Make Rojava Green Again auf Sommerkongress von Fridays for Future

Die Kampagne „Make Rojava Green Again“ war auf dem Sommerkongress von Fridays for Future, um über Rojava und die aktuellen Herausforderungen der Klimabewegung zu diskutieren.

Die Kampagne „Make Rojava Green Again“ war auf dem Sommerkongress von Fridays for Future, der vom 31. Juli bis 4. August in Dortmund stattfand, um über Rojava und die aktuellen Herausforderungen der Klimabewegung zu diskutieren. In einem Interview mit ANF spricht Luis von Make Rojava Green Again über den Kongress, die Beteiligung von MRGA daran sowie über generelle Perspektiven für Fridays for Future.

Ihr wart als Kampagne „Make Rojava Green Again“ auf dem Sommerkongress von Fridays for Future. Um was ging es beim Sommerkongress und warum wart ihr als Kampagne dort?

Seit mehr als einem halben Jahr streiken die Schüler*innen von Fridays for Future nun fast jeden Freitag die Schule. Doch in der Politik hat sich immer noch sehr wenig, beziehungsweise nichts getan. Sich daher im Sommer für eigene Bildung, Vernetzung und Diskussionen Zeit zu nehmen, war eines der Ziele des Kongresses. Wir als Internationalist*innen der Kampagne Make Rojava Green Again sehen uns als Teil der Klimabewegung in Deutschland, auch wenn wir nicht alle selbst in Fridays for Future aktiv sind. Diese neue Bewegung ist eine neue Jugendbewegung, wie wir sie vielleicht seit den 68er Jahren nicht mehr gesehen haben. Und da das zentrale Thema dieser Bewegung die ökologische Krise ist, war und ist es weiterhin für uns wichtig, mit Aktivist*innen von Fridays for Future ins Gespräch zu kommen, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam auf der Straße für eine ökologische Gesellschaft zu demonstrieren.

Wie sah das Programm auf dem Kongress aus und wie habt ihr euch eingebracht?

Das Programm war eine breite Sammlung von Themen und praktischen Workshops. Zum Beispiel „Solarenergie für meine Schule”, oder „Was ökonomische Ungleichheit mit der Klimakrise zu tun hat”. Wir haben uns mit einem Workshop „Lösung der Klimakrise: ökologische Wirtschaft, Geschlechterbefreiung und Selbstverwaltung” eingebracht. Verbindungen zu Menschen und Bewegungen aufzubauen passiert aber nicht nur in der gemeinsamen Diskussion, sondern auch auf der Straße. Daher waren wir natürlich auch am Freitag bei den Aktionen von Fridays for Future in der Dortmunder Innenstadt dabei. 

Wie war euer Workshop?

Wir haben versucht in Kürze unsere ideologischen Ausgangspunkte darzustellen, also wie wir uns der Frage der Klimakrise als Teil der globalen Krise der kapitalistischen Moderne annähern. Dass wir eben die ökologische Krise, die Wirtschaftskrise, die Krise der Demokratie und eine Mentalitätskrise der Menschen nicht voneinander trennen können. Diese Krisen und ihre gegenseitige Verwobenheit sind es, welche das System heute ausmachen. Und wenn wir uns „System Change not Climate Change” auf die Fahnen schreiben, dann müssen wir dieses System zum einen Verstehen und zum anderen uns Gedanken machen, wie eine Alternative dazu aussehen kann. Und da kann Rojava viele Ideen und Perspektiven geben. Aber wir haben im Workshop auch ganz konkret über die ökologische Situation in Rojava gesprochen, welche Maßnahmen die Selbstverwaltung unternimmt, diesen zu begegnen und welche Rolle die Kampagne darin spielt. Also beispielsweise wie die Monokultur von Weizen wie im Kanton Cizîrê langsam diversifiziert werden kann.

Und in der Frage der Alternativen seit ihr auf den Aufbauprozess in Rojava eingegangen?

