Die Äußerungen des pensionierten türkischen Nachrichtendienstlers Ismail Hakkı Pekin bei CNN Türk ziehen weitere Kreise. Der ehemalige Abteilungschef des militärischen Nachrichtendienstes hatte am 16. Februar in einer Fernsehsendung zur türkischen Militäraggression im südkurdischen Gare erklärt, dass es „gezielte Liquidierungen von KCK-Führungskräften im Irak, Syrien und in Europa“ geben müsse. „Sie haben auch ihre Elemente in Europa. Wir müssen etwas in dieser Richtung in Europa unternehmen. Ich meine, es wurde schon einmal in Paris gemacht …“, sagte Pekin in Anspielung auf den Mord an den kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013 in Paris.
Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom hat sich mit dem Pariser Attentat beschäftigt und hält es für erwiesen, dass der türkische MIT dafür verantwortlich ist. Auf Anfrage erklärte er zu den jüngsten Entwicklungen gegenüber ANF: „Die Aussage von Pekin kann in Paris nicht folgenlos bleiben, wenn die französische Regierung sich nicht den Vorwurf gefallen lassen will, dass sie türkischen Staatsterrorismus ungestraft duldet.“
Für Deutschland gehe er weiterhin davon aus, „dass Mordattentate des MIT in der Bundesrepublik nicht zu befürchten sind, weil die Bundesregierung nicht anders könnte, als mit massiven Maßnahmen wie der Ausweisung mehrerer türkischer Geheimdienstmitarbeiter und europäisch abgestimmten Sanktionen zu reagieren.“
„Ausgesprochen glaubwürdig“
Diese Auffassung hatte Schmidt-Eenboom bereits in einer im vergangenen Juni ausgestrahlten ZDFzoom-Dokumentation „Im Dienste Erdogans“ vertreten. In Deutschland hält sich der türkische Geheimdienst nach Schmidt-Eeenbooms Meinung mit politischen Morden zurück, weil die Bundesregierung Ankara gegenüber deutlich gemacht habe, dass es sich dabei um eine rote Linie handele, die nicht überschritten werden dürfe. In der Sendung bestätigte Schmidt-Eeenboom jedoch die geheimdienstlichen Tätigkeiten des MIT in Deutschland. Die Zahl der 8000 MIT-Zuträger bezeichnet Schmidt-Eenboom im Vergleich zu anderen Ländern als „gigantisch“. Auch der Mord an den kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013 in Paris ist laut Schmidt-Eenboom vom MIT begangen worden. Die von ANF veröffentlichten Aussagen der MIT-Funktionäre Erhan Pekçetin und Aydın Güney, die am 4. August 2017 in einer spektakulären Operation von der PKK in Südkurdistan in Gefangenschaft genommen wurden, bezeichnet Schmidt-Eenboom hinsichtlich der Genauigkeit der Angaben über die Befehlskette und die involvierten Personen als „ausgesprochen glaubwürdig“. Diese seien auch von den französischen Behörden bestätigt worden. So haben der französische Inlandsgeheimdienst und die Polizei der Staatsanwaltschaft Informationen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass es sich um einen von Erdogan in Auftrag gegebenen politischen Mord gehandelt hat.
Das Auswärtige Amt hat keine Erkenntnisse
Der Journalist Perwer Yaş hat unterdessen beim Auswärtigen Amt nachgefragt, wie die Aussage von Pekin zu bewerten ist und was dieses Geständnis für das Recht auf Souveränität bedeutet. Dort ist die Medienberichterstattung durchaus zur Kenntnis genommen worden. Das Außenministerium will jedoch nach wie vor keine eigenen Erkenntnisse zur Tat und den Hintergründen der Morde von 2013 haben.