Die rechtsextreme türkische Organisation „Graue Wölfe“ mag seit November in Frankreich verboten sein – das schreckt die Ultranationalisten, deren Mutterpartei MHP in der Türkei Koalitionspartnerin von Erdoğans AKP ist, aber nicht vor gewalttätigen Angriffen auf politisch Andersdenkende ab. Das jüngste Beispiel wird aus Lyon gemeldet. Dort wurde an diesem Samstag das kurdische Kulturzentrum im Viertel La Guillotière von einer Gruppe Faschisten attackiert. Nach Angaben des Dachverbands CDK-F beteiligten sich etwa zwanzig vermummte und mit Baseball-Schlägern sowie diversen anderen Gegenständen ausgestattete Personen an dem Überfall. Die vier im Vereinslokal befindlichen Personen wurden demnach „äußerst brutal“ zusammengeschlagen und seien teils schwer verletzt worden.
Angriffe auf Direktive des MIT
„Diese organisierten Angriffe von Grauen Wölfen auf Kurdinnen und Kurden in Frankreich sind nicht unabhängig von der Annäherung zwischen Emmanuel Macron und Recep Tayyip Erdoğan“, heißt es in einer ersten Stellungnahme des CDK-F. Es handele sich bereits um die zweite Attacke in Lyon innerhalb von zwei Wochen. „Die kurdische Gesellschaft ist im Visier von islamistisch-faschistischen Personen aus dem türkischen Spektrum. Wir glauben, dass diese Angriffe auf Direktive der türkischen Geheimdienstorganisation MIT erfolgen und bezwecken sollen, chaotische Zustände herbeizuführen.“
Armenier ebenfalls im Visier
Auch die armenische Gemeinschaft in Lyon liegt im Fadenkreuz der sogenannten Grauen Wölfe. Kurz vor dem Betätigungsverbot der Organisation in Frankreich war in Décines-Charpieu eine Gedenkstätte für die Opfer des Genozids an den Armenierinnen und Armeniern 1915 mit pro-türkischen Parolen beschmiert worden. Neben „RTE“, den Initialen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, stand auch „Loup Gris“, die französische Bezeichnung für die Grauen Wölfe, an dem Gebäude.
CDK-F: Frankreichs Regierung bleibt dennoch untätig
„Dennoch müssen wir feststellen, dass die französische Regierung untätig gegen diese Gruppe bleibt, die Straftaten gegen die armenische und kurdische Community begeht. Das verurteilen wir auf das Schärfste. Wir fordern das französische Innenministerium und angebundene Sicherheitsbehörden auf, unverzüglich für die Sicherheit unserer Vereine und Mitglieder zu sorgen“, so der Dachverband CDK-F. An die internationale Zivilgesellschaft gerichtet spricht die Organisation einen eindringlichen Appell aus: „Der heutige Vorfall zeigt, dass wir einer ernstzunehmenden Bedrohung gegenüberstehen. Wir müssen uns nur daran erinnern, dass die französischen Geheimdienste schon bei den Pariser Morden am 9. Januar 2013 keine Anstrengungen unternommen haben, dieses Massaker zu verhindern.“ Am 9. Januar im Jahr 2013 hatte ein Attentäter des MIT in Frankreichs Hauptstadt drei kurdische Revolutionärinnen erschossen: Sakine Cansız, Leyla Şaylemez und Fidan Doğan. In dem Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen gibt es bis heute keine Fortschritte – die Akte wird als Staatsgeheimnis behandelt.