Genau. Wir haben versucht, einen kurzen Einblick zu geben in die Dimensionen der Revolution, und eben wie der Aufbau einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft zusammenhängen. Dass eben nur in einer Gesellschaft, die sich selbstverwaltet, eine ökologische und soziale Form des kollektiven Wirtschaftens jenseits kapitalistischer Ausbeutung möglich ist. Dass wir auch eine mentale Revolution brauchen, durch welche das Denken in Kategorien und Ungleichheit überwunden werden kann. Dass die Natur an sich wieder als etwas belebtes verstanden und gefühlt werden kann und nicht nur als ein Objekt der Ausbeutung.

Darüber hinaus haben wir auch die Bedeutung der Jugend in einem revolutionären Prozess betont. Gerade im Zusammenhang von Fridays for Future ist das ein sehr wichtiges Thema.

Was waren spannende Fragen und Diskussionen im Workshop?

Es gab viele Nachfragen zu unterschiedlichen Aspekten der Revolution. Wie sieht die Frauenrevolution im Konkreten aus? Was sind die Herausforderungen im gesellschaftlichen Aufbau? Wie sieht das Rechtssystem in Nordostsyrien aus und wie funktioniert es, eine gesellschaftliche Ethik wieder zu stärken, dass es keine Gerichte in diesem Sinne braucht? Es waren sehr viele spannende Fragen, auf welche wir als MRGA und Genossinnen vom Verband der Studierenden Frauen aus Kurdistan eingehen konnten. Aber die brennendste Frage war, was wir nun genau von der Revolution lernen können. Also auch konkret für die ökologischen Kämpfe hier und im Besonderen für Fridays for Future.

Und? Was habt ihr darauf geantwortet, bzw. was war die Diskussion unter den Teilnehmenden dazu?

Also wir betonen immer, dass wir die ökologischen Kämpfe in einen Zusammenhang eines gesamten revolutionären Projekts stellen müssen, welches eine Perspektive von Befreiung nicht nur bezogen auf die ökologische Krise aufmacht, sondern gesamtgesellschaftlich. Und dabei wären wir auch bei einem zweiten spannenden Punkt der Diskussion. Und zwar, was wir von den Erfahrungen der gesellschaftlichen Arbeit in Rojava lernen können. Wirklich von Tür zu Tür zu gehen. Immer wieder die Verbindungen zu den Menschen aufzubauen und zu halten. Und auf diese Art und Weise sich langsam wirklich eine gesellschaftliche Basis eines Kampfes entwickeln lässt, welche nicht einfach wieder verschwindet, wenn das Thema aus den Medien raus ist. Wir haben im Workshop von unseren Erfahrungen gesprochen, dass es für eine Bewegung notwendig ist Menschen zu haben, welche bereit sind, sehr sehr viel von ihrem persönlichen Lebensvorstellungen hinter sich zu lassen und sich mit ganzem Herzen und all ihrer Zeit der Sache verschreiben. Das ist für viele hier eine schwierige Vorstellung, da wir hier einfach nicht mehr die Erfahrungen mit diesen Formen der Organisation haben.  Und wir haben betont, wie wichtig es für die Revolution in Rojava ist, sich als eine Revolution der Frauen und der Jugend zu verstehen, als solche zu begreifen. Also gerade für Fridays for Future sich wirklich als Jugendbewegung zu begreifen, mit allen Eigenschaften, die dazu gehören.

Was genau meinst du damit? Welche Eigenschaften einer Jugendbewegung?

Die Jugend gibt sich nie mit dem Bestehenden zufrieden! Das liegt in der Jugend, welche die Welt mit neuen Augen sieht und sie immer wieder hinterfragt. Den Wegen und Perspektiven, wie sie ihr von den älteren Generationen vorgeschrieben werden, nicht einfach blind folgen, sondern sich eigene Gedanken machen. Die Jugend geht noch radikaler an die Themen heran, nicht immer gleich auf einen Kompromiss bedacht, sondern auch mal auf dem zu bestehen, was als richtig angesehen wird. Und das sehen wir in Fridays for Future als auch in der Revolution in Kurdistan und es sind sehr wichtige Erfahrungen für uns alle.

Und daher wird die Energie der Jugend versucht durch den Staat zu vereinnahmen. Wo seht ihr das bei Fridays for Future und was wird dagegen getan?

