Nach der Naturzerstörung im Ida-Gebirge droht nun auch der einzigartigen Landschaft Kappadokiens in Zentralanatolien eine gigantische Umweltvernichtung. Der Eifer der türkischen Regierung, durch den industriellen Abbau von Bodenschätzen Gewinne zu erzielen, scheint ungebrochen. Und wieder ist es ein kanadisches Unternehmen, das im Goldrausch ist und große Waldflächen in der schon in vorgeschichtlicher Zeit bewohnten Region unwiederbringlich vernichten will.
Erhalten hat die Lizenz für die Ausbeutung von Gold in Kappadokien das in Toronto sitzende Bergbauunternehmen Centerra Gold Inc. Damit darf die Firma im Kreis Avanos (Provinz Nevşehir) auf einer Fläche von 1.306 Hektar nach Gold schürfen. Das übertragene Gelände befindet sich in den Orten Göynük und Özkonak. Letztere Gemeinde beherbergt eine unterirdische Stadt aus hethitischer Zeit. Es ist nur eine von 150 bis 200 unterirdischen Siedlungen, die in der Region vermutet werden. Doch Özkonak dürfte die größte unterirdische Stadt in Kappadokien sein. Entdeckt wurde das künstliche Höhlensystem in den 1960er Jahren von dem Muezzin der Gemeinde, der bei den Arbeiten auf seinem Acker zufällig auf einen Zugang zur Stadtanlage stieß. Erst 1972 wurde sie dann systematisch freigelegt.
Die Bevölkerung in Avanos hat erst durch die seit Kurzem durchgeführten Probebohrungen in Göynük und Özkonak davon erfahren, dass Centerra das Gelände und die Schürfrechte übertragen worden sind. Mit einem Eilverfahren versucht der Solidaritäts- und Hilfsverein Özkonak, die Rücknahme der erteilten Goldabbau-Lizenz zu erreichen. Zudem sind zehntausende Beschwerden an das Rechtsbüro des Generalsekretariats im Präsidialamt geschickt worden, heißt es. Doch auch die AKP-geführte Stadtverwaltung ist gegen den Abbau des Goldes von Kappadokien. Der Bürgermeister Abdulkadir Macit ließ sogar mitten in dem Ort ein Transparent mit der Aufschrift „Die Goldsuche auf dem Ziyaret-Berg muss eingestellt werden. Jeder einzelne Stein Kappadokiens ist wertvoller als Gold“ anbringen.
Rund 10.000 Minen mit Betreiberlizenzen
Laut Angaben des türkischen Energieministeriums gibt es in der Türkei rund 10.000 Minen mit Betreiberlizenzen, über 3.000 davon bauen Gold, Silber und Kupfer ab. Dabei werden hierfür jährlich etwa 4.500 Tonnen giftige Zyanide verwendet. Die Ausschreibungsbedingungen sehen zwar vor, dass die Minenflächen nach dem Abbau des Bodenschatzes seitens der Betreiberfirma wieder aufgeforstet werden müssen. Doch da die Lizenzen zumeist für zehn bis achtzig Jahre vergeben werden, entstehen auf den Bauarealen inmitten von Wäldern große abgeholzte Flächen.