Bundesregierung zieht keine Konsequenzen aus Verbrechen der PDK

In der von PDK und YNK regierten Kurdistan-Region Irak stehen Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Das ist auch der Bundesregierung bekannt. Dennoch will sie an ihrer Kooperation festhalten, statt Konsequenzen zu ziehen.

Unter der Federführung des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) begann 2015 die Kooperation zwischen der Bundesregierung und der PDK-geführten Regionalregierung in der Kurdistan-Region Irak (KRI). Seit Februar 2015 leistete die Bundeswehr Ausbildungs- und Ausrüstungsunterstützung für die kurdischen Peschmerga und die irakischen Sicherheitskräfte. Bis zum April 2018 war die Bundeswehr in der KRI an der Ausbildung von etwa 17.600 Peschmerga beteiligt. Darüber hinaus wurden 314 Peschmerga in Deutschland ausgebildet.

Die PDK und der Şengal-Genozid

Dies geschah obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die PDK mit der von der Bundesregierung als „zentrale Aktionsplattform des Islamismus und islamistischer Terrorgruppen“ eingeschätzten Türkei aufs Engste verbunden war. Die Türkei ist als führende IS-Unterstützerin längst überführt. Und auch die PDK scheint immer wieder Teil dieses schmutzigen Spiels zu sein. So wird der Rückzug der Peschmerga vor dem IS im August 2014 aus Şengal von vielen als Übergabe der Region an die Terrormiliz betrachtet. Die PDK gilt damit als Mitverantwortliche für den Genozid an den Ezidinnen und Eziden.

PDK-Unterstützung beruht auf Feindschaft gegen kurdische Freiheitsbewegung

Dass gerade die PDK zum deutschen Steckenpferd des Kampfes gegen den IS stilisiert wurde, hatte wohl eher damit zu tun, dass die Bundesregierung und allen voran der Türkeilobbyist Sigmar Gabriel die kurdische Freiheitsbewegung als gemeinsamen Hauptfeind betrachteten, obwohl deren Kämpfer:innen die ezidische Bevölkerung schützten und eine Ausweitung des Şengal-Genozids verhinderten. Zusammen mit den von Gabriel als „PKK-Ableger“ diffamierten YPG und YPJ trugen sie die Hauptlast des Kriegs gegen den IS.

Xanasor in Şengal, 3. März 2017: Eine mit PDK-Spezialeinheiten besetzte Panzerkolonne aus mehreren Dutzend Fahrzeugen, darunter auch solche vom Typ Dingo aus Deutschland, versucht von Sinunê kommend die Stellungen der ezidischen Selbstverteidigungseinheiten YBŞ zu überrennen, um in die ezidische Kleinstadt einzudringen. Vor Ort befinden sich auch Kämpfer der Volksverteidigungskräfte (HPG), die sich damals noch zum Schutz und zur Unterstützung in Şengal aufhalten. Zwei von ihnen stellen sich einem Dingo entgegen, um die Panzerkolonne aufzuhalten. Doch der Radpanzer drängt sie weg. Wenig später sind beide HPG-Kämpfer tot. Nach Angaben des Journalisten Rojwan Karakoçan, der die Szene mit seiner Kamera festhält, sind die Schüsse aus dem deutschen Panzer gefallen. Kurz danach brechen Auseinendersetzungen aus, die zum Tod von neun weiteren Menschen führen werden: sieben YBŞ-Mitglieder, die TAJÊ-Aktivistin Nazê Naif und die Journalistin Nûjiyan Erhan, die von einem Sniper gezielt in den Kopf getroffen wird. 

Das Dreieck Türkei-PDK-Bundesregierung

Die Verbindungen zwischen der PDK und dem AKP/MHP-Regime sind tiefgreifend und so ist es kaum verwunderlich, dass deutsche Waffen, wie zum Beispiel moderne Panzerfahrzeuge Dingo der Bundeswehr immer wieder nicht gegen den IS, sondern trotz anders lautender Endverbleibserklärung gegen Kurd:innen eingesetzt wurden, die sich nicht den undemokratischen Bestrebungen der vom Barzanî-Clan beherrschten PDK beugen. Dies geschah sowohl in Şengal, als von der Türkei trainierte Roj-Peschmerga die Region zu besetzen versuchten, als auch aktuell im drohenden Krieg der PDK auf Seiten der Türkei gegen die kurdische Freiheitsbewegung in den Medya-Verteidigungsgebieten. Es liegen Bilder vor die belegen, dass PDK-Einheiten unter anderem Dingos aus deutscher Lieferung in die Rückzugsgebiete der PKK-Guerilla verlegt haben. Dies stellt einen von der Bundesregierung geduldeten offenen Vertragsbruch dar.

