Protest in Aliağa: Wir sind nicht die Müllkippe der Welt

In Aliağa demonstrierten Hunderte gegen die Pläne, den mit Asbest und Schwermetallen beladenen Frachter Sao Paolo in der Stadt an der Ägäis abzuwracken. Die Aktivist:innen warnen: „Wir werden dieses Todesschiff nicht in unsere Nähe kommen lassen."

Vertreter:innen von Umweltschutz-, Arbeiter:innenorganisationen und Berufsvereinigung kamen am Donnerstag zum Protest in Aliağa bei Izmir zusammen. Aufgerufen hatte die Plattform für Arbeit und Demokratie von Aliağa, um gegen das Anlanden und Abwracken des mit 600 Tonnen Asbest und Schwermetallen verseuchten brasilianischen Frachters Sao Paolo zu protestieren. Das Schiff war am Donnerstag in Rio in Richtung Aliağa in See gestochen.

Hunderte von Menschen versammelten sich vor der Vertretung der Ölarbeiter:innengewerkschaft Petrol-Iş in Aliağa und marschierten zum Platz der Demokratie, wo die Kundgebung stattfand. Banner mit Aufschriften wie „Aliağa ist nicht die Müllhalde der Welt“, „Rührt unsere Luft, unser Wasser und unseren Boden nicht an“ und „Stoppen wir das Todesschiff – für Arbeit, Umwelt und Gesundheit" wurden auf der Kundgebung entrollt. Während der Kundgebung wurden Parolen wie „Wir werden nicht die Müllhalde der Welt sein“, „Das Kapital muss seine Hände von unserer Natur lassen“ und „Schweigt nicht, schreit, saubere Umwelt ist ein Recht“ skandiert. Der Vorsitzende der Rentner:innenabteilung der Gewerkschaftsföderation DİSK, Emekli-Sen von Aliağa, Sebahattin Yeşiltepe, rief zur Unterstützung des legitimen und gerechten Kampfes auf, um das giftige Schiff an der Einfahrt in türkische Hoheitsgewässer zu hindern.

Sönmez: „Es ist das gleiche Verbrechen, wie die Abholzung der Bäume in Şirnex“

Naci Sönmez, der umweltpolitische Sprecher der Demokratischen Partei der Völker (HDP) erklärte anschließend: „Die AKP-Regierung hat heute die ganze Türkei in eine Müllhalde für internationale Unternehmen verwandelt. Eines der wichtigsten Zentren dafür ist Aliağa. Aliağa ist bekannt für die Ausbeutung von Arbeitskräften, aber auch für die Zerstörung der Natur durch die Industrie. Heute hat die Regierung leider wieder Aliağa in den Fokus genommen, diesmal als den Ort, an dem das Asbestschiff abgewrackt werden soll. Diejenigen von uns, die für die Ökologie kämpfen, werden Aliağa, Fatsa, die Ida-Berge oder Şirnex niemals an die derzeitige Regierung und das Kapital ausliefern. Diejenigen, die heute in Şirnex Bäume fällen, begehen das gleiche Verbrechen, das hier begangen wird. Wir zeigen, dass wir keine Komplizen bei diesem Verbrechen sind.“

Uğur: „Wir werden das Sultanat beenden“

Cavit Uğur, Ko-Vorsitzender von SYKP (Partei des Sozialistischen Wiederaufbaus), sagte: „Wir erleben ein Zeitalter der Katastrophen. Wir werden all diesen Katastrophen ein Ende setzen. Wir werden bei den Wahlen 2023 denjenigen die Realität zeigen, die meinen, sie könnten all das ungestraft tun. Wer ist die Firma, die dieses Schiff hierher gebracht hat? Wer hat die Abwrackung des Schiffes genehmigt? Es ist der Palast selbst. Wir werden der Herrschaft des Palastes ein Ende setzen.“

