren Graue Wölfe die kurdische und demokratische Diaspora aus der Türkei und Kurdistan. Die Vielzahl von Organisationen der Grauen Wölfe bildet eine Klammer, die von der renommierten Politik über vermeintliche Sozialverbände hineinreicht in Mafia-Kreise, die für die „Schmutzarbeit“ des AKP/MHP-Regimes zuständig sind. Unter dem Label der Grauen Wölfe lassen sich große Gruppen auch jenseits der drei Dachverbände Türk Federasyon, ATIB oder ATB mobilisieren. Als Vorfeldorganisation ist Milli Görüş mit Agitationseinrichtungen und der Betreuung des Islamkundeunterrichts an vielen staatlichen Schulen in Deutschland ein wichtiges Standbein der türkischen Synthese zwischen Islamismus und Rechtsextremismus in Deutschland. Verbindungen zu geheimdienstlich durchsetzten Institutionen des türkischen Staates wie dem Ableger der Religionsbehörde Diyanet in Deutschland, DITIB, sind bei der Mobilisierung für den türkischen Faschismus und der Überwachung von Gegner:innen besonders hilfreich.
„Was muss geschehen, bis ein Verbotsverfahren in die Wege geleitet wird?“
Nach den Hetzjagden von Grauen Wölfen auf Armenier:innen in Dijon hatte die Pariser Verwaltung am 29. Oktober 2020 das Verbot der Organisation beschlossen. Nach den Übergriffen in Frankreich wurde auch im deutschen Bundestag am 18. November 2020 ein Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Prüfung des Verbots der faschistischen „Ülkücü Bewegung“ beschlossen. Seither sind fast drei Jahre vergangen und weder Innenministerium noch Justizministerium haben etwas zu einem Ergebnis der Prüfung verlauten lassen. Auch gegenüber Bünger will sich die Bundesregierung zu einem Verbotsverfahren gegen die Grauen Wölfe nicht äußern. Die Abgeordnete protestiert mit den Worten: „Ich frage mich, was noch geschehen muss, bis die Regierung tätig wird und ein Verbotsverfahren gegen die ultranationalistischen Grauen Wölfe in die Wege leitet. Die Grauen Wölfe sind immerhin die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland und seit Jahrzehnten für Angriffe auf Kritiker:innen der türkischen Regierung bekannt. Sie sind genauso gefährlich wie deutsche Neonazis und müssen ebenso geächtet und bekämpft werden.“