Frage nach AKP/PDK-Energiepartnerschaft gefährdet „Staatswohl“

Die Loyalität der PDK gegenüber der Türkei ist nicht nur in der Schwäche ihres auf Feudalismus und Nepotismus beruhenden Systems zu suchen, sondern auch in den engen ökonomischen Verflechtungen mit Ankara. Dazu gehört insbesondere auch ein Ausverkauf des Öls von Südkurdistan. In einer kleinen Anfrage wollte die Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, von der Bundesregierung wissen, ob es zutrifft, dass die türkische Regierung ein fünfzigjähriges Öl-Abkommen mit der PDK geschlossen hat, ohne die irakische Zentralregierung zu konsultieren. Seit mehreren Jahren bereits überweist Bagdad nicht mehr die laut Verfassung vereinbarten 17 Prozent das nationalen Budgets an Hewlêr (Erbil), weil die Regierung der KRI begann, Erdöl auf eigene Rechnung in die Türkei zu exportieren. Was alle wissen, will die Bundesregierung jedoch nicht offen beantworten. Stattdessen stellt sie die Antwort auf die Frage aufgrund einer möglichen „Gefährdung des Staatswohls“ unter Geheimhaltung.

„Öl-Milliarden fließen in Taschen der Familie Barzanî“

Die Fragestellerin Sevim Dagdelen kennt die Antwort aus Berlin und erklärt in diesem Zusammenhang: „Offenkundig geht auch die Bundesregierung von einer strategischen Energiepartnerschaft zwischen der Türkei und der kurdischen Regionalregierung aus, die den kurdischen Partnern eigenständige Erdölexporte über die Türkei erlaubt und der Barzanî-Familie damit Einnahmen in Milliarden-Höhe garantiert. Der türkische Präsident Erdoğan unterhält im Gegenzug in der autonomen Region Kurdistan-Irak rund ein Dutzend militärische Stützpunkte für die türkische Armee. Dies scheint die Quelle der Kollaboration der Barzanî-Familie mit dem Erdoğan-Regime zu Lasten der Bevölkerung in der Region wie auch in anderen Teilen des Irak zu sein. Die Bundesregierung muss ihre bedingungslose Unterstützung Erbils angesichts der wachsenden Menschenrechtsverletzungen und der engen militärischen Zusammenarbeit mit der Türkei dringend revidieren.”

Medien unter Kontrolle von PDK und YNK

Aber nicht nur in ökonomischen und militärischen Dingen ist die Verbindung zwischen der Türkei und der PDK offensichtlich. Die PDK scheint ebenso wenig von Meinungs- und Pressefreiheit zu halten wie die türkische Regierung unter der AKP. Selbst die Bundesregierung zeichnet von der Lage der Presse und Meinungsfreiheit in Südkurdistan ein ernüchterndes Bild und nimmt wahr, dass die Medien weitgehend unter der Kontrolle der herrschenden Parteien PDK und YNK stehen. Von den immer wieder auftretenden Angriffen und Mordanschlägen auf kritische Journalist:innen will die Bundesregierung jedoch nur aus den Medien erfahren haben.

Folter und Rechtsbeugung gegen Medienschaffende „besorgniserregend“

Der Fall der Journalisten Sherwan Sherwani, Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie der Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa wurde zum Beispiel der Angriffe auf die Pressefreiheit durch die von PDK kontrollierte Justiz. Im Februar verurteilte das Zweite Strafgericht Hewlêr die fünfköpfige Gruppe zu jeweils sechs Jahren Haft. Die Journalisten und Aktivisten wurden beschuldigt, „Spione“ zu sein und die „nationale Sicherheit zu destabilisieren“. Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt, und auch sonst widersprach der Prozess internationalen Standards. So wurden die Angeklagten nach eigenen Angaben unter Folter gezwungen, „Geständnisse“ zu unterzeichnen. Der Oberste Gerichtshof hat die Urteile mittlerweile bestötigt. Mit Blick auf das Verfahren erklärt die Bundesregierung in der Antwort auf die kleine Anfrage von Dagdelen: „Nach Angaben von glaubwürdigen Beobachtern litt das Verfahren unter gravierenden rechtsstaatlichen Mängeln. So bestand kein ausreichender Zugang der Anwälte zu ihren Mandanten. Besonders besorgniserregend sind Vorwürfe von durch Folter und Druck erpresste Geständnisse während der Haftzeit, denen das Gericht nicht nachgegangen ist. Die Bundesregierung hat dies am 6. Mai 2021 öffentlich zum Ausdruck gebracht und darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung ein besorgniserregendes Signal über den Zustand der Presse- und Meinungsfreiheit in der Region Kurdistan Irak darstellt.“

All diese Tatsachen stellen für die Bundesregierung dennoch weder einen Grund dar, ihre Verbindungen zur PDK, noch zum türkischen Regime zu kappen. Zu wichtig sind die ökonomischen und strategischen Interessen, wozu auch die Verhinderung eines demokratischen Mittleren Ostens gehört.