Den Frachter noch in internationalen Gewässern stoppen“

Behiye Mungan betonte im Namen der Türkischen Ärztekammer, dass dieses Schiff eine akute Bedrohung für die Gesundheit darstelle. Sie wies darauf hin, dass internationale Initiativen ergriffen werden, um das Schiff am Eindringen in türkische Hoheitsgewässer zu hindern: „In erster Linie planen wir, das Schiff daran zu hindern, in türkische Gewässer einzudringen. Wir stehen in Kontakt mit den Ärztekammern der Länder, durch deren Hoheitsgewässer das Schiff fahren wird. Asbest ist nicht die einzige Bedrohung, die von dem Schiff ausgeht. Auf diesem Schiff wurden auch Arbeiten an radioaktiven Stoffen durchgeführt. Wenn das Schiff abgewrackt wird, stellt sich auch die Frage, wie der Abfall entsorgt werden soll.“

Derğerli: „Wir werden den Frachter nicht anlanden lassen“

Anschließend ergriff Seçil Ege Değerli, Vorstandsmitglied der Ägäischen Kultur- und Umweltplattform (EGEÇEP), das Wort: „Die Türkei und Aliağa sind nicht die Müllhalde der Welt. Wir wollen nicht durch die schmutzigen Kriege des Imperialismus und seine Abfälle sterben. Wir warnen die Regierung von hier aus. Wir werden diese Schiffe verbrennen, wir werden dieses Todesschiff nicht in unsere Nähe kommen lassen.“

Die Leben der Arbeitenden in den Abwrackeinrichtungen sind den Chefs nichts wert“

Schließlich verlas Deniz Gültekin im Namen der Aliağa-Plattform für Arbeit und Demokratie eine gemeinsame Erklärung der Organisator:innen. Gültekin erklärte, dass das Leben der Abwrackarbeiter:innen, den allein am Profitstreben orientierten Bossen nichts wert sei und fuhr fort: „Wir, die seit Jahren in Aliağa leben, kennen die Arbeitsbedingungen der Arbeitenden in der Schiffsabwrackung. Wir wissen, wie sehr unser Meer, unsere Luft und unser Boden durch die in Aliağa angesiedelten Industrieunternehmen seit Jahren verschmutzt werden. Wir leben mit den Gasgerüchen, die aus den Raffinerien austreten, wir leben mit den Schlackebergen aus den Eisen- und Stahlwerken, wir leben mit den giftigen Stoffen, die beim Abwracken von Schiffen ins Meer gelangen, wir leben seit Jahren mit der Tatsache, dass in dieser Stadt Hunderte von Arbeiter:innen gestorben sind, Behinderungen erlitten und an Krebs erkrankt sind. Mit anderen Worten, wir kennen diejenigen, die dieses Schiff hierherbringen wollen sehr genau, denn sie sehen keinen Schaden darin, das Leben der Arbeiter und Bewohner der Stadt zu gefährden.“

Aliağa ist nicht die Müllkippe der Welt“

„Die Sao Paulo und alle anderen Gift-Schiffe sollten dort abgewrackt werden, wo auch immer sie gebaut wurden“, sagte Gültekin und schloss mit den Worten: „Die Abwrackanlagen in Aliağa müssen umfassend inspiziert und die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitenden gewährleistet ist. Die Anlagen, die auf dem Papier die bestehenden Vorschriften erfüllen, aber die Gesundheit von Mensch und Umwelt missachten, sollten geschlossen werden. Die vom Ministerium erteilten Betriebsgenehmigungen sollten unverzüglich aufgehoben werden. Wir wollen dieses Schiff nicht in Aliağa haben. Die Sao Paulo darf nicht in die Hoheitsgewässer unseres Landes eindringen. Wir sind dagegen, das Schiff, dessen Abwrackung kein anderes Land übernommen hat, hierherzubringen. Wir lehnen es ab, dass Aliağa wie der Schrottplatz der Welt behandelt wird. Die Türkei ist nicht der Schrottplatz und die Müllhalde Europas, Aliağa ist nicht der Schrottplatz und die Müllhalde der Türkei. Es gibt keine andere Türkei, kein anderes Aliağa! Es ist unsere historische, humanitäre und verantwortungsbewusste Verantwortung, unseren Kindern eine lebenswerte Stadt und ein lebenswertes Land zu hinterlassen.“