Ja, verschiedene Kräfte, ökonomische und politische versuchen, Fridays for Future für sich zu gewinnen, diese Jugendbewegung ins Bestehende zu integrieren – sie zu einem Motor für eine Erneuerung des Kapitalismus zu nutzen, also für den Weiterausbau eines ein bisschen grüngewaschenen Kapitalismus. Und der Staat versucht alles daran zu setzen, dass sich diese Bewegung nicht ihres revolutionären Potentials bewusst wird. Die Fridays for Future konkret von anderen Gruppen zu spalten und sie im Glauben zu lassen, dass es das richtige wäre, sich an die „Politik”, Politiker*innen und also Parlamente zu richten und die Hoffnung wachzuhalten, dass diese die Probleme lösen könnten. Das wichtigste dagegen ist Bildung.

Und was meint ihr als MRGA, wie es mit Fridays for Future weiter gehen sollte?

Viele der wichtigen Fragen sind aufgemacht worden: Was verstehen wir unter Kapitalismus, Revolution, was ist die Geschichte der Jugendbewegungen und ökologischer Kämpfe in Deutschland, wie hängen Ökologie und Krieg zusammen und wie ist die Herrschaft über die Natur mit der Herrschaft über die Menschen verbunden? Nun geht es unserer Meinung darum, die richtigen Orte zu finden, diese Fragen wirklich gemeinsam als Fridays for Future zu diskutieren und zu vertiefen. Also was wir gerade schon meinten, es braucht organisiertere interne Bildung, um ein gemeinsames Bewusstsein zu entwickeln und auf dieser Ebene auch in der Lage zu sein, gemeinsame Positionen zu formulieren, die über praktische Ziele wie CO-Reduktion hinauszugehen.

Und es braucht Bildung und mehr praktische Erfahrungen, den Irrglauben an den Staat zu überkommen! Der Staat ist Teil des Problems und kann niemals Teil der Lösung sein. Das einzige, was wir machen können, ist ihm nach und nach mehr Einfluss auf die Gesellschaft abzutrotzen. Das bringt uns zu einem weiteren wichtigen Punkt für Fridays for Future oder allgemein die Klimagerechtigkeitsbewegung: Neben dem Protest braucht es immer auch den Aufbau. Also den Aufbau von Organisationen, festen Strukturen, welche nicht einfach wieder in sich zusammenfallen, wenn die Welle der Proteste vorbei ist. Und darüber hinaus müssen gesellschaftliche Strukturen aufgebaut werden, die es der Gesellschaft ermöglichen, sich selbst und nach ihren Bedürfnissen zu verwalten. Auch daran muss sich der Erfolg von Fridays for Future messen lassen. Wir als Jugend müssen darin noch mutiger werden, einfach auch Schritte zu versuchen.

Noch eine Frage zum Schluss. Wie verbindet ihr ökologische Themen mit der aktuellen Situation und den Drohungen der Türkei, weitere Teile Rojavas zu besetzen?

Auf allen unseren Veranstaltungen und in Gesprächen machen wir auf die aktuelle Situation in Rojava aufmerksam und betonen, dass dieses gesellschaftliche Projekt durch den türkischen Staat bedroht ist. Und gleichzeitig, dass wir alle als demokratische Kräfte eine Verantwortung haben, uns an die Seite der Menschen in Rojava zu stellen und eine Ausweitung des Krieges nicht zulassen dürfen. Neben den grausamen Folgen von Krieg auf die Gesellschaft sind Kriege auch immer Kriege gegen die Natur. Dafür ist der Krieg in Syrien leider ein sehr gutes Beispiel. In Efrîn wurden Tausende von Olivenbäumen zerstört, giftige Munition wird für Jahrzehnte das Land verschmutzen und immer wieder wurden im Krieg auch in Syrien industrielle Zentren zerstört, durch welche viele giftige Stoffe in die Umwelt freigesetzt werden. Daher ist es wichtig, dass wir als ökologische Bewegung uns genauso gegen Kriege einsetzen wie für den direkten Klimaschutz.