Angriff auf alevitisches Gebetshaus in Istanbul

In der Nacht auf Samstag haben Unbekannte einen Anschlag auf ein alevitisches Gebetshaus in Istanbul verübt. Die Fensterscheibe am Hintereingang wurde zertrümmert.

Vermutlich durch Steine sei das Fenster des Cemhauses Ali Baba im Istanbuler Bezirk Pendik geborsten, erklärte der „Dede” genannte alevitische Geistliche Tahir Aslandaş. Der Angriff ereignete sich demnach vergangene Nacht. Gläubige, die Samstagfrüh in das Gebetshaus kamen, hätten den Schaden bemerkt. Die Ermittlungen seien im Gange, so Aslandaş.

Der Istanbuler HDP-Abgeordnete Ali Kenanoğlu verurteilte den Anschlag. Vom Gouverneur erwarte der Politiker umgehend eine Stellungnahme. Erste Hinweise sollten die Videoaufzeichnungen der öffentlichen Überwachungskameras bringen, die es in jeder Straße gibt. „Ich will nur schwer hoffen, dass es nicht heißt, ‚die Täter konnten nicht überführt werden‘. Wir wissen nur zu gut, dass solche Taten mit Ihrem Wissen ausgeführt werden, sobald Handelnde nicht zu ermitteln sind“, sagte Kenanoğlu.

Nichtmuslimische Gebetshäuser oft Angriffsziele

Tatsache ist jedenfalls, dass alevitische und andere nichtmuslimische Gebetshäuser wie etwa armenische Kirchen, aber auch Wohnhäuser in der Vergangenheit immer wieder Angriffsziel von Vandalismus und auch rassistisch motivierten Anschlägen geworden sind, was Alevit:innen wie Christ:innen mit Sorge beobachten. Mitunter wurden auch dezidiert antialevitische Botschaften hinterlassen, so etwa im vergangenen Oktober, als ebenfalls in Istanbul-Pendik an der Gartenmauer eines von Alevit:innen bewohnten Hauses Schmierereien mit der Forderung „Tod den Aleviten“ hinterlassen wurden.  Laut der Demokratischen Partei der Völker (HDP) ist der Anstieg von Vorfällen wie diesen auf die Straffreiheit der Täter zurückzuführen. „Da es keine nennenswerten Ermittlungen infolge zurückliegender Drohungen gegen Aleviten gibt, gehen die Angriffe weiter. Die politischen Urteile, welche die Beleidigungen von Aleviten unter den Schutz der Meinungsfreiheit stellen, ermutigen die Angreifer”, hatte die für die Kommission für Völker und Glaubensgemeinschaften zuständige HDP-Abgeordnete Tülay Hatimoğulları damals erklärt.

Übergriffe auf armenische Kirchen 

Vergangenen Juli hatte sich in Istanbul eine Menschenmenge vor einer armenischen Kirche in Kadiköy versammelt, drei Personen waren auf das Eingangstor geklettert, um dort unter grölendem Beifall zu tanzen. Ein Video der Szene war im Internet verbreitet worden. Im letzten Jahr kam es zu einer ganzen Reihe von Anschlägen und Übergriffen auf armenische Kirchenhäuser in Istanbul. Nach dem Brandanschlag auf die armenische Patriarchatskirche Surp Asdvadzadzin im Mai 2020 hatte der kurz darauf gefasste Täter den Angriff mit den Worten begründet: „Die Armenier sind für das Coronavirus verantwortlich.“ Die türkische Regierung bagatellisierte den Anschlag als Tat eines „verwirrten Einzeltäters“. Auch in ähnlichen Fällen werden die rassistischen Motive systemisch ausgeblendet.